Chancen für deutsch-arabische Zusammenarbeit im DV-Sektor:

Kommunikationsindustrie als Wegbereiter

30.04.1982

BONN (CW) - Die Informationstechnologie muß künftig stärker in die technische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den arabischen Ländern einbezogen werden. Dies war das Ergebnis eines Seminars zum Thema "Informationstechnologie - Eine Chance deutsch-arabischer Zusammenarbeit", das von der Deutsch-Arabischen Gesellschaft veranstaltet wurde.

Eingeladen waren die deutschen Hard- und Software-Anbieter, Wissenschaftler aus Forschung und Entwicklung sowie Fachleute aus den Bundesbehörden und aus dem politischen Leben. Aus den arabischen Ländern sprachen auf der eintägigen Veranstaltung die Herren Josef Wehbe aus dem Libanon und Slaheddin Karoui aus Tunesien sowie Frau Hind Kandala aus dem Irak.

Das Seminar wurde von Klaus Gärnter, Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn, eröffnet. Grußworte an die Anwesenden richteten Emil El Kik, Direktor der Liga der arabischen Staaten, Bonn, und der algerische Botschafter in Bonn.

Als erster Referent sprache Dr. Michael Agi von der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung in St. Augustin zum Thema "Informationstechnologie-Transfer - Ziele und Strategien".

Agi beklagte, daß der Begriff "Technologietransfer" vielfach im Sinne von Export von Technik verwendet würde und daß dabei die gesellschaftlichen und sozialen Implikationen der technischen Innovationen in den Entwicklungsländern weitgehend unberücksichtigt blieben. Der Referent auch Initiator und fachlicher Betreuer des Seminars unterstrich, daß die Ziele einer technischen Zusammenarbeit im Bereich der Informationstechnologie nicht etwa darin liegen, die Zahl der Rechner in den Entwicklungsländern zu erhöhen, sondern diesen Ländern zur besseren Nutzung der Rechner zu verhelfen: "Denn der Fortschritt bei der Anwendung der Informationstechnologie in einem Land darf nicht an der Zahl der installierten Rechner gemessen werden, sondern am Beitrag dieser Rechner zur Verwirklichung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Ziele des Landes."

Für ein Aktionsprogramm sieht Agi drei Aufgaben als vordringlich an:

- Schaffung eines adäquaten Problembewußtseins bei den Entscheidungsträgern und Planungsstäben in den Ländern der Dritten Welt für die Möglichkeiten, aber auch für die möglichen Nebenwirkungen der Informationstechnologie.

- Hilfeleistung beim Aufbau einer nationalen Software-Industrie.

- Durchführung gemeinsamer Pilotprojekte, durch die die Jahrzehnte Erfahrungen in den Industrieländern praxisbezogen an die nationalen Experten übermittelt und dabei an die lokalen Verhältnisse angepaßt werden.

Wolfgang von Fumetti, Leiter der Abteilung "Kommunikationswesen" in der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Eschborn berichtete anschließend, daß die technische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ländern der dritten Welt im Bereich der Informationstechnologie sich auf Massenkommunikationsmittel wie Rundfunk, Fernsehen und Fernmeldewesen beschränken. In den Bereichen Datenverarbeitung und Datenübertragung finde praktisch keine Zusammenarbeit statt. Er vermerkte, daß die Systemhersteller in erster Linie für die Bedürfnisse der Industrieländer und deren technische Möglichkeiten produzieren. Bei Ausschöpfung der Absatzmärkte in den Industrieländern würden die gleichen Systeme anderen Regionen angeboten, ohne den dortigen technischen, physischen und soziokulturellen Hintergrund zu berücksichtigen.

Als mögliche Gebiete der Zusammenarbeit nannte von Fumetti den Einsatz der Datenverarbeitung in der staatlichen Planung, im Bildungswesen sowie im Finanz- und Steuerwesen.

Abhängig von den "Multis" mit US-Basis

Professor Klaus Jamin von der Fachhochschule, München, erläuterte die Bedeutung der Telekommunikation und der Datenverarbeitung für die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung und plädierte für die Einbeziehung dieser Technologien in die technische Zusammenarbeit zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern. Er bedauerte, daß die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich wenig auf diesem Gebiet tue. Als vordringliche Aufgabe für die technologische Zusammenarbeit bezeichnete er die Ausbildung von Fachleuten auf allen Ebenen.

Slaheddin Karoui, Unternehmensberater und ehemaliger Generaldirektor des "Centre National de l'Informatique" (CNI) in Tunis referierte über die Marktsituation in den arabischen Ländern und die Abhängigkeit dieser Länder von wenigen multinationalen DV-Konzernen mit US-Basis. Er begrüßte eine europäisch-arabische Zusammenarbeit auf diesem Sektor, zeigte sich jedoch angesichts der verfahrenen Situation auf dem arabischen Markt und der europäischen Zurückhaltung skeptisch, ob eine solche Zusammenarbeit überhaupt zustande kommt.

Führender Libanon

Frau Hind Kandala von "National Computer Center" (NCC) in Bagdad berichtete über die Erfahrungen ihres Landes mit der Anwendung der Datenverarbeitung. Der Irak habe einen nationalen Plan zur Verbreitung der Datenverarbeitung entwickelt, der der raschen wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung des Landes Rechnung trägt. In Zusammenarbeit mit den Ministerien hat das NCC einheitliche Kauf-, Miet-, Wartungs- und Ausbildungsverträge erarbeitet, in denen die zu erbringenden Leistungen seitens der Anbieter genau definiert sind. Die Einhaltung der in den Musterverträgen enthaltenen Bedingungen seien eine unabdingbare Voraussetzung für die Gültigkeit der Verträge. Die Behörden seien ferner bemüht, die Verbreitung der DV-Anwendung auf nationaler Ebene zu koordinieren und zu überwachen. Der Irak zählt zu den wenigen arabischen Ländern, in denen die französischen DV-Hersteller erfolgreich operieren.

Aus dem Libanon, der trotz seiner politischen und wirtschaftlichen Krisen eine führende Rolle unter den arabischen Ländern auf dem Gebiet der Informationstechnologie spielt, sprach der Vorsitzende des interministeriellen Ausschusses, Josef Wehbe, über spezielle Probleme der Datenverarbeitung und der Telekommunikation in der arabischen Region. Insbesondere erschweren die Implikationen bei der Verwendung der arabischen Sprache und der arabischen Schriftzeichen in der Informatik die Zusammenarbeit der arabischen Länder untereinander sowie mit den Industrieländern. Er beklagte, daß die Araber keine Unterstützung auf dem Gebiet der Informatik seitens der europäischen Länder hätten. Insbesondere fehle ihnen der Zugang zu den in Europa vorhandenen Informationsbeständen.

Hinsichtlich der Ausbildung arabischer Fachleute im Ausland stelle man immer wieder fest, daß sich diese Fachleute während der Ausbildung weitgehend an die Verhältnisse im Gastland anpassen und dabei den Bezug zu den Gegebenheiten in den Heimatländern verlieren.

Herr Burkert, Vertriebsleiter "Übersee" der Nixdorf Computer AG, berichtete, daß sein Unternehmen bereits in Marokko Fuß gefaßt habe und daß er dabei sei, Sondierungsgespräche in anderen arabischen Ländern aufzunehmen.

Großes Interesse fanden die Ausführungen von Dr. Martin aus dem Telekommunikationsbereich der Siemens AG. Martin gab eine Analyse des arabischen Telekommunikations-Marktes. Er zeigte, daß ein erheblicher Nachholbedarf besteht, und daß die deutschen Telekommunikations-Industrie im internationalen Vergleich gut abschneidet, mit einem Exportanteil von 28 Prozent der Telekommunikationserzeugnisse. Damit liege die Bundesrepublik an der Spitze aller Industrieländer.

Auch in den arabischen Ländern konnten die deutschen Unternehmen eine starke Marktposition aufbauen und stehen heute mit an der Spitze der DV-Anbieter. Eine gewisse "Zurückhaltung" der deutschen Anbieter auf dem arabischen Markt begründete Martin damit, daß die amerikanischen Konzerne von Anfang an eine Monopolstellung inne gehabt hätten und daß es sehr schwierig für neue Anbieter sei, gegen dieses Monopol anzukommen.

Starke Position der Deutschen

Die deutschen Telekommunikations-Hersteller jedoch waren ebenfalls von Anfang an dabei. Er sehe die Notwendigkeit, daß auch die deutschen DV-Anbieter in den arabischen Ländern präsent seien. Das Zusammenwachsen von Datenverarbeitung und Telekommunikation böte nun neue Chancen für deutsche Unternehmen. So stelle das Teilgebiet Datenübertragung zum Beispiel für sein Unternehmen eine gute Einstiegsmöglichkeit in den arabischen Markt dar.

In einer abschließenden Diskussion sprachen sich die Teilnehmer für die Fortsetzung der Diskussion zwischen den arabischen und den deutschen Fachleuten aus. Herr Schmidt-Reindel von der Gesellschaft für Information und Dokumentation - (GID) in Frankfurt schlug die Errichtung einer Außenstelle seiner Gesellschaft im arabischen Raum vor, die den Informationsaustausch zwischen den arabischen Ländern und Deutschland fördern soll. Die GID habe bereits gute Erfahrungen mit ihren Außenstellen in den USA und in Japan gemacht. Die arabischen Redner sprachen sich für die Einbeziehung der Informationstechnologie in den europäisch-arabischen Dialog aus. Sie forderten die europäischen Hersteller auf, sich auf den arabischen Markt zu begeben und das Angebot dort vor allem im Mini-Computer-Bereich anzureichern.