Absage an zentrale kommunale Dienstleister in Bayern

Klinikum Aschaffenburg setzt auf eine dezentrale DV-Lösung

30.03.1990

ASCHAFFENBURG (dow)- Kommunale Rechenzentren gehen inzwischen vermehrt dazu über, autonome Lösungen zu verfolgen, wie das Beispiel des neugebauten Klinikums in Aschaffenburg zeigt: Gegen anfängliche Widerstände übergeordneter Behördensetzten Gesehäftsleitung undDV-Verantwortliche eine dezentrale Lösung durch.

Die Pläne für das mit 300 Millionen Mark angesetzte Bauvorhaben im Norden des südlichsten Bundeslandes wurden bereits vor zehn Jahren gemacht. An der Finanzierung beteiligten sich Stadt und Kreis Aschaffenburg mit insgesamt 15,5 Prozent, den Löwenanteil übernahm das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung.

Das verschaffte den Münchnern ein erhebliches Mitspracherecht. Offenheit bei allen Planungsvorgängen und konsequentes Einhalten des Budgets waren die Strategien, mit denen Werner Bokr, Geschäftsleiter des neugegründeten Krankenhaus-Zweckverbandes in Aschaffenburg, seine Vorgesetzten in München zu überzeugen wußte. Eingeschaltete Gutachterbehörden gaben grünes Licht, 1983 konnte mit dem Bau begonnen werden.

Rund 1,2 Millionen Mark hatte Bokr zu Beginn des Vorhabens Ende der siebziger Jahre für eine DV-Anlage angesetzt. Was er für diesen Betrag im einzelnen anschaffen wollte, war dem gelernten Juristen damals jedoch nicht in allen Einzelheiten klar. In seiner Gesamtkonzeption, das Klinikum als Wirtschaftsunternehmen zu führen, hatte die DV für ihn jedoch schon damals eine wichtige Funktion, und das berücksichtigte der Verwaltungsfachmann bei der architektonischen Planung.

Nach Fertigstellung des Baus im Herbst vergangenen Jahres verfügten zum Beispiel nicht nur der Verwaltungs- und Laborbereich über Kabelschächte für ein Netzwerk. Es ist theoretisch sogar möglich, in den Patientenzimmern Rechner zu installieren, die Daten über ein hausinternes Netz weitergeben. Der Einsatz von Computern und die Weitergabe von Daten zum Beispiel in ein Labor sind heute jedoch noch Zukunftsmusik. So fehle es noch an geeigneter Software für Diagnoseverfahren am Krankenbett, bei denen die Daten dann auch andernorts genutzt werden könnten, meint Gerhard Müller, Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft und verantwortlich für die DV im Klinikum.

Im ersten Anlauf wollte das Ministerium dem 680-Betten-Haus lediglich 500 000 Mark für die DV-lnstallation bereitstellen. Mit diesem "mickerigen Betrag" war Geschäftsleiter Bokr nicht zufrieden. Das Geld hätte lediglich für eine Insellösung in den Labors gereicht.

Der AKDB intervenierte heftig

Besuche in anderen Krankenhäusern ließen in dem Verwaltungsfachmann jedoch die Einsicht reifen, daß nur ein in sich geschlossenes DV-Gesamtkonzept effektives Arbeiten verspricht. Dazu gehört auch die Autonomie vom bisherigen DV-Dienstleister, der Anstalt für kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB).

Schwierig war es schon, den Geldgebern aus München klar zu machen, warum man bei der Ausschreibung des DV-Vorhabens die AKDB künftig nicht mehr berücksichtigen wollte, erinnert sich Bokr. Schließlich hatte diese in den siebziger Jahren die Mehrzahl aller kommunalen Einrichtungen versorgt und war auch nicht gewillt, den vielversprechenden Kunden in Aschaffenburg zu verlieren.

Trotz "heftiger Interventionen" seitens der AKDB, die den abtrünnigen Verband auf denPfad der zentral organisiertenDV zurückzuholen versuchte, konnten die Aschaffenburgerihren Vertrag beenden. In ständiger schriftlicher und mündlicher Kommunikation" mit dem Ministerium leistete Bokr Überzeugungsarbeit für seine Vorstellung einer autonomen DV.

So wollte er nicht Dienstleistungen des RZ im Paket, sondern ganz spezielle Lösungen die nur mit einer eigenen DV umzusetzen waren. Für das Konzept der Aschaffenburger sprach unter anderem auch der bessere Datenschutz. "In einer geschlossenen Einheit wie derunseren kann zum Beispiel keine Leitung angezapft werden", erläutert Müller.

Nach der Grundsatzentscheidung gegen die AKDB konnteBokr sein Verhandlungsgeschick abermals unter Beweisstellen, als es galt, die dezentrale Lösung eines deutschen Herstellers zu vertreten. Der 1988 neueingestellte DV-Leiter Müllerhatte sich nämlich für Produkte der Konstanzer CTM entschieden-ein Unternehmen, das damals noch zur SEL-Gruppe gehörte.

"Die großen Hersteller haben im Krankenhausbereich keine angemessenen Lösungen zu bieten", begründet Müller seine Entscheidung. Das exotische Betriebssystem der CTM-Rechner schreckt ihn wenig, "zumal inzwischen auch Unix-Lösungen unter Itos laufen".

Gesucht: Medium zur Archivierung der Daten

In einem Dreistufenplan sollen alle Bereiche der Klinik mit Rechnern ausgerüstet werden. Allein für das Netz steht ein Betrag von 800 000 Mark zur Verfügung. Insgesamt sind für das DV Equipment mehrere Millionen Mark veranschlagt. Realisiert sind bereits Lösungen für die Verwaltung und die Technik. Bis Ende des Jahres sollen die Stationen für rund 4,5 Millionen Mark in die Lage versetzt werden, per DV miteinander zu kommunizieren.

Das Digitalarchiv, in dem dann auch die Krankengeschichten gespeichert werden, kann voraussichtlich erst in fünf Jahren aufgebaut werden. Da sind die Aschaffenburger in der Planung anscheinend weiter, als der Markt Produkte bietet: DV-Chef Müller sucht immer noch nach einem geeigneten Medium zur Archivierungder Daten.