Kommt der Siegeszug der Femtocells?

27.03.2007
Die Konvergenz von Festnetz und Mobilfunk ist unumstritten, doch auf dem Weg dorthin buhlen zwei Techniken um die Gunst der Kunden.

Noch vor einem Jahr schien es klar: Bei der vielbeschworenen Konvergenz von Festnetz und Mobilfunk werden Dual-Mode-Handys die treibende Kraft sein. Unterwegs sollte der User mit ihnen klassisch im Mobilfunknetz telefonieren, während er sie inhouse mit VoIP over WLAN nutzt. Auf diese Weise sollten die klassischen Festnetztelefone abgelöst werden.

Das bringen Femtocells

Aus heutiger Sicht haben Femtocells für den Anwender vor allem einen Vorteil: Er benötigt kein neues Equipment wie etwa Dual-Mode-Handys, um mit seinem Mobiltelefon auch indoor ohne Qualitätsverlust telefonieren zu können.

Die entsprecheden Femotcells dürften dabei, so die Meinung viele Experten, wahrscheinlich die Mobilfunkanbieter kostenlos oder zumindest subventioniert installieren. Im Alltag könnte das Femtocell-Prinzip für den Benutzer noch einen weiteren Vorteil haben: Werden Hotels, Messen etc auf diese Weise versorgt, erübrigt sich für den Benutzer unterwegs die Suche nach öffentlichen Hotspots. Statt per WLAN kann er überall via UMTS oder HSDPA online arbeiten und die Kosten bequem über seine Mobilfunkabrechnung begleichen. Er muss sich nicht mehr mit den unterschiedlichen Tarifierungsmodellen der Hotspot-Betreiber herumärgern.

Ob dieses Szenario Realität wird, hängt aller- dings auch von den Preismodellen der Mobilfunkanbieter ab. Halten diese auch in den Femtocells an ihren prohibitiven Datentarifen fest, so dürfte die neue Technik nur wenig Erfolgsaussichten haben. Denn gerade die Beutelschneiderei der Mobilfunkanbieter war ja einer der Beweggründe für die Entwicklung von Dual-Mode-Equipment, um zumindest in Gebäuden oder an festen Lokationen günstiger per WLAN und VoIP kommunizieren zu können.

Zieht man diesen Aspekt mit ins Kalkül, dann

markieren die Femtocells letztlich den Abwehrkampf der Mobilfunkanbieter gegenüber der neuen IP-Konkurrenz. Diese droht ihnen mit Hotspots zumindest an viel besuchten, räumlich begrenzten

Lokationen die Kundschaft zu stehlen. Noch steht der Sieger in diesem Duell um die Gunst des Kunden nicht fest.

Nächste Stufe der Integration

Seit der 3GSM World im Februar steht dieses Szenario aber wieder zur Diskussion: Dort pro- pagierten Unternehmen wie Alcatel-Lucent Femtocells als neue Allzweckwaffe für die Integration von Festnetz und Mobilfunk. Dabei handelt es sich um kleinste Mobilfunkzellen, die innerhalb von Gebäuden für eine Verbesserung der Funkab- deckung für UMTS und Co. sorgen sollen. Die Verbindung der Femtocells mit dem nächsten Knoten des Mobilfunkanbieters erfolgt per DSL oder anderen breitbandigen Festnetztechnologien.

Auf diese Weise soll der Benutzer auch in Gebäuden problemlos über seinen Mobilfunkanbieter telefonieren können, so dass er alternative Techniken wie VoIP over WLAN etc. erst gar nicht benötigt. Für die Netzanbieter hat dies zudem den Vorteil, dass sie so Hotels oder Firmengebäude wirtschaftlicher per Mobilfunk versorgen können, als die bisher mit den klassischen Basisstationen möglich war.

Auf der 3GSM wurden im Frühjahr vor allem Femtocell-Geräte für die GSM-Netze vorgestellt. Damit schien das Phänomen vorerst auf den europäischen Raum begrenzt zu sein, wo die GSM-Technik eine domierende Stellung innehat. Mittlerweile gewinnt die Idee aber auch in den USA Anhänger. Mit Airwalk Communications offeriert dort ein Unternehmen Femtocells für die in den USA vorherrschende Mobilfunktechnik CDMA. Später will Airwalk entsprechende Funkstationen auch für die schnelleren Übertragungsstandards CDMA2000 und andere EV-DO-Varianten nachschieben. Diese Techniken sind in Nordamerika quasi das Gegenstück zum europäischen UMTS, das auf der W-CDMA-Technik basiert.

Greift der Gedanke der Femtocells, wie sich andeutet, auf breiter Front um sich, so könnte dies die TK-Industrie grundlegend verändern. Das Potenzial dazu hat die neue Technik nach Ansicht der Marktforscher von Analysys auf alle Fälle. Für Studienautor Alastair Brydon ist es denn auch nur konsequent, dass "das Konzept von Indoor-Basisstationen für heftige Spekulationen über die Konsequenzen sorgte." In seiner Argumentation verweist Brydon ferner auf den zunehmenden Trend in vielen Ländern, vom Festnetz zum Mobiltelefon zu wechseln (Fixed-mobile Substitution) - und dies könnte etwa mit Femtocells realisiert werden. (hi)