Reaktion auf Arbeitsmarkt-Engpaß

Kölner Berufsschule bildet E-Business-Pfadfinder aus

04.09.1998

Zusammen mit dem Verband der deutschen Internet-Wirtschaft Eco (Electronic Commerce Forum e.V., www.eco.de) und der Universität Köln hat die Kollegschule Modemannstraße (KSM) in der Domstadt (www.ksm koeln.de) jetzt das Programm "E-Scouts" aufgesetzt. Mit Beginn des neuen Schuljahres ist in der berufsbegleitenden Schule der Umgang mit den neuen elektronischen Medien als fester Bestandteil im Lehrplan etabliert. Schon in ihren Lehrjahren, spätestens aber beim Eintritt ins Berufsleben sollen die Azubis die elektronische Geschäftsabwicklung über das Internet vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen forcieren.

Bereits seit zwei Jahren existiert in der KSM eine Internet-Arbeitsgemeinschaft (AG), die sich sehen lassen kann: rund 170 PCs, ISP-Standleitung mit 64 Kbit/s und intensive Nutzung durch die Schüler. Die Infrastruktur ist durch einen Mix aus Eigenmitteln, Sponsorenunterstützung und nicht zuletzt aus erbrachten Leistungen durch Dritte erarbeitet worden. So gestaltete die Internet AG unter anderem Web-Seiten für den Deutschen Didacta-Verband oder den Bodenwerkstoffhersteller Reolit (www.reolit.de).

Keine Spezialisten, sondern Allrounder

Auf dem Lehrplan der ange- henden E-Business-Pfadfinder stehen die Grundlagen für die elektronische Geschäftsabwicklung wie E-Mail, Funktionsweisen und Einsatzmöglichkeiten des Internet wie Web-, Usenet- und Browser-Technik sowie HTML- oder Java-Programmierung. Die KSM will indes bewußt keine Spezialisten hervorbringen, sondern Allrounder, die lernen, wie die neuen Möglichkeiten des Online-Business einzuschätzen und gewinnbringend einzusetzen sind.

Helmut Hammer, zusammen mit Detlef Steppuhn Begründer der Internet-AG, aus der das jetzige Projekt hervorgegangen ist: "Aus den Grundlagen können sich später weiterführende Spezialisierungen ergeben. Dies ist aber dann nicht mehr unsere Aufgabe. Wir wollen die Lehrlinge und damit auch ihre Betriebe vielmehr behutsam, aber nachhaltig auf die richtige Schiene setzen." Die Erfahrung habe gezeigt, daß die meisten Schüler gut alleine weiterkommen, wenn sie erst einmal einen Überblick gewonnen und die Scheu vor den neuen Medien abgelegt haben.

In der berufsbegleitenden Ausbildung sollen neben den technischen zusätzlich organisatorische, personelle und rechtliche Aspekte des Internet-Einsatzes behandelt werden. Zudem ist die schritt- weise Vernetzung der gegenwärtig etwa 170 Schul-PCs zu einem Intranet und der weitere Ausbau und Betrieb des eigenen Web-, Mail- und News-Servers geplant. Auf der Wunschliste an künftige Sponsoren ganz oben steht eine Standleitung mit höherer Kapazität. Alle Schüler sollen eine eigene E-Mail-Adresse erhalten und damit an fünf in der Schule plazierten Terminals online arbeiten können.

Um die Bereitschaft der Betriebe zum Internet-Einsatz, aber auch deren generelle Haltung gegenüber dem neuen Profilierungsansatz der Kölner Kollegschule zu testen, hat die KSM im Vorfeld eine Umfrage bei den umliegen- den Unternehmen gestartet. Befragt wurden 144 Firmen. 55 Prozent haben bereits eine E-Mail-Adresse und 30 Prozent eine Internet-Seite, die nicht nur zur Selbstdarstellung, sondern für beginnende E-Business-Aktivitäten genutzt wird. Immerhin 45 der Auskunftgeber sind den Ergebnissen der Studie zufolge an E-Commerce-Lösungen interessiert beziehungsweise dazu bereit, solche Geschäftsprozesse aufzusetzen.

Dirk Hegner, Auszubildender des Kölner Sanitätshauses Hugo Storz GmbH und in der KSM zuständig für die Umfrage, kommentiert das Ergebnis: "Die Unternehmen sind zwar sensibilisiert und haben die ersten Schritte getan, wissen aber meist nicht, wie sie die nächsten machen sollen." Ihnen fehle es dabei nicht am Verständnis der neuen Technik, sondern vielmehr an Zeit und Ideen, die oft bereits vorhandene Infrastruktur sinnvoll einzusetzen. Beides bringt bei der Kölner Storz GmbH jetzt der KSM-Azubi Hegner in die Firma.

Erster Schritt in Richtung elektronische Geschäftsprozesse bei Storz war die Einführung von E-Mail innerhalb der europaweit tätigen Unternehmensgruppe Otto Bock, der Storz angehört. Hegner: "Am Anfang waren es nur wenige, die ihre Mail-Möglichkeiten nutzten." Dann aber kamen durch den "E-Pfadfinder" die Anstöße von innen. Oft habe es ausgereicht, die Kollegen einfach nur auf die Möglichkeiten anzusprechen und sie zur Nutzung zu ermuntern. Erster Schritt war der Einsatz des Mediums zur Informationsbeschaffung über Lieferanten oder auch den Wettbewerb. "Hier merkten die Abteilungen schnell, daß das Internet schneller und informativer als alle anderen Informationsmedien ist", konstatiert Hegner.

Schüler als Missionare

Schließlich erzeugte die zunehmende Akzeptanz auf der einen und die Einrichtung neuer Kommunikationslösungen auf der anderen Seite einen regelrechten Sog hin zum Internet. Aktuelle Ausbaustufe ist die eigene Internet-Präsenz (www.storz.de). Internes Netzwerk und Internet laufen gegenwärtig noch parallel, werden aber in Kürze zusammengeführt. Und dann, so Hegner, "machen wir hier echten E-Commerce".

Bereits heute tragen die Berufsschüler aus den Ausbildungsgängen Steuerfachgehilfe, IuK-Berufe oder Bürokaufmann ihr Wissen als Internet-Missionare in etwa 1000 vornehmlich kleinere und mittlere Firmen der Region Köln-Bonn-Leverkusen. Verläuft der zunächst auf ein Jahr angelegte Modellversuch erfolgreich, soll er nach den Worten von Eco- Geschäftsführer Harald Summa ab dem Sommer 1999 auf andere Städte ausgeweitet werden.

Berufsschulen können sich schon jetzt beim Verband der deutschen Internet-Wirtschaft bewerben, und zwar unter Telefon 0221/970-2407, Fax -2408, oder direkt mit der KSM Kontakt aufnehmen.

Konrad Buck ist freier Journalist in Düsseldorf.