Knowledgeworker verlangen Desktop-Tools

19.05.1995

CW: Cognos ist mit dem einst proprietaeren 4GL-Werkzeug "Powerhouse" bekannt geworden. Inzwischen hat sich bei Ihnen einiges geaendert.

Potter: Die groesste Herausforderung fuer uns wie fuer alle 4GL- Anbieter war die Umstellung auf Client-Server-Technik. Die Zeit der Terminals ist vorbei. Das gilt auch fuer Unix-Systeme, wenn sie wie Hosts eingesetzt werden. Unsere Neukunden sind nicht mehr die Fachleute in den zentralen DV-Abteilungen, sondern Endanwender. Die Anwender wollen mit Windows-Tools ihre eigenen Programme erstellen, um auf Daten zuzugreifen, sie zu analysieren und damit zu arbeiten. Auf diese Weise werden heute die Unternehmen - man koennte sagen - neu erfunden.

CW: Wie ist dieser Wechsel zustande gekommen?

Potter: Vergessen wir einmal die Technik. Der Druck auf die Unternehmen ist immer staerker geworden, was die Reduzierung von Kosten und Personal betrifft. Oft sind ganze Management-Ebenen abgeschafft worden. Gleichzeitig wurde versucht, die weltweite Geschaeftstaetigkeit aktiver und aggressiver zu gestalten.

Diese Situation hat dazu gefuehrt, dass die Manager von ihren IT- Mitarbeitern sofortigen Zugriff auf wichtige Daten gefordert haben. Man brauchte die Informationen fuer die taegliche Arbeit, da waren Antwortzeiten von einer Woche einfach nicht mehr akzeptabel.

CW: Das klingt nach einem Management Information System. Definieren sie Enduser als Manager?

Potter: Nicht nur. Hinzu kommen viele leitende Angestellte, die sich nicht unbedingt als Entscheidungstraeger verstehen. Das sind zum Beispiel Datenanalysten, Sachbearbeiter oder Kundendienstleister.

CW: Es geht also um die sogehannten "Knowledgeworker"?

Potter: Ja. Knowledgeworker sind PC-Profis, die wissen, dass die Daten, die sie brauchen, existieren, gleichgueltig, was die DV- Abteilung sagt. Ihnen ist auch klar, dass ihr Unternehmen zudem ueber die Infrastuktur verfuegt, um ihre Informationsbeduerfnisse zu befriedigen. Kurz, es sind Leute, die wissen, welche Informationen sie wollen, und dass sie sie ueber ihren PC bekommen koennen.

CW: Was bedeutet das fuer einen Anbieter von Entwicklungswerkzeugen?

Potter: Man muss Produkte anbieten koennen, die auf dem PC laufen, den Datenzugriff ermoeglichen und einfach zu bedienen sind. Dafuer hat sich der Begriff Business Intelligent Systems, kurz: BIS, eingebuergert.

CW: Was meinen Sie damit genau?

Potter: Es ging darum, den Endanwendern einen einfachen Zugriff auf Datenbank-Informationen zu geben, die fuer das Geschaeft wichtig sind. Dazu musste eine neue Generation von Datenzugriffs- und Reporting-Tools geschaffen werden. Als wir unser erstes Desktop- Produkt, das Datenanalyse-Tool ("Powerplay", Anm. d. Red) 1990 vorstellten, gab es dafuer keine klare Bezeichnung. Am ehesten gehoerte es in den Bereich Executive Information System (EIS). Aber das ist eine alte Technik mit einem schlechten Ruf.

CW: Das klingt, als ob BIS alter Wein in neuen Schlaeuchen waere.

Potter: Nein, dahinter stecken moderne Werkzeuge fuer Datenabfrage, Reporting und Analyse. Die EIS-Tools von frueher haben kaum mehr etwas mit den neuen Windows-Produkten zu tun.

CW: Aber es handelt sich doch nach wie vor um EIS-Front-end-Tools.

Potter: Ja, aber diese Werkzeuge waren voneinander isoliert und so verschieden, dass sie an verschiedene Anwendergruppen verkauft wurden. BIS heisst, dass die Tools zusammenwirken, um die vom Endanwender gewuenschten Informationen auf den Desktop zu bringen.

CW: Ich wundere mich, dass Sie bisher zwar von EIS, nicht aber von Data-Warehousing gesprochen haben. Halten Sie davon nichts?

Potter: Wir wollen unsere Kunden nicht zu einer Data-Warehouse- Strategie zwingen. Wir unterstuetzen diese Technik, aber wenn man gut funktionierende Werkzeuge hat, dann kann man sich in vielen Faellen ein aufwendiges Data-Warehouse sparen.

CW: Das heisst, Sie warnen die Anwender vor den grossen Anstrengungen, die der Aufbau eines Data-Warehouse verursacht.

Potter: Ich sage nur, dass es manchmal einfacher ist, ohne ein so umfangreiches System zu arbeiten. Es reicht oft, abteilungs- spezifische Datenmodelle zu erstellen. Damit kommt der Anwender schneller zu den gewuenschten Ergebnissen.

Das Gespraech mit Michael Potter, Chairman und CEO der Cognos Inc., Ottawa, fuehrte CW-Redakteur Hermann Gfaller.