Strukturprobleme der DV-Ausbildung

Kompakte EDV-Schulung besser als Mix

04.04.1976

BÖBLINGEN - Die von der Anwenderseite erzwungene Schaffung von Ausbildungskapazitäten für Programmierer, DV-Organisatoren und DV-Betriebswirte erreichte die in einigen Studien angepeilte optimistische Größenordnung bei weitem nicht. Vor allem die im Rahmen des 2. DV-Förderungsprogrammes der Bundesregierung einsetzenden Erwartungen einiger privater Schul-Träger mußten erheblich zurückgenommen werden. Die derzeitige Situation ist gekennzeichnet durch eine Abnahme der Schülerzahlen und durch eine nicht nur aus der Rezession herrührend Sättigung des Arbeitsmarktes für EDV-Personal.

Die DV-Berufe gehören jedoch nach wie vor zu den Zukunftsberufen mit steigendem Beschäftigtenanteil. Kritisch geprüft werden muß das Anforderungsprofil und die daraus für die Struktur der DV-Bildungsstätten resultierenden Konsequenzen.

Programmierer fest in privater Hand

Während die privaten Träger eine mehr pragmatisch orientierte Ausbildung anbieten und so auch flexibel den Marktbedürfnissen Rechnung tragen können, sind die staatlichen Einrichtungen in das Konzept der Gesamtbildungspolitik mit dem Grundsatz der Durchlässigkeit zu höherwertigen Abschlüssen eingebunden. Dieser Grundgedanke hat zu einer gewissen Schwerfälligkeit der staatlichen DV-Ausbildung geführt. Dementsprechend wurde auch die Ausbildung zum Programmier er fast ausschließlich von privater Seite vorgenommen. In der Regel werden hier halbjährige Lehrgänge angeboten, die zur Beherrschung zweier Programmiersprachen (meist Assembler und Cobol) führen und die von den Teilnehmern unterschiedlichster Vorbildung besucht werden können. Die Absolventen dieser Lehrgänge wurden lange Zeit am Markt gut aufgenommen, wenn auch in letzter Zeit eine gewisse Reserviertheit der Firmen festzustellen ist. Dieser Ausbildungsgang hat sehr vielen, auch fachfremden Teilnehmern einen soliden Einstieg in eine neue Berufslaufbahn gebracht.

Startchancen verschlechtert

Die Startchancen der Absolventen haben sich jedoch mit zunehmender Marktsättigung und mit zunehmendem Kostenbewußtsein der Firmen verschlechtert. Oft hört man die Meinung, daß die Einarbeitung eines Newcomers wesentlich teurer ist als die Einstellung eines bereits erfahrenen Programmierers. Auch zeigt sich die Tendenz, aus eigenem Personal Fachkräfte für Programmierung durch firmeninterne Ausbildung heranzuziehen. Da diese Möglichkeit kleinen und mittleren Firmen aber nicht zur Verfügung steht und da der Trend zu frei programmierbaren Systemen in diesen Bereichen zunimmt, kann die Ausbildung zum Programmierer auch weiterhin als sinnvoller Bestandteil privater Schulung gelten.

Der ineffektive Organisator

Der DV-Organisator wird meist in einem an die Programmiererausbildung anschließenden halbjährigen Lehrgang herangebildet. Da zwischen der Programmierer- und Organisatorenausbildung in der Regel keine praktische Tätigkeit absolviert wird, ergibt sich zwangsläufig eine Schwäche dieses Ausbildungsganges. Einer 6- bis 12monatigen Tätigkeit zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten stehen zwei Tatsachen im Wege: Es ist schwer, einen einmal gefundenen Arbeitsplatz für einen gewissen Weiterbildungszeitraum freiwillig wieder aufzugeben. Zum andern zahlen die Arbeitsämter für eine weitere Ausbildungsmaßnahme erst, wenn seit der letzten Förderung zwei bis drei Jahre vergangen sind. Die Ausbildung zum DV-Organisator leidet daher unter einer gewissen Ineffektivität. Die Praxis zeigt, daß die Lehrgangsteilnehmer meist keine besseren Anfangspositionen erhalten als die kürzer ausgebildeten Programmierer.

DV-Betriebswirt bewährt

So war es verständlich, daß Forderungen nach einem besser ausgebildeten DV-Organisator erhoben wurden der komplexe betriebswirtschaftliche Zusammenhänge aus EDV-Sicht betrachten kann. So entstand das Modell des DV-Betriebswirts, konzipiert an der DV-Schule Böblingen und übernommen von privaten Einrichtungen wie dem BfW Heidelberg und dem DGB Berufsfortbildungswerk. Die bisherigen Erfahrungen mit diesem zweijährlichen Ausbildungsgang sind überwiegend positiv.

Den Studenten plagen Zweifel

Dennoch bleibt die Frage, ob es sinne voll ist, in zwei Wissensbereichen betriebswirtschaftliche Grundlagen und Datenverarbeitung - gleichzeitig auszubilden. Zwangsläufig ergeben sich hier Zielkonflikte, weil die Ausbildungsanteile miteinander konkurrieren. Auch der Studierende wird von Zweifeln geplagt, welche Komponente ' nun für ihn die wichtigere ist. Dies führt dazu, daß Studierende je nach Interessenlage den einen oder anderen Fachschwerpunkt vernachlässigen.

Industrie-Informatiker lösen schnell Probleme

Man könnte folgern; daß erst nach Absolvieren des einen Ausbildungsschwerpunktes das Studium' des anderen, nämlich des DV-Teiles, erfolgen sollte. Dieser Gedankengang wurde im Berufsbild des "Industrieinformatikers" an der DV-Schule Böblingen realisiert. Ausgangspunkt ist hier der Techniker oder Ingenieur, der in einem einjährigen Kompaktstudium fast ausschließlich mit EDV-Wissen konfrontiert wird. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß hier neu gewonnenes EDV- Wissen mit Erfahrungen beispielsweise aus der Material- oder Zeitwirtschaft direkt zu Problemlösungen kombiniert werden kann.

Auf den betriebswirtschaftlichen Bereich übertragen, würde dies bedeuten, ; daß qualifizierte DV-Organisatoren vor allem dann zu gewinnen sind, wenn an eine betriebswirtschaftliche Grundausbildung ein Kompaktstudium im EDV-Bereich angeschlossen wird. Dieser "Betriebsinformatiker" könnte dann vor allem für die in Zukunft komplexeren und anspruchsvolleren. Lösungen im Zusammenhang mit betrieblichen Informationssystemen eingesetzt werden.

Ganz unten eine Lücke

Offen bleibt jedoch die Frage nach einem sinnvollen DV-Bildungsangebot unterhalb dieser Stufen. Hier müssen neue Überlegungen einsetzen, wie die Lücke zwischen der nach wie vor

bewährten Firmenausbildung und den Fachschulen geschlossen oder überbrückt werden kann.

Diplom-Ingenieur Norbert Krömer ist Dozent an der DV-Schule Böbligen.