Unterschied zwischen physikalischem und logischem Netz (Teil 3)

Kommunikationssystem muß nicht jede ISO-Schicht nutzen

07.06.1991

Der Begriff "verteilte Informationssysteme" ist bei den Diskussionen um die unternehmensweite Datenverarbeitung in den Vordergrund gerückt. Häufig fehlt es jedoch an genauen Definitionen, welche konzeptionellen Organisationsformen sich hinter diesem Begriff verbergen. Thomas Stutenbäumer* versucht in dieser Serie, die wesentlichen Grundlagen zu skizzieren und eine Systematisierung dieses komplexen Themas vorzunehmen. Im Mittelpunkt von Teil 3 steht die konzeptionelle Planung von Kommunikationssystemen.

In den vorhergehenden Folgen der Serie wurde erläutert, wie die moderne Informationsverarbeitung strukturiert werden kann. Die Differenzierung in die Komponenten Ressourcen, Daten und Anwendungen schafft die Grundlage für die Konzeption eines flexiblen Informationssystems. Die Ressourcen - bestehend aus Hardware, Peripherie, Betriebssystem und Kommunikationssystem - stellen die DV-technische Infrastruktur dar, die maßgeblich die Leistungsfähigkeit der unternehmensweiten Datenverarbeitung bestimmt.

IS-System drückt der DV seinen Stempel auf

Die unternehmensspezifische Gestalt des Kommunikationssystems entscheidet über die Möglichkeit, innerbetriebliche Abläufe auf die Datentechnik abzubilden. Das Kommunikationssystem steht daher im Mittelpunkt der verteilten Informationsverarbeitung. Bei der Planung von Kommunikations-Architekturen sollten deshalb folgende unterschiedliche Aspekte zur Gestaltung von Rechnernetzen betrachtet werden:

1. Topologie: Die Topologie eines Netzwerkes bezeichnet die Form der Verteilung der Knotenrechner und deren Verschaltung (1). Wichtige Topologien sind: der Stern mit zentralem Vermittler, der Bus, der Baum mit Teilvermittlern, Ringstrukturen mit und ohne zentralen Vermittler (2).

2. Art der Benutzung: Unabhängig vom verwendeten Übertragungsmedium können Netzwerke unterschiedlich genutzt werden: entweder als Teilstreckennetz (eine Nachricht gelangt über eine oder mehrere Teilstrecken vom Sender zum Empfänger) oder als Diffusionsnetz (eine Nachricht wird über das Übertragungsmedium gesendet und kann von allen Knotenrechnern empfangen werden; die Nachricht wird oft nur von der vom Sender festgelegten Zielstation ausgewertet) (2).

3. Zweck der Vernetzung: Die Vernetzung von Rechnern kann aufgrund unterschiedlicher Ziele vorgenommen werden:

- der Datenverbund: Datenbestände, die auf unterschiedlichen Rechnern verteilt vorliegen sollen gemeinsam genutzt werden;

- der Betriebsmittelverbund: teuere Hard- und Softwarebetriebsmittel, die nicht bei jedem Rechner vorgehalten werden können, sind anderen Rechnern zur Verfügung zu stellen;

- der Lastverbund: die benötigte Rechenleistung ist auf alle an das Netz angeschlossenen Rechner gleichmäßig zu verteilen;

- der Verfügbarkeitsverbund: es werden Mindestleistungen beim Ausfall einzelner Netzkomponenten gewährleistet;

4. Räumliche Ausdehnung: Je nach Ausdehnung eines Netzes werden unterschieden (3):

- Global Area Network (GAN): weltumspannendes Netz, daß Rechner auf verschiedenen Kontinenten miteinander verbindet (in der Regel via Satellit);

- Wide Area Network (WAN): Rechnerverbindungen innerhalb von Landesgrenzen;

- Metropolitan Area Network (MAN): Rechnernetze, die ein Stadtgebiet abdecken;

- Local Area Network (LAN): Systeme, die mittels eines Hochleistungsmediums den angeschlossenen Rechnern auf einem räumlich begrenzten Gebiet den Nachrichtenaustausch ermöglichen;

5. Angebotene Dienste: Schon bei der Planung eines Netzwerkes ist festzulegen, ob ein Eindienste-Netz (nur die Übertragung von Daten) oder ein Mehrdienste-Netz, (Übertragung von Sprache, Texte und Daten) realisiert werden soll;

In den weiteren Ausführungen wird lediglich die Konzeption lokaler Netzwerke betrachtet, die der Übertragung von Daten dienen. Gerade die LANs werden in Eigenverantwortung der Unternehmen betrieben, während Netze mit größerer räumlicher Ausdehnung Eigentum von öffentlichen Einrichtungen sind.

In einem Informationssystem müssen - wie bereits erläutert

- unterschiedliche Rechner verschiedener Hersteller miteinander verbunden werden. Aus diesem Grund wurden Gremien geschaffen, die die Kommunikation vereinheitlichen sollen. "Während auf anderen Gebieten Normen und Standards erst nach Jahren der Erprobung und allmählicher Verbesserung verabschiedet werden, ist dies im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik häufig völlig anders (...). Mit (definierten) Standards wird zum größten Teil Neuland beschritten, die praktische Erprobung erfolgt zumindest erst nach der Verabschiedung einer Norm" (4).

Eine der wichtigsten internationalen Gremien ist die ISO, deren Modell die Kommunikations-Architektur bekanntlich in sieben Schichten unterteilt. Für jede Schicht wird der Funktionsumfang und die der Schnittstelle zu der darüber beziehungsweise darunterliegenden Schicht angegeben. Wie diese Schichten zu realisieren sind, wird nicht festgelegt, sondern es wird lediglich gefordert, daß bestimmte Funktionen abgedeckt werden.

Trotzdem ist es nicht zwingend erforderlich, daß jede Schicht des Modells in einer Kommunikations-Architektur verwendet wird. Es kann in einigen Fällen sinnvoll sein, daß bestimmte Schichten in einem Übertragungsprotokoll leer bleiben (5).

In den zwei unteren Schichten des OSI-Modells - dem "Pysical Layer" und dem "Data Link Layer" - hat die ISO für LANs die Normen 802.3 bis 802.5 des IEEE (Institute of Electrical and Electronics Engineers) übernommen. Diese Normen beschreiben im wesentlichen die Auslegung des Übertragungsmediums und die Art des Zugriffsverfahrens.

Die Probleme liegen bei den Schichten 3 bis 7

Mittlerweile sind die meisten Hersteller in der Lage diesen Standards zu genügen. Die eigentlichen Probleme bei der Verwendung eines heterogenen Netzwerkes ergeben sich in den Realisierungen der Schichten 3 bis 7 des ISO-Referenzmodelles. Diese Schichten sind im allgemeinen in Softwareprodukten implementiert.

Soll ein Kommunikationssystem nach einem OSI-Standard installiert werden, ist darauf zu achten, wie und in welchem Umfang Produkte verschiedener Hersteller diese Norm erfüllen. Erst wenn die Übertragungssoftware auf den beteiligten Netzknoten das Modell in

gleicher Weise realisiert haben, ist ein Nachrichtenaustausch möglich. Für die konzeptionelle Entwicklung von Rechnernetzen ist es wichtig, zwischen dem physikalischen und dem logischen Netzwerk zu unterscheiden:

1. das physikalische Netzwerk ist die infrastrukturelle Übertragungshardware, das heißt alle Komponenten eines Netzes, die zur Verschaltung der Rechner erforderlich sind. Das physikalische Netzwerk ist hauptsächlich an die räumlichen Gegebenheiten eines Unternehmens anzupassen.

2. das logische Netzwerk ist dagegen Software, die die Kommunikation zwischen den Rechnern ermöglicht. Es ist unter dem Aspekt der erforderlichen Leistung der Kommunikation auszulegen. Die Leistungskategorien des logischen Netzwerkes können wie folgt eingeteilt werden:

- der File-Transfer als einfachste Nutzung einer Verbindung zwischen zwei Systemen in Zeitintervallen;

- der transaktionsorientierte Zugriff, das heißt, eine jeweils abgeschlossene Aufgabe des untergeordneten Systems an das übergeordnete;

- der dialogorientierte Zugriff, der zumindest während der gesamten Sitzungszeit auf das übergeordnete System möglich sein muß;

- die Programm-zu-Programm-Kommunikation, hierbei können Daten zwischen ablaufenden Programmen auf zwei verschiedenen Systemen ausgetauscht werden; das übergeordnete System kann als File-Server dienen;

Wesentlich bei dieser konzeptionellen Differenzierung des Netzwerkes ist, daß das physikalische Netzwerk die infrastrukturellen Verbindungen liefert, die das logische Netzwerk zur Kommunikation benötigt.

Das logische Netzwerk ist nach den betrieblichen Anforderungen auszulegen. Diese betrieblichen Anforderungen sind durch eine detaillierte Analyse des Informations- und Verarbeitungsbedarfes, die auch zukünftige Entwicklungen berücksichtigt, festzulegen.

Netzplanung sollte wirtschaftlich sein

Für die Daten und Anwendungen kann je nach den Anforderungen eines Unternehmens eine horizontale oder eine vertikale Integration erforderlich sein. In kleinen Unternehmensbereichen, in denen die Verarbeitung der Daten im Vordergrund steht, wird man bemüht sein, eine sogenannte Workshop-Vernetzung zu realisieren. Unternehmensbereiche, die einen starken vertikalen Kommunikationsbedarf besitzen, werden hingegen an ein betriebsweites globales Netzwerk angeschlossen.

Die Organisationsformen zur Realisierung von vertikalen und horizontalen Rechnerkopplungen innerhalb des 4-Ebenen-Konzeptes werden in der Abbildung dargestellt. Wie die einzelnen Elemente eines Kommunikationssystemes in diesem Modell positioniert werden können, wird von H. P. Boell (6) beschrieben.

Aus diesen unterschiedlichen Möglichkeiten ergibt sich auf der Basis eines Verteilungsmodells für das logische Netzwerk und unter Beachtung der räumlichen Gegebenheiten (physikalisches Netzwerk) eine Netzwerkstruktur, die den Bedürfnissen des Unternehmens angepaßt ist.

Ein wesentlicher Aspekt, der bei der Planung eines Netzwerkes häufig nicht beachtet wird, ist die Wirtschaftlichkeit: vor allem Kosten für die Aufrechterhaltung des Betriebs - dem Netzwerkmanagement (Wartung, Administration, Analyse und Tuning, Kapazitätsplanung (7)).

Im folgenden und letzten Teil dieser Artikelserie werden Grundlagen zu den unterschiedlichen Organisationsformen der Datenhaltung dargestellt. Die Definition einer einheitlichen Schnittstelle zwischen Daten und Anwendungen, sowie die Verwendung einer einheitlichen Benutzeroberfläche schaffen Voraussetzungen für die zukünftig zu realisierende unternehmensweite Informationsverarbeitung.