Kommunikationskluft mit Formularen nicht zu überbrücken:Saufen scheint immer noch die beste Lösung

04.12.1981

Die Kluft zwischen DV- und Fachabteilung ist in vielen Unternehmen größer denn je. Der Kurs "Verlustfreie Kommunikation zwischen DV- und Fachabteilung" des Control Data Instituts, Frankfurt, sollte hier Brücken schlagen. Die zwölf Teilnehmer waren willig, der Kurs jedoch schwach. CW-Mitarbeiterin Ina Hönicke saß mittendrin.

Verzweifelt wischte sich Kursleiter Peter Sattler den Schweiß von der Stirn und legte seine Lieblingsfolie "Die verschiedenen Stufen des Phasenmodells" auf den Projektor. Zum wiederholten Male versuchte er klarzumachen, daß mangelnde Kommunikation nicht hauptsächlich psychologisch zu sehen sei. Das Seminar könne schon deshalb nicht psychologisch ausgerichtet sein, da er davon selbst zu wenig Ahnung habe.

Der Unternehmensberater forderte die Teilnehmer auf, Kommunikationsschwierigkeiten aus ihrem Unternehmen zu nennen. Die genannten Probleme sollten dann bestimmten Bereichen zugeordnet werden. Leichter Aufruhr entstand, als diese Oberbegriffe nicht gemeinsam erarbeitet wurden, sondern Sattler von ihm schon vorher festgelegte Überschriften aus der Tasche zog.

Daraufhin ergriff ein Teilnehmer die Initiative und nahm dem Schulungsleiter die Rolle des Moderators für zwei Stunden aus der Hand. Die Gruppe diskutierte mangelndes Verständnis, Interpretationsschwierigkeiten in Sachfragen, unterschiedliche Wissensstände, Kompetenzschwierigkeiten oder mangelndes Verständnis der Fachabteilung für das Machbare. Auch Neid oder angeblich elitäres Verhalten sahen die DV-Leute als wichtige Faktoren an.

Der Kursleiter versprach, die genannten Themen in Gruppenarbeit ausführlich zu behandeln, wie es die Kursbeschreibung auch ankündigte. Zitat aus der CDI-Broschüre: "Für praktische Kommunikationsprobleme werden in Gruppenarbeit und Rollenspielen Lösungsalternativen erarbeitet. Die Vermittlung der Erkenntnisse zur Verbesserung der Kommunikation zwischen DV-Personal und Fachabteilungen wird durch Fallbeispiele vertieft." Auf Gruppenarbeit und Rollenspiel warteten die Teilnehmer bis zum Kursende.

Der nächste Seminar-Tag begann damit, daß die Folie "Die verschiedenen Stufen des Phasenmodells" zum 27. Mal (laut Computerwoche-Strichliste) gezeigt wurde. Den Einwand, das Phasenmodell sei zwar für Projektorganisation nötig, habe aber mit der Überwindung von Kommunikationsproblemen wenig zu tun, überhörte der Schulungsleiter.

Nachdem nun wegen der unterschiedlichen Auffassung keine Lösungen erarbeitet werden konnten, stellte sich im Auditorium die Frage, ob das Thema der Kursankündigung nicht verfehlt sei. Die Antwort des Kursleiters: "Mir gefällt der Titel auch nicht". "Damit endete der zweite Seminartag.

Auch am dritten Tag änderte der Kursleiter nicht die Richtung nach den Vorschlägen seiner Teilnehmer. Die Anwesenden, die fast ausschließlich aus der DV-Abteilung kamen, warteten - inzwischen ohne Hoffnung - weiter auf psychologische Hilfsmittel oder gar auf Sensitivity-Training, um das Kommunikationsloch zu stopfen.

Nichts als Formulare . . .

Statt dessen "beglückte" Sattler die Gruppe mit Transaktionsanalysen, Checklisten und Strukturkonzeptionen. Folgerte Rainer Sperling von der GEZ, Köln: "Ich bin hier fehl am Platz. Unsere Schwierigkeiten sind nicht mit Formularen zu lösen." Karlheinz Pfaff von der Volksfürsorge Hamburg moserte: "Das ging in die Hose, wir hätten auch zu Hause bleiben können." Rolf Schmitz, Bayerische Hypobank, München, fragte sich: "Warum selektiert Control Data nicht? Der Kurs ist überflüssig für Leute, in deren Unternehmen es strukturierte Phasenentwicklung gibt. Wir könnten dem Kursleiter erzählen, wie die Praxis aussieht."

Henner Weeke, Preussag AG, Hannover, teilt die Kritik seiner Kollegen nicht. Seine Aussage macht deutlich, daß Control Data in der Seminarlandschaft keine Ausnahme ist: "Diese Leute sind mit zu hohen Erwartungen gekommen. Ich war schon auf 50 Seminaren und habe selten mehr Wissenszuwachs als hier gewonnen."

Erst die Diskussionen am Abend brachten das, wonach Teilnehmer tagsüber gesucht hatten: verlustfreie Kommunikation. Allgemeine Zustimmung fand der Vorschlag, die Kommunikationsprobleme zwischen DV- und Fachabteilung an der Basis zu lösen: "Die Leute sollen sich zusammensaufen." Der Einwand eines Teilnehmers, er hätte 600 Leute auf diese Weise zu betreuen, wurde abgeschmettert. Es müsse ja nicht an einem Abend sein . . .