Feiern Personal Digital Assistants ein Comeback?

Kommunikationsmittel der Zukunft ist der Handy-PDA

02.02.1996

Die Rede ist von sogenannten Personal Digital Assistants (PDAs), digitalen Assistenten also. Die hatten 1992 ihren grossen Markteinstieg. Doch wie das so ist mit manch starkem Auftritt - es folgt oft ein um so rauherer Abgang.

Vor vier Jahren wurden die mit einem Stift zu beschreibenden Computertabletts zum Branchenhit hochgelobt. Marktforschungsinstitute prognostizierten einen exponentiell anwachsenden Bedarf vor allem im Dienstleistungsgewerbe. Und nicht wenige Industrie-Wahrsager glaubten, einen neuen, gewaltigen Trend in der DV-Szene zu erkennen.

Doch die Wirklichkeit sah anders aus, und kaum einer hat das so bitter erfahren muessen wie Apple. Der "Newton" war, wie unter anderem auch Grids "Gridpad", Eos "Personal Communicator" oder Fujitsus "Poqetpad", mit erheblichen Vorschusslorbeeren angetreten. Der damalige Apple-Boss John Sculley redete den Stift-PC zum Jahrhundertprodukt hoch.

Dann fingen die ersten an, mit den tastaturlosen PCs zu schreiben - und die Euphorie wich der Verzweiflung. Seitdem fristeten Hersteller von Pen-Computern eher ein Nischendasein. Oder sie kamen mit Produkten gar nicht erst auf den Markt: So ging es beispielsweise bei Compaqs PDA-Projekt. Das wurde erstmals 1993 auf der hauseigenen Messe "Innovate" in Houston als Technologiestudie demonstriert. 1994 sollte der von den Texanern entwickelte Stiftcomputer vermarktet werden. Apples negative Erfahrungen mit dem Newton wirkten aber abschreckend, so Manfred Hasseler. Der PC-Primus konnte dem Compaq-Manager zufolge keinen Markt fuer ein PDA-Produkt erkennen und blies das Vorhaben zunaechst wieder ab.

Spaeter brachte die Company von CEO Eckhard Pfeiffer dann zwar doch noch einen Stiftcomputer auf den Markt, das Modell "Concerto". Mitte 1994 stellte Compaq wegen mangelnder Nachfrage allerdings auch dieses Projekt ein.

Andere PDA-Hersteller sind ganz von der Buehne abgetreten. Wie die Go Corp., die ein interessantes Betriebssystem fuer die Kleinstrechner schrieb und von AT&T uebernommen beziehungsweise mit der Eo Inc. verschmolzen wurde. Anfang 1995 wurde die AT&T-Tochter Eo Inc. abgewickelt.

Damit war auch "Eo" gestorben, das Pen-System, das AT&T gross rausbringen wollte und von dem sich Branchengroessen wie Matsushita, Olivetti und Marubeni kraeftige Umsaetze erwarteten. "Die Wirklichkeit des PDA-Marktes", konstatierte Dataquest-Analystin Kimball Brown, "hat mit den luftigen Versprechungen der Unternehmen nicht mithalten koennen."

Sind PDAs deshalb out? Ihre Zeit kommt erst noch, behaupten einige Branchenkenner wie Gerry Purdy, Redakteur des Newsletters "Mobile Letter" aus Cupertino, Kalifornien: "Es hat sechs Jahre gedauert, bis der PC als Notwendigkeit des taeglichen Lebens anerkannt wurde und sich durchsetzte." Nach dieser Zeitrechnung werden PDAs in ein, zwei Jahren ihren Durchbruch erleben.

Das wuerde mit Erhebungen des Marktforschungsinstitutes Dataquest uebereinstimmen. Die Analysten gehen davon aus, dass die Zahl verkaufter PDAs ab 1999 auf jaehrlich rund 5,6 Millionen Stueck anwachsen wird. Bislang haetten sich vor allem Westentaschencomputer, sogenannte Personal Organizer, ganz gut verkauft. Geraete also, die nicht den Anspruechen an einen Newton genuegen wollen, sondern eher als digitales Telefonbuch mit Notizblockfunktion dienen.

Apple setzt auf Newton als Internet-Empfangsstation

In diesem Segment hat sich Hewlett-Packard (HP) hervorgetan. Von den Modellen "100LX", "200LX" und "Omnigo" konnte HP nach Angaben von Andrew Seybold, Redakteur beim kalifornischen Fachblatt "Outlook on Communications and Computing", insgesamt 600000 Stueck absetzen. Die Kalifornier bieten darueber hinaus Infrarot- Datenuebertragung und PC-Card-Einschuebe. Ausserdem ist die Tabellenkalkulation "Lotus 1-2-3" von Haus auf aufgespielt.

Allerdings handelt es sich bei diesen Modellen nicht um Stiftcomputer. Das ist wichtig zu erwaehnen, steht doch gerade die handschriftliche Eingabe ganz oben auf der Maengelliste von Anwendern.

So kritisierte die Stiftung Warentest vor Jahresfrist, dass von fuenf getesteten "Taschencomputern mit Stifteingabe" nur zwei halbwegs ueberzeugen konnten. Die bauaehnlichen Geraete Newton Messagepad von Apple und "Expertpad PI-700 G" von Sharp haengten Modelle von Hexaglott, Amstrad und Casio vor allem wegen deren mangelhafter Handschrifterkennung ab. Teilweise akzeptierten die Minirechner keine Fliessschrift, sondern zwangen den Anwender zur Blockschrifteingabe.

Apple, das fuer seinen Newton auch eine grosse Zukunft als Internet- Empfangsstation sieht, hat aus der herben Kritik vergangener Tage gelernt. Das vor wenigen Wochen auf der Macworld fuer den Hoffnungstraeger vorgestellte neue Betriebssystem "Newton Intelligence 2.0" erkennt, wie erste Tester berichten, nunmehr Stifteingaben wesentlich besser als die Vorgaengerversionen. Die Apple-Company verlaesst sich bei der Entwicklung dieser Technologie mittlerweile auf eigenes Know-how und bedient sich nicht mehr bei der russischen Firma Paragraph.

Der runderneuerte Apple-PDA nimmt Verbindung auf sowohl mit Macintosh- als auch mit PC-Systemen. Surfen auf dem Internet, so die Informationen, koennten Newton-Benutzer ebenfalls bereits. Zudem gibt es fuer den Newton Messagepad auch interessante Applikationen wie die Bankensoftware "Quicken" von Intuit, Textverarbeitungsprogramme, Tabellenkalkulationen sowie ein Modul, um sich eine Datenbank zu entwerfen. Sogar ein Global Positioning System (GPS) werde fuer den Newton entworfen. Ebenfalls bereits verfuegbar sind Modems, LAN-Adapter und Tastaturen. Erste Erfahrungen mit dem neuen Apple-PDA haben allerdings gezeigt, dass der Kauf einer Tastatur kein Fehler sein muss. Zwar sei die Handschriftenerkennung erheblich verbessert worden. Trotzdem gestalten sich, so ein Tester der CW-Schwesterzeitschrift "Infoworld" aus den USA, die Editieraufgaben immer noch etwas muehsam. Insbesondere die Korrekturfunktion ueberzeuge nicht. Hier koenne eine Technologie wie beim "Erasing Ultrapen" von der Wacom Technology Corp. gute Dienste leisten.

Auch sei immer noch keine Rede davon, dass Apple sich zum Vorreiter unauffaelliger, dezenter Designkonzepte entwickeln wolle. Schwer und unfoermig sei der Newton nach wie vor, maekelte der Pruefer. Darueber hinaus ist das Geraet immer noch ein gehoeriger Energiefresser. Ohne Ersatzbatterien kommt der Anwender im buchstaeblichen Sinn nicht sehr weit mit dem Apple-PDA.

Wohin die Entwicklung bei den Digitalassistenten geht, zeigte juengst die Fujitsu Personal Systems, eine hundertprozentige Tochter von Fujitsu Ltd. Deren "Stylistic RF" sendet und empfaengt Daten funkgesteuert ueber eine Distanz von bis zu 300 Metern. Dabei kann zwischen mehreren Frequenzen gewaehlt werden.

Der weniger als DIN A4 grosse Rechner unter DOS 6.2 und Windows for Pen-Computing arbeitet mit energietechnisch fortschrittlichen Lithium-Batterien, sein Arbeitsspeicher kann auf 20 MB ausgebaut werden, ausserdem lassen sich auf einer PC-Card-Festplatte immerhin bis zu 260 MB an Daten speichern. Ueber serielle und parallele Schnittstellen dockt man externe Tastaturen, Diskettenlaufwerke und VGA-Monitore an.

Sind Pen-Computer auch noch mit Pager- und Mobil-Telefon- Funktionalitaet ausgestattet, so der Manager eines grossen US- Unterhaltungs-Konzerns, koennten sie ebenso verbreitete Kommunikationsmittel werden wie heutzutage Handys. HP zeigte auf der Systems 1995 bereits eine Technologiestudie ihres "Omnigo"- Handhelds, der mit einem Handy verbunden war. Moeglicherweise verwischen sich in naher Zukunft die Grenzen zwischen beiden Produkten.