Kommentar: Was bei den neuen Einkaufsbedingungen für behördliche IT-Systeme zu beachten ist

12.09.2007
Von Hans-Jörg Geddert und Thomas H. Fischer
Das Bundesinnenministerium hat die neuen Einkaufsbedingungen der öffentlichen Hand für die Erstellung und Lieferung von IT-Systemen veröffentlicht. Das Ziel, marktgerechte Standardbedingungen zu erreichen, wurde nach Meinung des Syndicus eines führenden IT-TK-Dienstleisters Hans-Jörg Geddert und Rechtsanwalt Thomas Fischer nicht erreicht.

Bislang war es üblich, dass der Bund die Systemverträge, die in den öffentlichen Behörden zur Anwendung kommen, erst mit einer Delegation des Branchenverbandes Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien) abstimmte. Das Innenministerium brach die Verhandlungen in diesem Fall erstmals ab, da in entscheidenden Vertragspunkten keine Übereinkunft mit den Wirtschaftsvertretern erzielt werden konnte. Besonders zu den Haftungs- und Nutzungsrechtsregelungen herrschte bis zum Schluss großer Dissens.

Hans-Jörg Geddert (links) und Thomas Fischer
Hans-Jörg Geddert (links) und Thomas Fischer
Foto: Pleon GmbH

Bund, Länder und Kommunen werden die einseitig aufgestellten Bedingungen bei der Beauftragung von individuellen Gesamtlösungen trotzdem ab sofort anwenden. Der Vertrag regelt den Kauf von Hardware und Standardsoftware, die Entwicklung von Individualsoftware, Integrations- und Anpassungsleistungen sowie die Herstellung der Betriebsfähigkeit aller Komponenten. Für Entwickler und Lieferanten gibt es im neuen EVB-IT-Systemvertrag einiges zu beachten.

Entwickler sollten gründlich prüfen

Für potenzielle Bieter wird es wichtig sein, dass sie sich detailliert mit den aufgestellten Regelungen zu Leistungsumfang, Risikozumessung und Preisgestaltung von Lösungen beschäftigen. Nur so können sie eine angemessene Kalkulation über das Projekt vornehmen. Weil der Systemvertrag im Anhang bereits zu nahezu jeder denkbaren Fallgestaltung komplexe Lösungen vorgibt, leidet die Transparenz der neuen Regelungen. Selbst den Juristen bereitet es Mühe, in dem Dickicht von Regeln, Ausnahmen und Ausnahmevorbehalten den konkret anzuwendenden Rechtsrahmen ausfindig zu machen. Die folgenden vier Punkte sollten besonders geprüft werden:

  • Ein Vergleich der Bedingungen des EVB-IT-Systemvertrages mit den Angeboten von Subunternehmern ist unerlässlich. An vielen Stellen enthalten die Einkaufsbedingungen branchenunübliche Vorgaben. Der Bieter kann daher vor dem Problem stehen, zu diesen Bedingungen nicht selber am Markt Vorleistungen einkaufen zu können. Ein Beispiel sind die Verjährungsfristen, die bei Rechtsmängeln für Individualsoftware 60 Monate, ansonsten 24 Monate betragen, obwohl branchenüblich lediglich 12 Monate sind. Die Lücke müssten gegebenenfalls die Bieter übernehmen.

  • Auftragnehmer müssen besonders die Risiken berücksichtigen, die sich aus der umfangreichen Verantwortungszuordnung und dem strengen Haftungsregime ergeben. So beziehen sich die vorgesehenen Haftungsbegrenzungen nicht auf sämtliche Ansprüche. Wenn der öffentliche Auftraggeber den Inhalt von Garantien bei der Ausschreibung vorgibt, gilt beispielsweise eine unbegrenzte Haftung zu Lasten des Auftragnehmers. Auftragnehmer müssen besonders die Risiken berücksichtigen, die resultieren.

  • Der Vertrag gibt weitreichende Nutzungsrechte seitens der Behörden als Standard vor. Besonders das Verbreitungsrecht bei Individualsoftware ist hier zu beachten. Einer Kommune ist es zum Beispiel möglich, auch anderen Kommunen die Nutzungsrechte direkt und ohne Beteiligung des Bieters einzuräumen. Der Anbieter muss daher kalkulieren, keine weitere Verwertungsmöglichkeit für die Software zu haben.

  • Neben dem Recht des Auftraggebers, Fehlerkategorien eigenmächtig festzulegen, gilt eine produktive Nutzung des Systems noch nicht als Abnahme.

Wichtige Standardbedingungen stehen noch aus

Die Rechtslage wird zusätzlich dadurch kompliziert, dass kein Gesamtpaket geschnürt wurde. Neue Standardbedingungen für die Planung (EVB-IT Planungsvertrag), die Lieferung von Standardprodukten und Standardsoftware (EVB-IT Systemlieferungsvertrag) sowie für die Wartung und Pflege von IT-Systemen (EVB-IT Systemservice) wurden bislang nur angekündigt. So ist auch die Planung des Systems nicht Gegenstand des jetzt veröffentlichten EVB-IT Systemvertrages. Daher müssen seitens der Auftraggeber Planungskonzepte zugrunde gelegt werden, die als Voraussetzung für die Durchführung der Systemerstellung dienen. Ebenso fehlt es an einem neuen Systemservicevertrag für die Folgeleistungen. Teilweise werden die bestehenden Lücken durch die alten "Besonderen Vertragsbedingungen" (BVB) verdeckt. Jedoch greifen die Regelungen nur sehr unzureichend mit den EVB-IT Standards ineinander. Offen ist noch, inwieweit die Einkaufsbedingungen auch einer AGB-Prüfung standhalten würden. (sh)

(Anm. d. Red.: Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Verfasser wieder.)