Wachsen will gelernt sein

Können Sie delegieren?

11.01.2011
Von Regina Bergdolt

Herausforderung: Führungskräfte führen

An diesem Punkt passiert es häufig, dass Unternehmer Menschen oft ganz unbewusst als Führungskräfte einstellen, die "wie ich selbst" sind. Dieses Handeln ist als "homosoziale Reproduktion" bekannt; es ist menschlich, sich mit Personen zu umgeben, die einem ähnlich sind. Man versteht sie leichter, muss nicht so viel diskutieren und hat auch die vermeintliche Sicherheit, dass der eigene Stil, der ja bisher erfolgreich war, weiter praktiziert wird.

Doch gehört zum erfolgreichen Unternehmen eine Vielfalt an "Typen", Meinungen und Menschen. Heterogene Teams sind nachweislich ideenreicher, auch in konstruktiver Weise kritischer, wenn sich das Unternehmen neuen Entwicklungen zu verschließen oder diese falsch einzuschätzen droht.

Erfolgreiche unternehmerische Führung hat drei Aufgabenfelder:

  1. strategische Leitung,

  2. Steuerung und Kontrolle sowie

  3. die personenorientierten Führungsaufgaben.

Führungsteams sollten so zusammengestellt sein, dass die Stärken der Führungskräfte alle drei Felder abdecken. Was heißt das jetzt für die Praxis?

Im strategischen Aufgabenfeld geht es darum, immer wieder klar herauszuarbeiten, was der eigentliche Wettbewerbsvorteil und was im Kern die Stärken des Unternehmens sind. Es gilt, die Kunden zu bestimmen, gezielte Produktentwicklung zu betreiben und die Leistungen professionell zu vermarkten. Das bedeutet, sich im Lauf der vielleicht turbulenten Höhen und Tiefen im Wachstum immer wieder in eine gewisse "Flughöhe" zu versetzen, die Unternehmens- und Marktentwicklung kritisch zu beobachten und bewusst den Kurs samt Zielen vorzugeben.

Das ist eine Funktion, die originär beim Unternehmer liegt, auch wenn ihn seine Führungsebene berät. Viele technische Führungskräfte begeistern sich für Technikdetails, Prozesse und Projekte. Das ist gut und zeugt von Kompetenz, und doch ist gerade für das neue Führungsteam die klare Ausrichtung wichtig. Immer wieder gefährden sich erfolgreiche Wachstumsunternehmen dadurch, dass sie sich verzetteln in der Vielfalt neuer Produkte, Projekte und Aufgaben - weil der strategische Fokus fehlt.

Steuerung und Kontrolle ist sozusagen die Hardware der Unternehmensführung. Es gilt, die Ziele umzusetzen, für geeignete Rahmenbedingungen zu sorgen und zügig, aber überlegt zu entscheiden. Dazu gehört auch der Aufbau von Kernfunktionen wie die Finanzsteuerung einschließlich Controlling und Reporting, ein zuverlässiges und höfliches Office Management und HR-Kernprozesse. Während die Leitlinien der Personalpolitik und die Entscheidung über Personalführungsinstrumente in den Händen des Unternehmers bleiben, lassen sich HR-Prozesse intern oder extern abwickeln.

Das dritte Feld ist die personenorientierte Führung, sozusagen die Software des Unternehmens. Ist der Umgang respektvoll, ist es möglich, im Feedback auch Unangenehmes oder Kritisches zu sagen? Unterbindet der Unternehmer unangemessenen Umgang oder gar Intrigen? Oft werden solche Themen als Soft Skills belächelt - doch viele Studien der letzten Jahre belegen eindeutig, dass die "Software" der Führung genauso erfolgsentscheidend ist wie alle anderen Aspekte - Wertschöpfung durch Wertschätzung.

Dazu kommt der demographische Wandel: Erstmals tritt Deutschland, aber auch andere Teile Europas und einige asiatische Länder in ein Zeitalter ein, in dem der Faktor qualifizierte Arbeit zur Wachstumsbremse wird. Das heißt als Führungskraft, die Arbeitgebermarke durch gutes Vorbild zu pflegen. Der Unternehmer sollte sich aber auch selbst weiterentwickeln - etwa durch Coaching und die Mitarbeiter ermutigen, Feedback zu geben.

Das Unternehmen überschreitet nun die Grenze von 50, 80 oder gar 100 Mitarbeitern. Vorbei sind die Zeiten, in denen "alle überall mit anpacken", dazu sind die einzelnen Funktionen nun zu differenziert. Gefragt ist jetzt die Fähigkeit zur indirekten Führung, also die von Führungskräften. Der Gründer ist nun gefordert, Strukturen (und Menschen) aufzubauen, zu stärken und ohne aufgeblähte Prozesse zu steuern. Das erfordert eine gute Mischung aus Steuerung, Vertrauen und Informationsfluss, die der Unternehmer entwickeln sollte.

Personalführungsinstrumente wie Rollenbeschreibungen für einzelne Funktionen definieren Aufgaben, Verantwortung und erforderliche Kompetenzen und sind die Basis für eine strukturierte Personalauswahl. Dazu gehört auch ein systematisches Mitarbeitergespräch, Feedback auch an die Führungskräfte und die Personalentwicklung. Neue Führungskräfte sind mit diesen Instrumenten vertraut zu machen. Ein durchdachtes monetäres Anreizsystem hilft, Leistung zu steuern.

Ab spätestens 50 Mitarbeitern helfen Methodiken des Wissens-Managements, um positive Beispiele für das Unternehmen zu dokumentieren und neuen Mitarbeitern Orientierung zu bieten. Wenn das Geschäft stark projektlastig ist, hilft den Projektleitern ein klarer und verbindlicher Projekt-Management-Standard. So behält der Unternehmer einen guten Überblick über laufende Vorhaben und es vereinfacht sich das Projektreporting für alle Beteiligten.

Oft kommt es bei zweistelliger Mitarbeiterzahl zu Bereichsegoismen, das für Unternehmer oft schwer nachzuvollziehen ist. Plötzlich arbeiten Bereiche gegeneinander, stocken Prozesse bei der Übergabe von Aufträgen, häufig zwischen Vertrieb und Entwicklung. Appelle an den gemeinsamen Unternehmergeist helfen hier meist wenig. Als Chef muss man gegensteuern, indem man Ziele setzt, die eine Abteilung nur in der Zusammenarbeit mit anderen erreichen kann.

*Regina Bergdolt ist Beraterin und Führungscoach für technologische Wachstumsunternehmen. Sie arbeitet seit zwölf Jahren mit Führungskräften der IT-Industrie. Praktische Tools zu Strategie und Führung finden Sie unter http://www.bergdolt-spe.de/unternehmerbibliothek.html
Frau Bergdolt ist unter dialog@bergdolt-spe.de zu erreichen.