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Kleine ERP-Anbieter haben nur in der Nische eine Chance

13.08.2001
Trotz der schweren Zeiten für Firmen wie i2 Technologies oder Ariba prophezeien Analysten den Nischenanbietern auf Dauer gute Aussichten. Doch nicht alle werden überleben.

Von CW-Redakteur Martin Ottomeier

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Trotz der schweren Zeiten für Firmen wie i2 Technologies oder Ariba prophezeien Analysten den Nischenanbietern auf Dauer gute Aussichten. Doch nicht alle werden überleben.

"Enterprise Resource Planning ist tot", hatte Bruce Richardson, ERP-Experte beim Beratungsunternehmen AMR Research, im Frühjahr vergangenen Jahres postuliert. Ein Jahr später hat er seine Meinung revidiert: 2001 werde "das Jahr des ERP".

Der Sinneswandel zugunsten von SAP & Co. kommt nicht von ungefähr. "Es scheint, dass die größten Unternehmen wieder anfangen, gute Ergebnisse hervorzubringen", beobachtet Bill Clough, beim Marktforschungsunternehmen IDC (International Data Corp.) europaweit zuständig für ERP und Customer Relationship Management (CRM). SAP, Peoplesoft, Siebel - alle konnten die Erwartungen erfüllen.

Für kleinere Unternehmen sieht es dagegen schlecht aus. ERP-Spezialist J.D. Edwards hat Schwierigkeiten; Firmen wie das auf Supply Chain Management (SCM) spezialisierte Manugistics oder die Product-Lifecycle-Management-Company (PLM) Agile Software wachsen langsamer beziehungsweise vergrößern ihre Verluste. Noch dramatischer ist die Situation des SCM-Anbieters i2 Technologies und des auf Beschaffungslösungen fokussierten Ariba. Beide Unternehmen mussten einen Rückgang ihres Lizenzgeschäfts hinnehmen.

"Trotzdem wäre ich vorsichtig, dahinter ein Phänomen ´Große gegen kleine Unternehmen´ zu sehen", warnt Clough. Insbesondere in Europa gebe es beispielsweise eine Reihe von ERP-Anbietern, die sich erfolgreich auf einige wenige Branchen oder Funktionen spezialisiert hätten wie IFS, Agresso und Scala Business Solutions. Das sieht auch Bruce Bond so, der in der Enterprise and Supply-Chain-Management Research Group des Beratungsunternehmens Gartner tätig ist. "In allen Bereichen wie CRM, SCM und PLM wird es weiter Nischenanbieter geben", ist Bond überzeugt. Obwohl er über kurz oder lang Übernahmen der kleinen Anbieter durch die großen ERP-Hersteller erwartet, geht er davon aus, dass einige Spezialisten auf ihrem Gebiet so weit die Nase vorn haben werden, dass sie ihre Unabhängigkeit bewahren können: "Es wird immer Anwender geben, die Best-of-breed-Programme kaufen." Der Grund: Immer häufiger wählt die Fachabteilung eine Anwendung aus, und zwar unter funktionalen Aspekten.

Ob Firmen überleben, haben sie nach Ansicht der Analysten selbst in der Hand. Zum Beispiel spielen in Europa nach Ansicht laut Clough kulturelle Aspekte eine wichtige Rolle, die es lokalen Anbietern erleichtern, sich gegen global agierende Firmen durchzusetzen. Auch die funktionale Nische ist von Bedeutung. "Kleine Anbieter könnten sich auf Kundenkontakt-Management für Banken konzentrieren oder auf Materialverwaltung oder Logistik für Kleinteilehersteller", nennt er Beispiele für Spezialanwendungen, die für große Anbieter oft nicht attraktiv sind.

Hier haben unter anderem Ariba und i2 ein Problem. "Die Märkte für diese beiden Unternehmen haben sich deutlich abgekühlt", beobachtet Gartner-Experte Bond. Anwender würden ihre Software zurzeit taktisch kaufen - also keine langfristigen strategischen Projekte aufsetzen. "Das tut i2 weh", weiß Bond, denn das Unternehmen konzentriert sich mit seiner Lösung auf umfassendes firmenübergreifendes Supply Chain Management, also groß angelegte Projekte in Konzernen.

Ariba dagegen kämpft mit dem Problem, dass die Beschaffung indirekter Güter zunehmend auch Teil von anderen Programmpaketen wird. Damit verschwindet das Brot-und-Butter-Geschäft des Anbieters.

Wie aussagekräftig sind die aktuellen Zahlen?

Allerdings darf man die jüngsten Quartalsergebnisse nach Ansicht von Bond nicht überinterpretieren. Zum Beispiel stellt SAP PR-trächtig ihren SCM-Lizenzumsatz von 150 Millionen Euro heraus, der den von i2 mit 106 Millionen Dollar (rund 120 Millionen Euro) übertrifft. Der ERP-Spezialist weist aber darauf hin, dass sich hinter der SAP-Zahl eine Reihe von Funktionen verbergen, die zum Teil über klassische SAP-Module abgedeckt werden, wie Produktionsplanung und -steuerung über das Mysap-Modul "PP". Fair wäre nur ein Vergleich zwischen i2s Einnahmen aus Lizenzen und dem, was SAP mit seinem Modul "Advanced Planner and Optimizer" (APO) verdient. "Wir kennen den APO-Umsatz nicht, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass er geringer als i2s Lizenzumsatz ist", vermutet Bond.

Wie wichtig neue Geschäftsfelder für die etablierten Anbieter sind, zeigt AMR-Analyst Richardson auf: 60 Prozent des SAP-Umsatzes kommen aus den Bereichen CRM, SCM, Portale, Marktplätze und PLM. Oracle-Chef Larry Ellison habe schon seit drei Jahren den Begriff Enterprise Resource Planning nicht mehr in den Mund genommen, äußerte jüngst ein Manager des Unternehmens.

Die großen ERP-Anbieter leben nach Ansicht von Richardson zurzeit davon, dass ihre angestammte Kundschaft auf neue Versionen wechselt und dabei in Teilbereichen Funktionen dazukauft. Diese Zurückhaltung bei strategischen Projekten werden viele Spezialanbieter nicht überleben. "Im Markt für Unternehmensanwendungen gibt es künftig sehr viel weniger Raum für Anbieter als es heute der Fall ist", stellt IDC-Experte Clough klar. Eine steigende Zahl von Zusammenschlüssen und Aufkäufen sowie Partnerschaften zeigten einen Trend hin zu einem Markt mit einigen wenigen großen Anbietern - neben den verbleibenden lokalen Spezialisten.