Dokumenten-Management/Wissen dynamisiert Prozesse

Knowledge-Management darf nicht nur technisch gesehen werden

18.02.2000
Informationstechnologie ist nur eine von mehreren treibenden Kräften für Knowledge-Management. Nach Meinung von Ulf Freiberg* muss der Faktor Wissen in die Geschäftsprozessmodellierung integriert werden. So entsteht ein Kowledge-based-Business, das die Unternehmen flexibel auf Marktveränderungen reagieren lässt.

Die Zeit läuft jeden Tag etwas schneller. Begriffe wie Time-to-Market, Just-in-Time-Lieferungen und Online-Communications deuten an, dass sich das Innovations- und Reaktionstempo permanent erhöht. Der digitale Raum hat ohnehin seine eigene Zeitrechnung: "Drei Monate sind ein Internet-Jahr", sagt der Erfinder des World Wide Web Tim Berners-Lee.

Durch die Technologie verliert die Information als solche ihre räumliche und zeitliche Dimension und somit ihren Exklusivitätscharakter. Gleichermaßen überschreitet die Kommunikation ihre zeitlichen und räumlichen Grenzen. Damit ist Knowledge-Management nicht ein Trend, der kommt und wieder geht, sondern es wird zur unbedingten Voraussetzung für die zukünftigen Wertschöpfungsprozesse.

Niemand wird heute noch bestreiten, dass innerhalb von Organisationen, in deren Informationssystemen sowie im Internet wertvolles Wissen gespeichert ist. Dieses Wissen, richtig angewendet, kann den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bedeuten. Vor allem die Technologie setzt einer Unternehmensstrategie in dieser Hinsicht keine Grenzen mehr. Der wertschöpfende IT-Einsatz wird vielmehr von Faktoren wie Kreativität, Intelligenz, Know-how und Weitblick geprägt. Nicht mehr die technische Machbarkeit und Integration, sondern die Probleme der sozio-kulturellen Machbarkeit und Integration entscheiden über den Erfolg der entsprechenden Projekte.

Den Bau eines Hauses startet man wie selbstverständlich mit der Errichtung des Fundaments. In gleichem Maße gilt: Die Umsetzung eines integrierten Work-Managements ist Basis für erfolgreiches Knowledge-Management. Voraussetzung ist, dass Wissens-Management nicht mit der intelligenten Verwendung von Suchmaschinen gleichgesetzt wird. Häufig führt dieses sogar zu dem Irrglauben, dass die Informationen selbst kaum noch strukturiert abgelegt werden müssen.

Das technologische Fundament Work-Management unterstützt die Sachbearbeitung durch ein Bündel von Methoden und Werkzeugen. Es setzt bei den Kernprozessen eines Unternehmens an, optimiert diese und integriert die Technologien, die für die verbesserten Geschäftsprozesse notwendig sind.

Das Ziel ist eine transparente Informationslogistik für ein umfassendes Knowledge-Management, das weit über die Speicherung und Organisation strukturierter und unstrukturierter Information hinausgeht. Die Work-Management-Komponenten (Archive und deren Dienstleistungen, Groupware, das Dokumenten- sowie das Workflow-Management) stellen dabei die technische Infrastruktur für das Wissens-Management dar. Es geht also nicht mehr nur um die Verwaltung von Prozessen und Dokumenten. Gefragt sind vielmehr intelligente Mechanismen für die Erschließung des Inhalts und die Navigation durch Wissensräume unter Einbeziehung der Menschen.

Ähnlich den Synapsen im Gehirn, die sich auf bestimmte Reize hin miteinander verbinden, werden Informationsobjekte miteinander verknüpft, und intelligente Navigatoren leiten durch das so entstandene Netz. Bill Gates spricht in diesem Zusammenhang von einem "Digitalen Nervensystem". Dieses bietet die Möglichkeit, technologische Errungenschaften dazu zu nutzen, den Herausforderungen einer digitalen Wirtschaft gerecht zu werden. Ein Resultat dieser Vernetzung ist eine neue Form von "kooperativer Intelligenz", gewissermaßen ein übergreifendes Wissen, das nicht an den Unternehmensgrenzen Halt machen darf. Nur so können durch kooperatives Handeln neue intelligente Business-Modelle umgesetzt werden.

Die Herausforderung besteht also im stufenweisen Aufbau einer Knowledge-Management-Architektur, in der die spezialisierten Komponenten kooperativ zusammenwirken. Etablierte Konzepte und Systeme zeigen schon heute, dass pragmatische Lösungen nicht mehr an der fehlenden Technologie, sondern an einem mangelhaften Technologieeinsatz scheitern. Die Umsetzung eines derartigen Systems hat immer das Ziel, möglichst viele Geschäftsprozesse innerhalb einer Organisation zu unterstützen. Dadurch wird der Geschäftsprozess und nicht das System zum zentralen Bezugspunkt.

Knowledge-Management-Projekte müssen sich demzufolge über die Prozesse und Strategien in eine gegebene Unternehmenskultur einfügen. Umgekehrt verändern sie diese aber auch mehr oder weniger schnell, so dass eine hohe Flexibilität und Adaptierbarkeit vorausgesetzt werden muss.

Bis heute werden technische Ansätze gegenüber organisatorischen häufig bevorzugt. Doch diese Priorisierung verliert an Bedeutung, wenn man von einem ganzheitlichen Vorgehensmodell ausgeht. Auf der Basis dieses Vorgehenskonzepts werden jedoch keine neuen Wissensprozesse erfunden, sondern die bereits bestehenden Kernprozesse angepasst beziehungsweise um wissensbasierende Teilprozesse erweitert: Identifikation, Erwerb, Entwicklung, Verteilung, Nutzung und Bewahrung von Wissen. Das heißt also: Das Gesamtmodell, das die Entscheidungs- und Leistungsprozesse unterstützen soll, erhält eine weitere Dimension: die Wissensprozesse. Innerhalb der Gesamtsicht auf den Lebenszyklus eines beliebigen Geschäftsprozesses liefern Leistungsprozesse Informationen, die ihrerseits als neues Wissen für Entscheidungen beziehungsweise Planungen benötigt werden.

Sind Visionen, Strategien und Ziele im unternehmensweiten Gesamtkontext definiert, wird für die konkrete Umsetzung ein inkrementelles Phasenkonzept empfohlen. Der Detaillierungsgrad der Prozessmodellierung ist von der jeweiligen Projektphase abhängig und beschränkt sich auf den betrachteten Kernprozess. Ein übergreifendes Life-Cycle-Management ist dabei unbedingt erforderlich, auch für die Informationstechnologie: Die zwingend notwendigen Kompetenzen innerhalb eines Projektteams müssen sich über Technik, Strategieberatung, Realisierung, Betrieb und Wartung erstrecken.

Dies erweitert das Rollenverständnis des Change-Managers: In komplexen Projekten ist er Anwendungsarchitekt, Projektleiter und Qualitätsmanager. Nun kommt eine neue Rolle hinzu: Er muss die durch das Projekt verursachten Veränderungsprozesse planen und begleiten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit jeder neuen Technologiewelle die Größe und Komplexität der Informationstechnik dramatisch anwachsen. Entwicklungen wie E-Commerce, Supply-Chain-Management, Data Warehouse und Knowledge-Management erfordern globale Infrastrukturen mit Verfahren und Methoden zur schnelleren Übermittlung und Auswertung von Informationen. Vielen Unternehmen fällt es schwer, mit den Neuerungen Schritt zu halten und bei all den kurzfristigen Entscheidungen die großen Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Ein Unternehmen wird in Zukunft aber nur dann den härter werdenden Konkurrenzkampf für sich entscheiden können, wenn es kundenorientierte Lernprozesse initiiert, Geschäftsprozesse immer wieder überdenkt und optimiert und das Change-Management beherrscht. Dabei ist die Informationstechnologie nicht nur "Enabler", sondern die treibende Kraft für die dynamische Veränderung der Unternehmen.

* Ulf Freiberg ist Leiter Practice Workmanagement bei der CSC Ploenzke AG (ufreiber@csc.com).

Abb.1: KM-Architektur

Die technische Infrastruktur für Knowledge-Management (KM) ist in den Unternehmen vielfach schon vorhanden. Quelle: CSC Ploenzke

Abb.2: Informationen zusammenführen

Work-Management als KM-Fundament unterstützt die Sachbearbeitung mit Methoden und Werkzeugen. Quelle: CSC Ploenzke

Abb.3: Die Beziehung

Das Ziel bei Knowledge-based-business sollte eine transparente Informationslogistik sein. Quelle: CSC Ploenzke