Kritik am Vorschlag des Europäischen Patentamts

Kleine Firmen lehnen Softwarepatente ab

25.08.2000
MÜNCHEN (CW) - Das Europäische Patentamt (EPA) fordert in einem Gesetzesvorschlag eine Revision geltender Bestimmungen, die insbesondere die Patentierung von Software ermöglichen soll. Zahlreiche IT-Hersteller laufen gegen diese Bemühungen Sturm: Die Initiative wirke innovationshemmend und gehe vor allem zu Lasten kleinerer Softwarefirmen.

Geht es nach dem Willen des EPA, so entfallen im November 2000 sämtliche gesetzlichen Einschränkungen der Patentierbarkeit. Die in München ansässige Behörde hat dazu einen "Basisvorschlag für die Revision des Europäischen Patentübereinkommens" erarbeitet, den das Bundesministerium der Justiz (BMJ) veröffentlichte. Im Gegensatz zur Praxis in den USA kann in Europa "Software als solche" bislang nicht patentiert werden.

"Als Hersteller von E-Commerce-Systemlösungen halten wir das für schädlich, denn es wird viele kleine und mittlere Unternehmen davon abschrecken, ihre eigenen E-Commerce-Lösungen zu entwickeln", schimpft Ralf Schwöbel, Vorstand der Frankfurter Intradat, einem Anbieter von Internet-basierten Verkaufssystemen. Auch Jens Enders, Geschäftsführer des Magdeburger Softwarehauses MD Link, äußert sich kritisch: "Softwarepatente sind gut für alternde Firmen, die ihr Territorium für 20 Jahre abschotten wollen, um sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen."

Die Verlierer sind die kleinen Softwarehäuser

Zahlreiche IT-Hersteller, zum Teil organisiert im Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), wehren sich gegen die EPA-Initiative. In einem offenen Brief an das BMJ weisen die Autoren auf "Unzulänglichkeiten des EPA-Entwurfs" hin (http://swpat.ffii.org/xatra/epue28/indexde.html). Eine expansive Patentpolitik, so die Kritiker, könne verheerende Auswirkungen zeitigen "auf Innovation, Wettbewerb, Wohlstand, Bildung und Bürgerrechte".

Die Verlierer beim Poker um Softwarepatente sind immer die kleinen Softwarehäuser, klagen die Kritiker. Diese könnten sich teure Rechtsanwälte und langwierige Rechtstreitigkeiten nicht leisten. Großunternehmen wie Microsoft oder IBM unterhalten hingegen hochkarätig besetzte juristische Abteilungen.

Das zentrale Argument der Befürworter von Softwarepatenten lautet: Das Patentsystem müsse auf Bereiche der Informationstechnik ausgeweitet werden, weil sonst die Investitionen der Hersteller nicht ausreichend geschützt seien. Jörg Tauss, Vorsitzender des Bundestags-Unterausschusses Neue Medien, mag diese Aussage nicht gelten lassen: "Diese Behauptung wurde (...) immer nur als abstrakte Grundwahrheit weitergegeben und niemals anhand von Tatsachen der deutschen oder europäischen IT-Wirtschaft belegt."

Die Kritiker der Patentoffensive argumentieren nicht zuletzt, die Patentbehörden, namentlich das EPA, verfolgten mit ihrem Vorstoß in erster Linie wirtschaftliche Interessen. So finanziert sich das EPA durch Patentgebühren; eine Ausweitung der Patentierbarkeit bedeute deshalb auch mehr Einnahmen. Die öffentliche Diskussion mit ihren Kritikern scheut die EPA offensichtlich. Eine Einladung der Computerwoche zu einem Gespräch mit einem Vertreter des FFII wurde abgelehnt. Dies sei "aus politischen Gründen nicht möglich", erklärte Sprecher Osterwalder.