Knallharter Verdrängungswettbewerb

02.06.2006
Mehr als die Hälfte des deutschen ERP-Markts ist fest in den Händen von SAP – jedenfalls was den Umsatz angeht. Wenn man indes die Anzahl der Installationen betrachtet, dürfte Microsoft mit seinen ERP-Lösungen Navision und Dynamics AX (vormals Axapta) vorn liegen. Die Gates- Company erzielt dennoch mit Business-Software nur einen Bruchteil des Umsatzes von SAP.

Unterhalb der Großunternehmen wird es indes eng, der Markt für ERP-Software wächst nur noch im niedrigen einstelligen Bereich. „Weiteres Marktpotenzial in den ERP-Kernfunktionen lässt sich im deutschsprachigen Raum und weiteren westeuropäischen Staaten nur noch durch Verdrängungswettbewerb erschließen“, sagt Matthias Zacher, Advisor beim Markforschungsunternehmen Experton Group. „Potenzial liegt allerdings noch beim so genannten ERP der zweiten Generation, also funktionalen Erweiterungen und fachlichen Spezialanwendungen.“

Während die Großunternehmen fest in den Händen der Walldorfer sind, herrscht darunter ein scharfer Wettkampf. Etwa 120 bis 150 verschiedene Anbieter ringen um die Gunst der Anwender. Von Firmen, die nur ein Dutzend ERP-Software-Installationen vorweisen können, bis hin zu Microsoft, das nach Expertenschätzung in Deutschland mit etwa 16 000 ERP-Systemen vertreten ist.

SAP will keine Installtions- und Kundenzahlen nennen. Branchenkenner schätzen, dass die Anzahl der Kunden weltweit 33 000 beträgt, davon knapp 3000 in Deutschland. Sicher ist: SAP ist teuer und wird fast ausschließlich von Großunternehmen mit zahlreichen Nutzern eingesetzt – weshalb die durchschnittliche SAP-Installation meist mit einem Vielfachen des Preises etwa einer Navision- oder einer Branchenlösung zu Buche schlägt. Genau hier liegt der Grund für den gewaltigen Umsatzanteil von SAP von insgesamt 56 Prozent, während es die Microsoft- ERP-Systeme nur auf gut drei Prozent bringen. Auch Oracle (inklusive PeopleSoft und J. D. Edwards), Sage, Infor, SoftM, Abas und SSA Global sind noch mit jeweils zwischen zwei und vierProzent im deutschen ERPMarkt vertreten. Aber 26 Prozent des Umsatzes teilen sich ERP-Anbieter mit Marktanteilen unter zwei Prozent.

K= Kleine Unternehmen, M= Mittelstand, G= Großunternehmen Quelle: Experton Group AG, 2006
K= Kleine Unternehmen, M= Mittelstand, G= Großunternehmen Quelle: Experton Group AG, 2006

„Der Druck auf kleinere ERP-Anbieter wird weiterhin zunehmen“, sagt ERP-Spezialist Zacher. Sie müssen verstärkt alle möglichen Optionen ausloten. Hierzu zählten eine moderne Software-Architektur, ein möglichst umfassendes Angebot für die jeweilige Branche oder Subbranche, Kooperationen mit anderen mittelständischen Anbietern oder Partnerschaftsaktivitäten im Umfeld eines Big Players. Auch das Thema SOA setzt ihnen zu: „Hier stellt sich auch die Frage nach der Zukunftsfähigkeit der ERP-Produkte, des Leistungsangebots und der einzelnen mittelständischen Anbieter insgesamt“, sagt Zacher. Und der Druck auf die Kleinen wächst weiter: „Mit einer forcierten Go-to-Market- Strategie, neuen Vertriebskonzepten und zahlreichen neuen Partnerlösungen unterstreicht SAP die Ernsthaftigkeit ihrer Mittelstandsaktivitäten. Und auch Microsoft ist mit der Vermarktung seiner Business-Lösungen erfolgreich“, hat Zacher beobachtet. Es bleibt also spannend im ERP-Markt. Nachdem Oracle mit PeopleSoft und J. D. Edwards zwei namhafte Konkurrenten übernahm, hat Infor mit der Übernahme von SSA Global einen weiteren Marktteilnehmer geschluckt. Beide Unternehmen, Infor wie SSA, hatten in den letzten Jahren jeweils zehn kleinere ERPHersteller beziehungsweise Anbieter von Spezialapplikationen übernommen. Mit anderen Worten: Anstelle von Infor gab es vor vier Jahren noch 22 einzelne Anbieter. Und weitere Übernahmen und Zusammenschlüsse werden auch zukünftig das ERP-Umfeld prägen. Die drei größten Software-Unternehmen der Welt dürften dabei zu den Überlebenden gehören. Sie heißen Microsoft, Oracle und SAP.