Lotus-Produkte auf Unix-Kurs

Kommerzielle PC-Software soll RISC-Systeme attraktiver machen

04.09.1992

MÜNCHEN (gfh) - Durch ein klares Bekenntnis zu Unix versucht Lotus, sich einen Kundenstamm auch außerhalb des heiß umkämpften Intel-Marktes zu erschließen. Als erster Workstation-Anbieter wird Hewlett-Packard alle wesentlichen Produkte von Lotus auf den HP9000-RISC-Systemen anbieten.

"HP bemüht sich derzeit am aggressivsten um die Ablösung von DOS-PCs durch Unix-Systeme", begründet Marc Oswald, Marketing-Manager Europe für Unix-Produkte bei Lotus, die bevorzugte Stellung des Workstation-Anbieters. Schon jetzt läuft das 1-2-3-Spreadsheet auf den RISC-Systemen der Reihe HP9000, bald sollen das Groupware-Programm Notes, die E-Mail-Software CC:Mail, die Textverarbeitung Amipro und die Grafiksoftware Freelance Graphics folgen.

Obwohl DEC-Pressesprecherin Theresia Wermelskirchen die zentrale Rolle der Lotus-Produkte als Baustein für künftige Client-Server-Anwendung betont, erstreckt sich die Zusammenarbeit bei der Alpha-Architektur nach Lotus-Angaben derzeit lediglich auf Amipro und auf eine für nächstes Jahr angekündigte objektorientierte Version der Tabellenkalkulations-Software.

Als weitere Partner im Workstation-Bereich nennt Oswald die IBM und Sun Microsystems. Auf Intel-Ebene sollen vor allem das Betriebssystem des PC-Marktführers SCO, daneben aber auch Interactice-Unix und Solaris von Sunsoft sowie das netzfähige Unixware von Univel unterstützt werden. Eine Notes-Implemerung für SCOs Open-Desktop-Betriebssystem-Umgebung wird voraussichtlich Anfang 1993 auf den Markt kommen. Weitere Produkte sollen folgen.

Die Vorteile einer Lotus-Partnerschaft liegen für die Workstation-Anbieter auf der Hand. Sie hoffen auf eine Wiederholung der Geschichte: Einst hatte das 1-2-3-Spreadsheet den PC für kommerzielle Anwender hoffähig gemacht. In ähnlicher Weise sollen die Lotus-Anwendungen nun, wie Wermelskirchen einräumt, den Verkauf von RISC-Workstations als Plattformen für kommerzielle Anwendungen ankurbeln.

George Weiss, Analyst der Gartner Group, stützt diese Einschätzung: "Lotus-Anwendungen erhöhen das Ansehen von Hardwaresystemen." Allerdings hat in letzter Zeit gerade der 1-2-3-Bereich von Lotus einige Nackenschläge hinnehmen müssen. So haben Price Waterhouse und Andersen Consulting zu den PC-Produkten der Konkurrenz gewechselt (siehe CW Nr. 31 vom 31. Juli 1992, Seite 6: "Price Waterhouse steigt von Lotus auf Borland-Produkte um", und CW Nr. 33 vom 14. August 1992, Seite 2: "Lotus raus, Excel rein: Andersen macht Microsoft stark").

Bei Lotus werden diese Mißerfolge auf DOS-Basis allerdings eher als Bestätigung für den Workstation-Kurs gedeutet. "Wer nur Intel-Produkte anbieten kann, hat es schwer, wenn er bei Fortune-500-Companies verkaufen will", argumentiert David Rome, General Manager der Unix-Division von Lotus.

Auch Dataquest-Analyst Paul Cubbage sieht die Vorteile für Lotus in einer Erweiterung der Plattformen: "Die meisten Unternehmen arbeiten nicht nur mit PCs, sondern mit einem Hardware-Mix, und sie wollen Anwendungen kaufen, die möglichst überall laufen."