Knorr-Bremse AG: Die weltweite Konkurrenz stoppen

03.04.2002
Von Helga Ballauf
Als eine Aktiengesellschaft in Familienbesitz orientiert sich die Knorr AG weniger an Quartalsergebnissen, sondern an langfristigen Entwicklungen. Jeder Siebte arbeitet im Bereich Forschung, Entwicklung und Projektierung.

Gut versteckt hinter einem gesichtslosen Zweckbau steht das denkmalgeschützte, hochherrschaftliche Verwaltungszentrum der Knorr-Bremse AG in München. Das Gebäude aus der Gründerzeit symbolisiert die fast 100-jährige Geschichte des Bremsenwerks. 1905 vom Erfinder Georg Knorr in Berlin gegründet, ist die nicht börsennotierte Aktiengesellschaft noch heute in Familienbesitz.

Bremsen sind keine reine Männersache: Eva Seifert, Heike-Maria Kunstmann und Coralie Bultot.
Bremsen sind keine reine Männersache: Eva Seifert, Heike-Maria Kunstmann und Coralie Bultot.

Eine Struktur, die sich gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten bewährt, betont Unternehmenssprecherin Eva Seifert: "Im Mittelpunkt steht weniger eine schnelle, hohe Rendite als eine langfristig erfolgreiche Perspektive."

Der Maschinenbaukonzern ist weltweit Marktführer bei der Herstellung von Bremssystemen für Schienenfahrzeuge und Branchenzweiter beim Bau von Bremsen für Nutzfahrzeuge. Das Traditionsunternehmen beschäftigt weltweit etwa 9600 Mitarbeiter. Jeder siebte von ihnen ist in den Bereichen Forschung, Entwicklung und Projektierung tätig - ein deutliches Zeichen dafür, unter welchem Innovationszwang die Zulieferer der Fahrzeugindustrie stehen. Die laufenden Entwicklungsaufgaben erledigen bei Knorr-Bremse hauptsächlich Elektrotechniker, Maschinenbauer, Physiker und Wirtschaftsingenieure.

Als Vorausdenker setzt das Unternehmen junge Mechatroniker ein. Sie verstehen sich auf die Kombination von Elektronik, Pneumatik und Mechanik - genau das, was ein Bremsenproduzent braucht. Von Informationstechnik müssen alle Ingenieure etwas verstehen. "Auf das Schnittstellenwissen kommt es an", sagt die Leiterin der Personalentwicklung Heike-Maria Kunstmann, "denn ohne IT läuft kein einziger Geschäftsprozess."

Start als Trainee

Gleichzeitig bedeutet es, dass der Konzern nur einige wenige reine IT-Spezialisten braucht. Weil die Anforderungen hoch und die Absolventenzahlen an den Unis niedrig sind, qualifiziert Knorr-Bremse den Fachkräftenachwuchs in zwei Trainee-Gruppen selbst. Ins Eliteprogramm kommen dabei Young Professionals, die neben einem guten Studienabschluss weitere Trümpfe vorweisen können. Dazu zählen Auslandserfahrung, Promotion, ein MBA (Master of Business Administration) oder ein Aufbaustudium. Derzeit nehmen 25 künftige Führungskräfte am zweijährigen Training teil.

Die 26-jährige Coralie Bultot ist eine von ihnen. Die junge Französin hat in ihrem Heimatland Ingenieurwissenschaften studiert und ein Maschinenbau-Diplom an der TU München erworben. Als Trainee bei Knorr-Bremse musste Bultot unter anderem ein einheitliches Qualitätsprüfungssystem für den Bereich Schienenfahrzeuge aufbauen. Sie besuchte alle europäischen Standorte der Firma und ließ sich erklären, wie beispielsweise Reklamationen erfasst werden. Aus diesem Fundus entwickelte sie die Gütekriterien, die nun regelmäßig an die Münchner Zentrale gehen und den direkten Vergleich der Werke zulassen. Im zweiten Projekt verbesserte Bultot gemeinsam mit den Kollegen aus der Nutzfahrzeugsparte das Controlling-Konzept. "Das analytische Handwerkszeug habe ich im Studium gelernt", sagt die Ingenieurin, "und ebenso Hintergrundwissen zum Thema Bremsen. Diese Kenntnisse musste ich hier natürlich vertiefen, im Gespräch mit Kollegen und durch das Studium von Lehrbüchern."

Personalentwicklerin Kunstmann sucht junge Leute, die "offen und neugierig sind und etwas bewegen wollen". Auf eine gute Mischung aus Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz komme es an. Englisch ist Konzernsprache; zusätzliche Sprachkenntnisse bringen Pluspunkte, weil sie zur internationalen Ausrichtung der Firma passen und als Zeichen von Weltoffenheit gelten.

Offen für neue Ideen

Neben den beiden Trainee-Programmen hält Knorr-Bremse ein umfangreiches Weiterbildungsangebot für alle Mitarbeiter bereit. Wer mit BMW und Siemens um ähnlich hochqualifiziertes Personal konkurriere, müsse sich etwas einfallen lassen, sagt Kunstmann: "Mit den dort üblichen Gehältern und Incentives können wir nicht mithalten. Wir werben damit, dass junge Leute schneller spannende, internationale Aufgaben bekommen und dass sich neue Ideen in einer kleineren Firma leichter durchsetzen lassen."

Knorr-Bremse AG will weiter wachsen und unabhängig bleiben. Die weltweite Wirtschaftsflaute im zweiten Halbjahr 2001 konnte das Unternehmen gut überstehen, berichtet Konzernsprecherin Seifert. Während der Absatz von Lastwagen sofort auf konjunkturelle Schwankungen reagiert, gelten für Schienenfahrzeuge längerfristige Bestellzyklen. Dementsprechend spürte der Zulieferer von Bremssystemen im ersten Fall sofort die Marktkrise, während das Auftragsvolumen der Bahnhersteller stabil blieb. Die Französin Bultot hat im Trainee-Programm entdeckt, wie viel Spaß ihr das Projekt-Management macht. "Da sehe ich meinen Platz im Unternehmen", sagt die Ingenieurin.

Die Männerdomäne Maschinenbau schreckt sie nicht ab. In Frankreich sei der Frauenanteil von rund 15 Prozent in den Ingenieurwissenschaften zwar höher als in Deutschland, dennoch "war ich auch dort immer nur von Männern umgeben", berichtet Bultot. "Ich verstehe nicht, warum Frauen sich von dem Bereich so fernhalten." Personalentwicklerin Kunstmann und Unternehmenssprecherin Seifert glauben, es sei in der Vergangenheit zu wenig getan worden, um die technischen Fächer für Mädchen und junge Frauen attraktiv zu machen. Das ändere sich aber allmählich. "Abgesehen davon", so Seifert, "ist es manchmal durchaus positiv, in der Minderheitenposition zu sein."

Knorr-Bremse AG

Moosacher Str. 80, 80809 MünchenTel. 089/35470, www.knorr-bremse.com

Mitarbeiter: weltweit ca. 9600, rund 1200 in Forschung, Entwicklung und Projektierung
Umsatz im Jahr 2000: 2,9 Milliarden DM
Gesuchte Fachrichtungen: Ingenieur/innen diverser Fachrichtungen wie Informatik, Elektronik, Maschinenbau, Feinwerktechnik, Mechatronik - geforderte Qualifikationen: je nach Aufgabe IT-Programmier- oder Anwenderkenntnisse in SAP, SPS, CAD, elektronischen Bremssystemen, Werkstoffkunde, Messtechnik, Englisch.