Elektronische Verkaufshelfer sind das Herzstück für E-Business

Konfiguratoren bringen den Verkauf auf Trab

22.12.2000
DÜSSELDORF (bs) - Zwischen der Komplexität eines Verkaufsprozesses und dem simplen Service elektronischer Warenkörbe liegen Welten. Mit Vertriebskonfiguratoren, die sich an den Wünschen des Käufers orientieren, lassen sich diese Lücken schließen, wie die CRM-Expo in Düsseldorf zeigte.

Am Anfang war die Website. Inbesondere dann, wenn simple Produkte über das Internet verkauft wurden - so genannte Pick-and-Pay-Waren - reichten hübsch gestaltete Internet-Seiten meist aus. Die bekanntesten vermarkten Bücher und CDs. Unternehmen wie Amazon.com, CD-Now oder Bol.com haben mit dieser Strategie seit Ende der 90er Jahre ihr mehr oder weniger erfolgreiches Geschäft betrieben.

Für Unternehmen, die beratungsintensive, konfigurierbare Produkte wie PCs, Autos, Fahrräder, Möbel, Reisen oder Dienstleistungen verkaufen, genügen bunt blinkende Internet-Seiten mit Suchfunktionen und Warenkörben nicht mehr. Auch der Vertriebsmitarbeiter, ob intern oder im Außendienst, kann Kunden heute ohne technische Hilfsmittel kaum qualifiziert beraten. Aussagen zu Preisen und Liefertermin gleichen oft mehr dem Blick in die Kristallkugel, denn einer verlässlichen Information. Eine unlängst von Mummert und Partner in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Lehrstuhl für E-Commerce veröffentlichte Studie brachte es ans Tageslicht: Nur 15 Prozent der zurzeit genutzten Plattformen für den elektronischen Handel führen Interessenten zufriedenstellend durch den Verkaufsprozess. Die Verfahren sind zu kompliziert, wenig ansprechend und oft fehlerbehaftet.

Helfen können hier Preis-, Produkt- und Vertriebskonfiguratoren. Dabei handelt es sich um Softwarebausteine, die als Stand-alone-Lösungen auf den Laptops von Vertriebsmitarbeitern laufen, aber ebenso gut in Web-Seiten integriert sein können, über die komplexe Produkte vermarktet werden. Sie haben das Zeug dazu, eine Reihe von Aufgaben auf einmal zu lösen: den Vertriebskanal Internet erfolgreich erschließen, eine ansprechende Form der Produktpräsentation für den Kunden ermöglichen, Hilfswerkzeuge für den Verkäufer und flexible Gestaltungsmöglichkeiten des Produkt- und Preisspektrums bereitstellen. Die Komponenten lassen sich im Geschäft zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Business-to-Consumer = B-to-C) via Web genauso einsetzen wie als Fat-Client-Lösung auf dem PC des Außendienstmitarbeiters bei Business-to-Business-Prozessen.

Konfiguratoren kommen allerdings selten als Insellösungen zum Einsatz. Sie arbeiten in der Regel im Verbund mit Kunden- und Lieferketten, Management-, ERP- und E-Business-Lösungen. Bekannte Beispiele für Produkt- und Preiskonfiguratoren finden sich unter anderem auf den Websites von Dell, Cisco, BMW und Daimler-Chrysler.

Die Werkzeuge werden eingesetzt, um den Kunden mit seinen Wünschen ins Zentrum des Geschäfts zu rücken: "Bei CRM werden hauptsächlich Daten über den Kunden gesammelt und analysiert.

Mit Hilfe von Konfiguratoren im Verkauf dagegen erhält er Informationen über das Unternehmen, dessen Produkte und Services", erklärt Peter Trix, Geschäftsführer der Selectica GmbH Deutschland, eines Anbieters für Interactive-Selling-Systeme und Vertriebskonfiguratoren. Mit Hilfe von Frage-und-Anwort-Dialogen ließen sich beispielsweise Kundenwünsche online abfragen und Produkte interaktiv gestalten.

Laut Analysten sind die Verkaufs-Tools die Speerspitze und damit auch ein Bestandteil einer vollständigen CRM- und E-Business-Strategie, fristen allerdings in der Debatte über E-Commerce und Kundenzufriedenheit ein Nischendasein. Dabei leiten sie nicht nur Kunden durch Verkaufsprozesse, sondern helfen auch den Vertriebsmitarbeitern. Denn kein noch so fitter Außendienstler hat alle konfigurierbaren Varianten etwa eines Kernspintomografen oder Flugzeugs im Kopf.

So lässt sich bereits während des Vertriebsvorgangs aufgrund hinterlegter Verknüpfungen und Bedingungen (Constraints) überprüfen, welche Waren tatsächlich lieferbar sind. Gleichzeitig kann der dazugehörige Preis ermittelt und automatisch ein Angebot erstellt werden. Bei entsprechender Integration in Enterprise-Resource-Planning-(ERP-) und Supply-Chain-Management-(SCM-)Systeme sind sogar der Liefertermin abrufbar sowie eine automatische Übergabe der Bestellung an die Warenwirtschaft oder die Produktion möglich.

Im Verbund mit ERP und CRMDie Vorteile liegen auf der Hand: Kunden erhalten nur Artikel angeboten, die machbar sind, dadurch lassen sich fehlerbehaftete Angebote vermeiden. Aber auch harte Fakten in Mark und Pfennig sprechen für Konfiguratoren: "Mit Hilfe eines Tools sparen wir pro Angebot eine Stunde Aufwand und dadurch jeweils 100 Mark", berichtet Hans Lauffer, Projektleiter CRM bei der Thyssen Aufzüge GmbH. Bei 10000 Offerten jährlich bedeutet das rund eine Million Mark auf der Habenseite. Der Lifthersteller setzt einen Konfigurator von Cincom in Kombination mit einer CRM-Lösung von Orbis ein.

So vielfältig wie die Einsatzgebiete von Konfiguratoren sind, so zahlreich ist auch das Angebot, wie sich auf der Düsseldorfer Kongressmesse CRM-Expo zeigte. In dem Marktsegment konkurrieren Spezialanbieter wie Selectica und Camos mit Produkten etwa von ERP-Gigant SAP. Oracle kooperiert wie der CRM-Hersteller Siebel mit Ilog, das nicht in die Rhein-Metropole gekommen war.

Siebel, das versucht sich als E-Business-Company mit einem Gemischtwarenladen von über 140 Produkten zu positionieren, hat anscheinend die Notwendigkeit eines ausgereiften Vertriebskonfigurators erkannt. Im Sommer schluckten die Softwerker Onlink, einen Anbieter von Vertriebskonfiguratoren. Die Saarbrücker CRM-Schmiede Orbis greift auf das Werkzeug von Cincom zurück und Vantive, Saratoga und Update.com setzen auf die Technik von Camos aus Stuttgart.

Grundsätzlich neu ist die Idee der in Software gegossenen Verkaufsassistenten nicht. Bereits seit über 20 Jahren gibt es Varianten- und Preiskonfiguratoren. Diese residieren meist auf Host-Systemen und unterstützen den Vertriebsinnendienst, die Konstruktion sowie die Arbeitsvorbereitung. Produktbeziehungen sind über Matrizen (Tabellen) fest miteinander "verdrahtet" und geben das vor, was gebaut werden darf. Getreu dem Motto "Never touch a running system" trauen sich nur wenige Unternehmen, diese Automaten zu ändern: "Neue Varianten aufzunehmen ist aufwändig, einen zusätzlichen Vertriebsweg zu unterstützen fast undenkbar, und von Web-Fähigkeit dieser Tools kann keine Rede sein", erläutert Joachim Skarpill, Alliance Manager bei Camos, den Status der Altsysteme.

E-Business ist derzeit die stärkste Triebfeder für den Einsatz moderner, flexibler Konfigurationswerkzeuge: Unternehmen ändern ihre Angebote heute laufend, veranstalten Sonderaktionen und bündeln Waren zu Kampagnen. Die Variantenvielfalt von Produkten steigt, wie im umgekehrten Maße die Losgrößen in der Produktion kleiner werden. Zudem gilt es, das Internet als lukrative Einnahmequelle zu erschließen. Diesen Sachzwängen ist mit den starren Variantenkonfiguratoren und Pricing-Engines älterer Bauart nicht Herr zu werden.

Ein besonderes Augenmerk sollten Anwender deshalb darauf legen, wie komfortabel sich die Werkzeuge einstellen lassen. Wie können Produktmerkmale, Beziehungen zwischen Bauteilen, Abhängigkeiten, Constraints, Preise etc. gepflegt werden? Hier haben Tools von Camos, Selectica und auch Invensys CRM (ehemals Baan) ihre Stärken. Mittels Objekttechniken lassen sich Merkmale direkt an den zu konfigurierenden Produkten ablegen. Per Drag and Drop wird dann mit wenigen Statements die Beziehung (Constraints ) zu anderen Bauteilen hergestellt, eine Aufgabe, die von den Fachabteilungen wie Vertrieb und Produkt-Management ohne Hilfe der IT erledigt werden kann.

Bei älteren tabellenorientierten Systemen gilt es, alle Kombinationsmöglichkeiten zwischen Teilen aufwändig abzuprüfen und Regeln entprechend anzulegen. Dazu müssen nicht selten eine Vielzahl programmiersprachenähnlicher Statements eingegeben werden. SAPs "Internet Pricing and Configurator" (IPC) fällt in diese Kategorie. Erst in der Version 3.0, die im Sommer 2001 verfügbar sein soll, rüsten die Walldorfer eine grafische Modellierungsoberfläche nach.

Ein weiterer Vorteil der Spezialanbieter ist, dass sich mit Hilfe ihrer Tools Frage-und-Antwort-Szenarien rasch und komfortabel gestalten lassen und sie damit der typischen Herangehensweise und dem Verhalten von Käufern gerecht werden. Auch in Sachen grafische Darstellung von Artikeln punkten die Spezialisten - 2D- und 3D-Echzeit-Animation gehören zu ihrem Standardrepertoire.

SAPs stärkstes Pfund dagegen ist wie bei allen hauseigenen Produkten die Integration mit dem ERP-Backbone R/3. Dort wird die Wissenbasis - Produkt- und Preisinformationen sowie Regeln - extrahiert und mittels SAP-Technik Application Link Enabling (ALE) in den IPC geladen, ohne dass programmiert werden muss. Die Lösungen von Spezialanbietern bieten zwar hier zum Teil Schnittstellen an, doch lassen sich die Regeln, die bereits in R/3 angelegt wurden, nicht eins zu eins in den Konfigurator übernehmen.

Allerdings gilt der Vorteil der SAP-eigenen Kopplung nur innerhalb der R/3-Welt, lediglich hierzu sind die Schnittstellen vorhanden. Zum anderen haben viele Unternehmen mehrere R/3-Systeme im Einsatz, in denen Informationen von konfigurierbaren Produkten gespeichert sind. Diese müssen aufwändig miteinander abgestimmt werden, so dass es ohnehin sinnvoller ist, die Stammdaten, Beziehungen und Preise in einem zentralen Konfigurations-Master-System zu pflegen. Dazu böten sich dann wieder die Tools von Spezialanbietern an, die über die angesprochenen Vorteile bei der Pflege und Gestaltung ansprechender Verkaufsoberflächen verfügen.

Doch die flexibel anpassbaren Werkzeuge der Spezialisten haben ihren Preis: Für das Mittelstandspaket von Selectica müssen rund 500000 Mark hingeblättert werden, für große Anwender beginnt der Preis bei einer Million Mark. Die Einstiegsprojekte von Camos liegen bei rund 200000 Mark. Sollte sich mit Hilfe der Tools die Akzeptanz bei Einkäufen über das Web jedoch erhöhen lassen, zahlt sich der Einsatz rasch aus. Bisher jedenfalls brechen laut einer Studie der Biz-Rate-Gruppe 75 Prozent der Kunden ihr Online-Shopping ab, weil der Kaufprozess zu schwierig war.

CRM-ExpoZum zweiten Mal nach 1999 fand die Fachmesse mit angeschlossenem Kongress für Customer-Relationship-Management statt. Über 2500 Besucher (1999: knapp 2000), 178 Aussteller (1999: rund 120) sowie über 390 (1999: 350) Kongressteilnehmer fanden den Weg in die Rheinmetropole. Die Veranstaltung hat sich neben der Sales-Tech als Fachmesse für Vertrieb, Service- und Marketing-Lösungen etabliert. Im nächsten Jahr geht die Leitmesse zum Thema Kundenbeziehungs-Management mit den Themenbereichen "Integrierte Lösungen für Marketing, Vertrieb und Customer Service" in Köln an den Start. Termin ist der 14. bis 15. November 2001. www.crm-expo.de

AuswahltippsWorauf Anwender bei der Entscheidung eines Produkt-, Angebots- und Vertriebsgenerators achten sollten:

1. Welches ist das führende System? Wo soll die Knowledge-Base gepflegt werden? Wo lassen sich Regeln, Constraints, Preise etc. definieren? Dies ist wichtig für die Entscheidung, ob man den Konfigurator etwa aus dem gleichen Haus wie die eingesetzte ERP-Suite bezieht oder auf einen Spezialanbieter zurückgreift.

2. Wie lassen sich die notwendigen Daten aus einem ERP-System in den Konfigurator laden, wie werden diese synchronisiert?

3. Der Konfigurationsablauf sollte nicht streng vorgeschrieben werden. Es muss möglich sein, an jeder Stelle im Prozess zu beginnen und zum Beispiel das Auto um das unbedingt gewünschte Radio "herumzukonfigurieren".

4. Das Tool sollte vorausschauend arbeiten, also unzulässige Optionen erst gar nicht mehr mit anzeigen. Beispiel: Wenn ein Cabrio gewünscht wird, ist ein Stahlschiebedach kein zulässiges Zubehör. Der Kaufpreis und die Kombination von Bauteilen müssen permanent auf Zulässigkeit überpüft werden, nicht erst beim Abschluss des Konfigurationsvorgangs, sonst droht Frustration des Käufers.

5. Simple Frage-Antwort-Mechanismen müssen möglich sein: Fahren Sie oft Autobahn? Bevorzugen Sie Komfort? Fahren Sie öfter im Gelände? Wie viel Geld möchten Sie ausgeben? Anhand einfacher Fragen stellen sich Kunden ihr Angebot zusammen.

6. Wie werden Animation, 3D-Darstellungen und Katalogdaten in den Konfigurator eingebunden?

7. Welche Tools und Schnittstellen sind für die Integration von Back-Office-Systemen wie ERP, CRM, SCM vorhanden, etwa um die Verfügbarkeit von Waren und den Liefertermin zu prüfen?

8. Wie lassen sich die Modelle entwickeln? Erstens: klassischer Ansatz über Regeln, Tabellen oder logische Verknüpfungen, oft mit eigener Metasprache. Das Verfahren ist starr, da alle Abhängigkeiten und Kombinationsmöglichkeiten von Produkten und Bauteilen hinterlegt werden müssen. Zweitens: Über Objekte, das heißt, die Produkte mit ihren Eigenschaften ablegen und in einem zweiten Schritt mit wenigen Constraints beschreiben, wie die Teile zusammenpassen. So lassen sich Änderungen zentral vornehmen, ohne dass man alle Verknüpfungen durchspielen muss.

9. Es sollten automatisch Erklärungfelder angezeigt werden, wenn eine Kombination nicht zulässig ist.

10. Verfügt der Anbieter über Referenzen in Ihrer Branche, wie ist seine Finanzkraft?

11. Die Architektur des Werkzeugs prüfen, Web-Fähigkeit ist angesagt.

Abb.1: Konfigurator-Markt

Spezialisten dominieren: SAP muss noch kräftig Hand anlegen. Quelle: Gartner Research

Abb.2: Beziehungen pflegen

Mit nur einem Statement lassen sich die Beziehungen zwischen Bauteilen beim objektorientierten Ansatz pflegen. Quelle: Selectica