Kommentar Kundenservice oder Torschlusspanik?

10.02.1995

So erfreulich die auf der US-Messe Lotusphere angekuendigten Neuheiten bezueglich der Groupware "Notes" auch sein moegen, vieles davon ist laengst ueberfaellig. Anwender fordern schon seit gut einem Jahr das, was Lotus jetzt erst grosszuegig verspricht: Ein in Preis und Leistung abgestuftes Spektrum der Notes-Clients. Hat Lotus endlich seine Lektion in puncto Kundenservice gelernt, oder wird der Groupware-Spezialist schlicht von Torschlusspanik geleitet?

Das Konkurrenzprodukt, der "Exchange Server" von Microsoft, steht unmittelbar vor der Auslieferung - Bill Gates will mit dem erklaerten Gegner Notes aufraeumen. In letzter Sekunde versucht deshalb Lotus-Chef Jim Manzi ueber Low-cost-Versionen, Bundlings und Kooperationen eine fuer sich guenstige Marktsituation herbeizufuehren. Der Stand von derzeit ueber 1,3 Millionen Notes- Lizenzen soll bis Jahresende auf rund drei Millionen, bis Anfang 1998 gar auf 20 Millionen Kopien hochschnellen.

Ob die Notes-Strategie aufgehen wird, ist unsicherer denn je. Vor allem deshalb, weil der Groupware-Pionier seine bislang unangefochtene Domaene laengst dazu haette nutzen koennen, Notes in der Unternehmens-DV als Quasistandard fuer Teamarbeit zu etablieren.

Statt dessen haeufen sich die Versaeumnisse. Allein die einschlaegigen Erfahrungen mit den Bueroprodukten waeren fuer Lotus Grund genug zum Umdenken gewesen. Die "Smartsuite" des einst erfolgreichen 1-2-3-Anbieters leistet grundsaetzlich nichts Neues gegenueber der dominierenden "Office"-Konkurrenz von Microsoft. Folge ist ein unaufhaltsamer Umsatzrueckgang bei den PC-Produkten. Dass sich die Groupware zum Zugpferd des Unternehmens entwickeln wird, kann doch nicht erst eine Erkenntnis aus der kuerzlich abgeschlossenen und ins Minus gerutschten Jahresbilanz gewesen sein.

Den Einnahmerueckgang von 38 Prozent in der Desktop-Division fuehrt Manzi vor allem "auf die harte Konkurrenzsituation in diesem Bereich" zurueck. Der Wettbewerb wird sich allerdings auch fuer Notes in diesem Jahr erheblich verschaerfen. Um die Plattform zu sichern, muss Lotus mehr vorausschauende Initiative zeigen - mit dem Verweis auf "Notes-powered Applications" ist es nicht getan. Auch wenn die niedrigen Gewinnmargen der neuen Notes-Varianten ein weiteres Geschaeftsjahr mit Verlusten bescheren sollten.