Kommt die Sperrstunde für das Internet?

13.12.2007
Blog- und Foren-Betreiber sollen künftig User-Kommentare vorab auf ihren Inhalt überprüfen.

Die Pressekammer des Landgerichts (LG) Hamburg verunsichert derzeit mit einer einstweiligen Verfügung die deutsche Internet-Szene. Darin untersagt das LG dem Medienjournalisten und Blog-Betreiber Stefan Niggemeier, die diffamierende Äußerung eines Dritten über die Fernsehproduktionsfirma Callactive weiter zu verbreiten.

Unstrittig ist, dass die veröffentlichte Meinung rechtswidrig war. So entfernte Niggemeier nach eigener Darstellung um 11.06 Uhr den um 3.37 Uhr geposteten Kommentar, noch bevor er von den Anwälten von Callactive angeschrieben wurde. Doch dem LG Hamburg ist das nicht genug: Niggemeier hätte den Inhalt schon vor seiner Veröffentlichung kontrollieren müssen. Er hafte für die Veröffentlichung der Diffamierung.

Wie die Zukunft des Web aussehen könnte, wenn sich die Rechtsauffassung des LG Hamburgs durchsetzt, lässt sich an der "Süddeutschen Zeitung" beobachten. Die Tageszeitung gibt Internet-Nutzern nicht mehr die Möglichkeit, zwischen 19 Uhr und 8 Uhr morgens Kommentare abzugeben. Und am Wochenende zwischen Freitag, 19 Uhr, und Montag, 8 Uhr, ist die Kommentarfunktion ebenfalls abgeschaltet. Ansonsten prüfen Moderatoren die Leserbeiträge auf unangemessene Inhalte.

Die Süddeutsche begründet diesen Schritt offiziell damit, dass sie die Qualität der Diskussionen aufwerten wolle. Einen Zusammenhang mit dem Niggemeier-Urteil weist das Blatt weit von sich. Seltsam ist aber die zeitliche Nähe: Am 6. Dezember wurde die LG-Entscheidung einer breiteren Öffentlichkeit bekannt und am 7. Dezember veröffentlichte die Zeitung ihre neue Gangart in Sachen Kommentarfunktion.

Sollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzen, dann könnte das in Deutschland den Tod für das viel gerühmte Web 2.0 bedeuten. Kein privater Blogger oder Forenbetreiber wird finanziell das Risiko eingehen wollen, wegen unbotmäßiger Kommentare abgemahnt zu werden. Und das Abschalten der Kommentarfunktion ist auch keine Lösung, schließlich lebt das Web von der Interaktion an jedem Ort zu jeder Zeit. (hi)