Konfuse Announcement-Stratagien erschweren Systemplanung

06.04.1984

Herausragendstes Merkmal der derzeitigen IBM-Mainframe-Strategie sind immer kürzer werdende und für den Benutzer nahezu unkalkulierbare Ankündigungszyklen. Die hier eingeschlagene Marschrichtung des Marktführers, die nach Ansicht von Michael Rostaher dem Benutzer vorgaukeln soll, er bekäme immer mehr Leistung für immer weniger Geld, geht in der Regel zu Lasten des Benutzers, da sie deren Hardware-Planung zu einem reinen Vabanquespiel macht. Eine gestern gekaufte Maschine kann beim Announcement eines leistungsstärkeren Folgemodells morgen bereits im Wiederverkaufswert um einen Betrag in Millionenhöhe sinken. Norbert Heinemann vermutet, daß hinter der IBM-Announcement-Politik vor allem die Absicht besteht, den Leasing- und PCM-Markt zu verunsichern. kul

Peter Brentle

DV-Leiter, Panavia Aircraft GmbH, München

Angesichts der Produktionsstrategien der Hersteller ist es für den Anwender oft nicht leicht, eine richtige Entscheidung zu treffen. Setzt er beispielsweise eine 4341 ein, so stellt sich die Frage, ob er sich für eine 4381 entschließen oder eine Generalinvestition tätigen soll und sich dem 308X-Rahmen zuwendet. Auch wenn sich in diesem Fall Zusatzkosten beispielsweise für eine Wasserkühlung ergeben, ist zumindest das Grundgerüst festgelegt und die Anlage läßt sich weiter ausbauen. Hierbei spielt natürlich vorrangig der unternehmensspezifische Bedarf an DV-Kapazität die Hauptrolle.

Entscheidet sich der Anwender dafür, seine Maschinen zu mieten oder zu leasen, so kommt es auf die Abstimmung der eigenen Strategie mit dem Leasing-Geber, also beispielsweise einem Broker, an. Dieser kauft die Anlage und tritt die Forderung an eine Bank ab. Wenn der Broker gut etabliert ist, so dürfte auch das Wiederverkaufsproblem nicht besonders ins Gewicht fallen.

Leider gibt es aber auch in diesem Marktbereich schwarze Schafe. Deshalb sollte sich der Anwender dadurch absichern, daß er bestimmte Regeln berücksichtigt, die dazu beitragen, ihn vor unliebsamen Überraschungen zu schützen. Ein gutabgeschirmter Vertrag mit einem Broker hat auf alle Fälle den Vorteil, daß der DV-Verantwortliche im Betrieb mit den Wiederverkaufsproblemen so gut wie nicht belastet wird.

Bei der Mainframe-Strategie von IBM empfinde ich es als positiv, daß man sich ein System anfassen lassen, kann, das für den eigenen Betrieb genau maßgeschneidert ist. Es läßt sich allerdings nicht leugnen, daß so mancher Anwender, der große Geldsummen investiert hat, enttäuscht sein wird, wenn seine Maschinen in kürzester, Zeit einen rapiden Wertverlust erfahren. Vom diesem Standpunkt aus betrachtet ist es also empfehlenswert, sich für eine Maschine zu entscheidend die ausbaufähig ist.

Meiner Erfahrung nach stellt sich die Frage nach neuen Produkten in der Praxis als zweitrangiges Problem dar. Die eigentliche Aufgabe der DV-Abteilung den Betrieb mit den benötigten Informationen und DV-Leistungen zu versorgen, ist in der Realität viel wichtiger. Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf der DV-Aktivitäten ist eine, realistische und vernünftige Planung. Sie muß vor allem rechtzeitig einsetzen, nicht erst dann, wenn die Kapazität nicht mehr ausreicht.

Auch wenn es manchmal lästig sein mag, sich um neue Entwicklungen und Tendenzen zu kümmern: für die betriebsinterne DV-Strategie kann es unter Umständen lebenswichtig sein, neue Trends rechtzeitig zu erkennen. Erfahrungsgemäß muß man jedoch auch im DV-Alltag Prioritäten setzen. Das bedeutet, daß in der Praxis doch immer wieder andere Probleme Vorrang haben und die Mainframe-Strategien nicht als Lebensnotwendig betrachtet werden.

Norbert, Heinemann

Abteilungsleiter Systemtechnik, Kommunales Gebietsrechenzentrum (KGRZ) Starkenburg, Darmstadt

Der Marktführer IBM führt seit etwa 1976 die Philosophie der kurzen Ankündigungs-Zyklen durch. In der Vergangenheit dauerte es etwa zwei Jahre, bis ein Rechnermodell durch eine technisch höherwertige und wirtschaftlich günstigere Maschine ersetzt wurde. Die damit verbundene, künstlich erzeugte technische Überalterung installierter Systeme führt naturgemäß zu einer Verunsicherung der Verantwortlichen im DV-Planungsbereich. Der Ablauf der Zyklen sei einmal kurz an Systemen des unteren Großsystembereichs dargestellt.

1976 wurde die /370-148 angekündigt und 1977 erstmals ausgeliefert. Bereits 1977 kündigte IBM die 3031 mit einem Auslieferungstermin von 1978 an. Bei Verdoppelung der MIPS-Raten von etwa 0,6 auf 1,2 kosteten beide ungefähr 2,2 Millionen. Durch die Ankündigung 31 und deren Markteinführung hatte die /370-148 im Jahr 1981 noch einen durchschnittlichen Wert von 3 bis 6 Prozent der IBM-Liste, während die 3031 bei 15 bis 25 Prozent der IBM-Liste lag.

Den starken Verlust der 3031 verursachte die 1979 angekündigte 4341-1, die 1980 zum Preis von 600 000 Mark ausgeliefert wurde. Diesen Preis hielt das System noch bis 1981. Dann kam die 4341-2 mit 1,5 MIPS für 930 000 Mark. Diese senkte den Preis der 4341-1 auf unter 200 000 Mark im Jahre 1983. Das System 4341-2 hat 1983 nur noch einen Wert von 300 000 Mark, denn die 4361 mit 111 MIPS wurde mit 500 000 Mark und die 4381 mit 2,1 MIPS für eine Millionen angekündigt. 1984 soll die erste Auslieferung sein.

Es steht zu vermuten, daß der Grund für diese zweijährigen technologischen Zyklen die Verunsicherung des Leasing-und PCM-Marktes ist. Dort muß bekanntlich mit längeren Laufzeiten gearbeitet werden, oder mit Restwerten, die Roulettegebaren nicht unähnlich sind, um attraktivere Mieten anbieten zu können.

Der Leittragende ist der RZ-Leiter, der sich unversehens in der Situation sieht, eine gestern noch zu einem attraktiven Preis bei einer Leasinggesellschaft oder einem PCM angeschaffte Maschine nach der Neuankündigung durch IBM nun in Massen zu weit günstigeren Konditionen auf dem Markt vorzufinden. Dies der nächsten Stufe des Berichtsweges schlüssig vorzutragen, ist wohl eine kaum schaffbare Aufgabe. Im Grunde müßte ein Systemplaner permanent im Planungsstadium verbleiben, immerzu Vertriebsaktivitäten der Anbieter in unterschiedlicher Qualität genießen und ansonsten um Gotteswillen nichts entscheiden.

Es gibt grundsätzlich zwei denkbare Ansätze. Zunächst kann man sicher mit IBM und deren Produktzyklen leben und alle zwei bis drei Jahre ein neues System installieren. Dies bedeutet zwar immer neueste Technologie und möglicherweise auch Wirtschaftlichkeit, jedoch aber auch permanente Unruhe im Rechenzentrum. Wer glaubt, dem entgehen zu müssen, sollte sich auf 48 bis 60 Monate festlegen.

Um zukunftssicher alle denkbaren Ansprüche abdecken zu können, wäre es empfehlenswert, ein ausbaufähiges System auszuwählen, um gegebenenfalls Teilausbauten im laufenden Vertrag vornehmen zu können. Wenn ein RZ-Leiter die Berührungsängste. überwinden kann, ist es sicher vorteilhaft, sich eines PCM-Anbieters zu bedienen. Dieser Weg vereint längerfristige RZ-Stabilität mit moderner Technologie und hoher Wirtschaftlichkeit.

Kurzen Technologiezyklen sollten heute nicht mehr mit Zwangsläufigkeiten gefolgt werden, dem Systemplaner bleibt die Möglichkeit, in aller Ruhe eine individuelle Lösung zu finden.

Michael Rostaher

Leiter DV-Entwicklung der Merkur-Versicherung, Graz

Die Frage der Mainframe-Hersteller-Strategie reduziert sich für mich auf die, Frage der IBM-Strategie. Letztlich auch deswegen, weil ich dem IBM-Kundenkreis entstamme.

Die Mainframe-Entwicklung von wachsenden Systemen mit einem sinkenden Preis-Leistungsverhältnis, was zu der trügerischen Annahme führt, man bekäme immer mehr Leistung für weniger Geld, Es steht gleichzeitig außer Zweifel, daß die absoluten Zahlen für EDV-Kosten ständig steigen und daß das erwähnte, "Mehr" fast nicht oder sehr schwer quantifizierbar ist.

So sehr der Anwender unterstützt wird bei hardwaremäßigen Ausdehnungen, so dürftig fällt die Unterstützung aus, wenn man die Hardware mit Leben (Software) füllen will. Natürlich ist das von Fall zu Fall unterschiedlich.

Es gibt Anwender, die geringere Ansprüche stellen und solche, die nur mengenmäßige Probleme bekämpfen. Der große Partner (beispielsweise IBM) wird zwar hellhörig, aber solange seine Strategie des ständigen Wachstums auf der IBM- und auf der Kundenseite unangetastet bleibt, greift er nicht wesentlich ein.

Der Mainframe-Hersteller und der DV-Anwender sind für mich zwei Vertragspartner. Der Vertragslebenslauf wird zwar von beiden Teilen beeinflußt, aber von einem eben mehr und zu den Zeitpunkten, die dieser eine stärker bestimmt. Als Anwender kann ich nur empfehlen, alles zu unternehmen, um zu diesen Zeitpunkten den sogenannten Umstellungsaufwand so niedrig wie möglich zu halten.

Ein Beispiel dafür ist die Datenbank. Wenn man ein solches System konzipiert, dann sollte man sich an einem Modell der Realität orientieren und nicht an Vorstellungen, die von hardwaremäßigen oder ähnlichen Überlegungen beherrscht werden.

Man kann sich zwar auch in diesem Bereich vom großen Partner führen lassen, aber nur für teures Geld. Den regelmäßigen Neuankündigungen kann man dann aber nicht mehr, gelassen entgegensehen und das Preis-Leistungs-Verhältnis ist nur noch ein fiktiver Wert.