Über Netzwerkdesign und Auswahlkriterien von Verbundsystemen:

"Knoten totales tot"

25.02.1977

"Die moderne Datenübertragungstechnik ermöglicht die Kooperation räumlich getrennter Computersysteme, ist Grundlage für das Konzept des, Distributed Processing, unterstützt die Tendenz zur Dezentralisierung der EDV" - so glatt und sauber liest sich das in Forschungsberichten und Studien über die Verbundsystem-Thematik. Die Wirklichkeit sieht - zumindest in der Bundesrepublik - doch wohl anders aus.

Nicht, daß es etwa an Bemühungen seitens der Hersteller fehlen würde, den Slogan von der "verteilten Intelligenz" populär zu machen - im Gegenteil: Alle haben eigene "Allgemein-Lösungen" für die Datenfernverarbeitung, bieten entsprechende Software und Prozeduren an und selbstverständlich die erforderliche Hardware in Form von aktiven oder W passiven Datenendgeräten. Nur sieht man "draußen" davon recht wenig. Ganz so einfach ist es nämlich nicht, ein Terminal mit einem Terminal, ein Terminal mit einem Rechner oder einen Rechner mit einem Rechner zu verbinden und das Ganze schließlich zu einem Netzwerk zu verknüpfen. Das verlangt den Spezialisten für DFÜ-Software genauso wie den "ausgebufften" Schnittstellen-Profi - von dieser Spezies gibt's offensichtlich noch nicht genug Exemplare. Zumal von einer Standardisierung in bezug auf Interfaces noch kaum die Rede sein kann. Ganz zu Schweigen davon daß man auch eine unterschiedliche Terminologie benutzt (Datenendgerät oder Terminal? - das ist hier die Frage.) Die Verwirrung bei vielen Anwendern ist vollkommen. Um hier Abhilfe zu schaffen, sollten zuerst allgemein gültige Kriterien für die Beurteilung von Rechnernetzen geschaffen werden. Da wäre zunächst zu prüfen, welchen Zweck das Verbundsystem eigentlich erfüllen soll. An dieser Stelle sind folgende Gesichtspunkte zu nennen:

- Benutzung der Peripherie anderer Rechner (Ressource-Sharing),

- Benutzung von Rechenkapazität für Hintergrundaufgaben,

- Benutzung von Hauptspeicherkapazität für die Bearbeitung großer Programme oder großer Datenbestände,

- Parallelverarbeitung von Aufgaben zur Erhöhung des Durchsatzes (Work load-Sharing oder Lastverteilung),

- Zugriff auf Datenbestände von Fremdrechnern (Platte, Band).

Weiter müßte als Kriterium erfragt werden, welcher Komplexitätsgrad (im Sinne der Netzwerktheorie) und welches Organisationsschema dem Verbund zugrunde liegt: Das Knotennetz, in dem ein Rechner an der Spitze eines hierarchisch angeordneten DFÜ-Equipments unterschiedlicher Intelligenz den gesamten Nachrichtenverkehr vermittelt, hat sicher den Vorteil der Einfachheit (Grafik 1). Nachteile: Der Knotenrechner muß zum einen sehr schnell und zum anderen ausfallsicher sein ("Knoten tot, alles tot").

Anders beim Ringleitungs- oder Bus-System, bei dem mehrere Terminals über eine gemeinsame Übertragungsleitung mit einem Zentralcomputer verbunden sind (Multi-Point-, Multi-Drop- oder Party-Line-Anschluß) Es bringt zwar Einsparungen bei den Leitungen und ist leicht erweiterbar, dafür jedoch relativ langsam.

Als "Nonplusultra" gilt derzeit das sogenannte "Allgemeine Netz" oder "Distributed Network" (Grafik 2), in dem jeder Rechner entweder direkt ober über einen Nachbarn mit jedem, anderen Rechner kommunizieren kann.

Für den Anwender ist ferner, wichtig, welche physikalische Kopplungsform vorliegt und wie es mit dem Fremdrechneranschluß Verbind zu Computern anderer Hersteller- aussieht: Direct Memory Access (DMA), E/A-Kanal, Gleichstrom-Datenübertragung mit niedriger Sendespaunnung (GDN) oder Modem? Fragen hierzu:

Ist die logische Ebene unabhängig von der physikalischen? Welche Datenraten sind möglich?

Schließlich ist es auch gut zu wissen ob Programme geändert werden müssen, die sowohl auf Stand-Alone-Systemen wie auf einem Verbund laufen sollen. Dazu gehört auch, ob Peripheriegeräte, Platten, Dateien an Fremdrechnern mit anderen als den üblichen Sprachelementen aktiviert werden müssen. Wer soweit ist alle genannten Auswahlkriterien unter die genommen hat, kann sich getrost auf die Brust klopfen: Verlockende Stellenangebote von Herstellen dürften nicht ausbleiben.