Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit sprechen für die "Kleinen", aber:

Komplexe Anwendungen machen PC-Paketen zu schaffen

28.08.1987

Lange Zeit eine Domäne der Großrechner, wird Projektmanagement zunehmend auf die PC-Ebene heruntergezogen. Für diese "Newcomer" unter den PMS-Produkten sprechen unter anderem Flexibilität und Benutzerfreundlichkeit. Doch können sie nicht in jeder Hinsicht das Einsatzspektrum der bereits im Markt etablierten Mainframe-Pakete abdecken. Axel Lohmann* nennt wichtige Auswahlkriterien bei der Entscheidung für ein PC-Produkt.

Die ursprünglich nur für Großrechner entwickelten Projektmanagementsysteme waren dazu bestimmt, die Planung und Kontrolle von Projekten sowie das notwendige Erstellen von Berichten zu erleichtern. Die DV-Unterstützung sollte gewährleisten, daß Balkendiagramme und Netzpläne ohne großen Arbeitsaufwand auf dem neuesten Stand gehalten werden können, um jederzeit den aktuellen Projektstatus feststellen zu können.

Planung ist ein sehr dynamischer Prozeß; deshalb entstanden bald Wünsche nach dezentraler Verfügbarkeit der Software-Unterstützung und nach flexiblen Möglichkeiten für die Umplanung. Das Ganze sollte auch nicht zu teuer und vor allem einfach zu bedienen sein.

Kompromißlösungen sind unvermeidlich

Diese Erwartungen konnten und können von Systemen auf Großrechenanlagen nur zum Teil erfüllt werden: Beispielsweise hapert es an der Verfügbarkeit vor Ort, wo es häufig keinen. Terminalanschluß gibt. Selbst dezentrale Planung ist nicht selbstverständlich. Außerdem sind diese Produkte abhängig vom Grad der Auslastung des Mainframes; das führt zu teilweise unakzeptablen Antwortzeiten, die eine zügige Planung verhindern. Oft sind Kompromisse notwendig, was die Aktualität von Netzplänen betrifft, denn deren Erstellen über Mainframes ist teuer und zeitaufwendig. An Flexibilität mangelt es ebenfalls, vor allem wegen umständlicher Prozeduren zur Planänderung. Planspiele mit alternativen Projektszenarios sind sehr aufwendig, was Zeit und Kosten betrifft. Nicht zuletzt wird der Nutzerkreis durch Systemvoraussetzungen, hohe Anschaffungskosten- und Betriebskosten eingeschränkt.

Mainframe-Systeme bieten allerdings auch einige Vorteile, wie die zentrale Speicherung und Auswertung aller Projektdaten und die Möglichkeit zur gleichzeitigen Kontrolle einzelner Projekte. Viele Mainframe-Systeme enthalten Funktionen zur Betriebsdatenerfassung und Kostenrechnung oder bieten Schnittstellen zu solchen Systemen. Schließlich sind Projekte mit Zehntausenden von Aktivitäten und Hunderten von Mitarbeitern nur durch ein Mainframe-System zu verwalten.

DV-Unterstützung für das Projektmanagement muß nicht mehr ausschließlich über Mainframe-Systeme erfolgen; das gilt auch für große Projekte. Was Speicherplatz, Verarbeitungsgeschwindigkeit, und Komplexität betrifft, so ist in den letzten Jahren die Leistungsfähigkeit der PCs enorm gestiegen, und zwar bei gleichzeitiger Kostenreduktion.

Im Zuge dieser Entwicklung wurden auch PC-basierte Projektmanagementsysteme entwickelt. Einige PC-Systeme sind heute leistungsfähig genug, um die Realisierung großer Projekte zu unterstützen durch geeignete Zerlegung des Projektes in Arbeitspakete (Work Break-down Structure). Jedes Arbeitspaket wird mit dem PC geplant und kontrolliert, höhere Ebenen , werden durch verdichtete Projektberichte berücksichtigt.

Die Vorteile der PC-Systeme liegen dabei auf der Hand: Sie sind dezentral autonom einsetzbar, also unabhängig von Systembelastung und einem direkten Anschluß an einen Rechner. Zudem können PCs dezentrale Ausgabegeräte wie Drucker und Plotter steuern und ermöglichen damit eine flexible Erstellung von Projektstatusberichten.

Über Schnittstellen zu Standardsoftware für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Business-Grafik lassen sich Projektberichte optimal auf die verschiedenen Adressaten wie Management, Auftraggeber, Kunden oder Mitarbeiter zuschneiden. Die Bedienung von PC-Systemen ist sehr einfach durch die im Vergleich zu Terminals überlegenen grafischen Möglichkeiten. Dabei können die Mikros alle Funktionen eines Terminals abdecken und gleichzeitig den Mainframe entlasten. Sicher nicht unrichtig ist auch, daß die Kosten eines PC-Systems für Projektmanagement mit Hard- und Software fünf bis zehn Prozent der jährlichen Lizenzgebühren für eine Großrechner-Software betragen.

Mikros und Mainframes arbeiten Hand in Hand

Es soll hier allerdings keiner Ausschließlichkeit das Wort geredet werden: PC-Systeme können Mainframe-Systeme nicht vollständig ersetzen. Ebensowenig ist es angebracht, alle Vorteile von PC-Systemen durch Mainframe-Systeme nachbilden zu wollen. Eine Analogie soll das verdeutlichen: Toaster und Zentralheizung können sich auch nicht gegenseitig ersetzen: Man kann ein Haus nicht mit vielen Toastern heizen, und ebensowenig kann der Frühstückstoast mit einer Zentralheizung hergestellt werden.

PC-Systeme können keine Systeme zur Kostenrechnung und Betriebsdatenerfassung ersetzen, die auf einem Mainframe residieren. Die Verwaltung sehr vieler Projekte oder Arbeitspakete gleichzeitig durch ein PC-System ist normalerweise nicht sinnvoll. Eine geeignete Softwarekomponente auf dem Mainframe könnte aber diese Funktionen bereitstellen und eine Kopplung zu anderen Softwaresystemen realisieren.

Diese Softwarekomponente müßte als Datenbasis für alle Projektdaten dienen und die Datensicherheit garantieren. Für die Berichterstattung über sehr viele Projekte beziehungsweise Arbeitspakete müssen Report-Funktionen zur Verfügung gestellt werden. Schließlich sind Schnittstellen und Datentransfer zu Systemen für Betriebsdatenerfassung, Abrechnung und Kostenrechnung nötig.

Eine zusätzliche Softwarekomponente ist nicht nur beim Einsatz von PC-Systemen erforderlich. Auch ein Mainframe-System sollte über Schnittstellen zu den vorhandenen Systemen für Betriebsdatenerfassung und Kostenrechnung verfügen, um die Projektabrechnung in das betriebliche Rechnungswesen zu integrieren. Andernfalls müssen Projektdaten mehrfach erfaßt werden.

Zur Planung eines Projektes oder Arbeitspaketes werden die Projektdaten vom Mainframe auf den PC geladen; mit dem PC-System wird die Planung fortgeschrieben, und die aktualisierten Projektdaten werden über die zentrale Softwarekomponente zurückgespeichert.

Der PC dient hier als Planungs- und Kontrollarbeitsplatz in einem Netz mit dem Mainframe als zentraler Datenbasis für alle Projektdaten. Die einzige Voraussetzung auf seiten des PC-Systems besteht darin, daß die Projektdateien offen zugänglich sind. Die Kombination eines PC-Systems mit einer Mainframe-Software, die Report-Funktionen und Schnittstellen zu anderen Systemen bietet, stellt eine Alternative zur ausschließlichen Nutzung eines Mainframe-Systems dar. Dabei können alle Vorteile von PC-Systemen genutzt werden.

Es gibt nur wenige universelle PC-Systeme mit Industriestandard also lauffähig unter MS-DOS auf IBM PCs und Kompatiblen, die gleichzeitig Terminplanung, Ressourcenplanung und Kostenüberwachung anbieten und mehr als 15000 Installationen aufzuweisen haben. Eine Vielzahl der verfügbaren Produkte deckt nur Teilaspekte des Projektmanagements ab: Netzpläne, Kostenabrechnung, Terminplanung oder Kalenderverwaltung. Einige Systeme sind nur auf spezifischer Hardware oder unter bestimmten Betriebssystemen einsetzbar.

Mit der Produktauswahl allein ist es nicht getan

Bei der Entscheidung für ein Projektmanagementsystem kommt es reicht nur auf die Auswahl eines der auf dem Markt angebotenen Produkte an. Gleichzeitig muß die betriebliche Einführung eines derartigen Systems gut geplant werden.

Falls im Unternehmen noch keine Standards für das Projektmanagement, beispielsweise für Vorgehensmodell, Kalkulation und Abrechnung, existieren, ist es empfehlenswert, einen Standard zu erarbeiten und verbindlich festzulegen. Alle Projektleiter sollten in Seminaren mit diesen Standards vertraut gemacht werden. Klärt man die Methoden der Projektplanung und Projektkontrolle nicht vor Einführung eines Systems, so wird es schnell als lästig und überflüssig empfunden, und niemand will es verwenden. Außerdem besteht die Gefahr, daß bei freihändiger Benutzung des PMS von der Anlage her ähnliche Projekte nicht mehr verglichen werden können, weil jeder Projektleiter andere Schwerpunkte setzt.

Sind die Standards der Projektplanung und Projektkontrolle klar, empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Zunächst sollte die vorhandene Hard-/ Software-Ausstattung überprüft werden, um die Rahmenbedingungen abzustecken. Weiterhin ist eine Charakterisierung der im Unternehmen üblichen Projekte sinnvoll. Die Erfordernisse des Berichtswesens für die Projektplanung, -kontrolle und -abrechnung müssen ebenfalls in die Planung einfließen. Auf der Grundlage dieser Analyse sollte ein Anforderungsprofil für die benötigte Software in Form eines Kriterienkataloges erstellt werden.

Herstellerservice durch Probeinstallation testen

Für die Auswahl schließlich sind Präsentationen durch die Hersteller/Lieferanten der in die engere Wahl gekommenen Systeme von Vorteil. Besser sind Probe-Installationen; denn sie bieten die Möglichkeit, in der eigenen Umgebung Projekte mit unternehmensspezifischen Merkmalen hinsichtlich Projektgröße, Komplexität, Vielfalt der Ressourcen, Kostenrechnung sowie Informationsbedarf der Projektauftraggeber und Projektbeteiligten zu testen. Während der Probe-Installation kann auch der versprochene Service des Herstellers ausprobiert werden.

Nach der Entscheidung für ein System und der anschließenden Beschaffung kommt es auf die Einführung im Unternehmen an. Erst die Akzeptanz der Projektbeteiligten entscheidet darüber, ob das PMS auch angewendet wird und damit die Einführung zum erhofften Produktivitätsfortschritt bei der Projektabwicklung führt. Deshalb sind Schulungen der Projektleiter und Mitarbeiter in bezug auf die Methoden des Projektmanagements genauso wichtig wie das Training der Bedienung und der effektiven Nutzung des ausgewählten Produkts.

Bei allem Komfort der heutigen Projektmanagementsysteme sollte aber nicht vergessen werden, daß es sich um Werkzeuge handelt, die zur Unterstützung der Projektleitung dienen. Der erfahrene Projektleiter kann dadurch nicht ersetzt, seine Produktivität kann aber gesteigert werden. So gewinnt er Zeit für die wichtigen Entscheidungen und wird von mechanischer Kleinarbeit bei der Planung und Kontrolle von Projekten entlastet.

Forderungen an die Flexibilität nehmen zu

Der Einsatz von Projektmanagementsystemen bei der Planung und der Kontrolle von Projekten will gut überlegt sein. Projektkontrolle ist nicht gleichzusetzen mit Projektkostenkontrolle und -rechnungswesen. An die Projektkontrolle werden stärkere Anforderungen in den Bereichen Detaillierung (Tätigkeit statt Phase), Zyklusgeschwindigkeit (Wochen statt Monate), Antwortzeiten (Stunden statt Wochen) und Flexibilität gestellt.

Die Notwendigkeit schnellerer Zyklen und kürzerer Antwortzeiten ist von PC-Systemen schneller einzulösen als von Mainframe-Systemen. Die weitere Entwicklung von PC-Systemen für Projektmanagement in Richtung höhere Leistungsfähigkeit scheint noch längst nicht abgeschlossen zu sein. Die parallele Entwicklung der PC-Hardware (Größe von Hauptspeicher und Festplatte) und -Software (Multitasking, Standard-Software) unterstützt diese Tendenz.

* Axel Lohmann ist Leiter Training bei der mbp Software & Systeme GmbH, Dortmund.