Klasse statt Masse: Der Rest erledigt sich von selbst

19.02.1988

Karl Bolle

CBI Computer-Bildungs-Institut, Wiesbaden

Rückblick

Hut ab vor der gewaltigen Leistung der Bundesanstalt für Arbeit und ihrer erfolgreich durchgeführten Bildungsoffensive. Ein phantastischer politischer Auftrag wurde damit erfüllt: Statt 266 000 Umschüler in 1982 konnten die Nürnberger im vergangenen Jahr 596 000 Arbeitslose in Umschulungsmaßnahmen unterbringen. Gleichzeitig entstanden Hunderte von Umschulungsanbietern, welche sich mit Hilfe der sechs Milliarden schweren Kasse der Bundesanstalt der Herausforderung des Umschulungsmarktes annahmen.

Einblick

Der Sparstrumpf der Bundesanstalt leidet inzwischen an Auszehrung. Da Umschulungsmaßnahmen in der Regel nicht gerade billig sind - besonders im DV-Bereich - und erfolglos Umgeschulte den Ämtern erneut auf der Tasche liegen, heißt der neue Auftrag der Bundesanstalt an alle Arbeitsämter: Nicht Masse, sondern Klasse ist gefragt.

Für 1988 sind daher folgende neue Schwerpunkte gesetzt: Das zahlenmäßig erreichte Niveau von Teilnehmer-Einweisungen ist zu halten. Ein hohes Qualitätsniveau der Träger ist bei gleichzeitiger Kostenreduzierung zu gewährleisten. Wahrlich - keine leichte Aufgabe. Wenn dazu alle Berater an der Erfolgsquote ihrer Zöglinge und nicht an der Zahl der von ihnen eingewiesenen Umschüler bewertet würden, wäre ein Wunschtraum vieler Qualitäts-Umschulungsanbieter erfüllt!

Die Lösung der Bundesanstalt für Arbeit indes ist (zu) einfach. Sie wurde nämlich nach dem KISS-Prinzip (Keep It Stupid Simple) konzipiert: Jedes Amt erhält ein limitiertes Umschulungsbudget. Damit sind die genannten Schwerpunkte zu erbringen.

Leider enthält diese Vorgehensweise einen gravierenden Schönheitsfehler: Die Ämter, welche in ihrem Gebiet mit relativ erfolglosen Trägern arbeiten, werden vermehrt Teilnehmer zu den erfolgreichen Trägern anderer Ämter schicken. Auf diese Weise wird zwar Amt A (mit schwachen Trägern) sein Budget entlasten, Amt B (mit starken Trägern) aber sein Budget bald erschöpfen. Die Initialzündung zur Freisetzung aller verfügbaren Kräfte bei den besten Anbietern funktioniert nur innerhalb eines Arbeitsamtbereichs. Erfolgreich überregional tätige Träger erhalten damit nicht die Chance, ihr gesamtes Potential im Sinne der Arbeitsverwaltung zur Entlastung von weniger erfolgreichen Umschulungsträgern zu nutzen.

Ausblick

Eine freie Entfaltung des Umschulungsmarktes bei gleichzeitiger Freisetzung immenser Umschulungsmittel läßt sich indes tatsächlich erreichen. Zwei Wege möchte ich dazu skizzieren.

Erster Weg: Die jeweils verfügbaren Budgets der einzelnen Ämter werden auf alle im jeweiligen Amt tätigen Berater verteilt. Jetzt kann jeder Berater frei entscheiden, wo oder bei wem er seine Klienten unterbringt. Entscheidungskriterium muß dabei das bekannte - oder noch zu ermittelnde - Preis/Leistungs-Verhältnis des jeweiligen Trägers sein: Welche Job-Erfolgsquote wird oder wurde mit dem geringsten Aufwand in kürzester Zeit erreicht.

Zweiter Weg: Alle Umschulungsmaßnahmen, zumindestens im DV-Bereich, welche länger als zwölf Monate laufen, sollten rigoros gestrichen werden. Dafür gibt es Gründe:

- Seit Jahren belegen Beispiele wie etwa die neunmonatigen Intensivkurse "Ausbildung zum Organisations-Programmierer", daß im Schnitt bereits während der Schulzeit 80 Prozent der Teilnehmer/innen gut dotierte Jobangebote erhalten. Eine Befragung der ersten 1000 Absolventen in den Jahren von 1982 bis 1986 ergab eine 98prozentige Jobquote zirka drei Monate nach Kursende.

- Eine Aufstellung der COMPUTERWOCHE Nr. 39 vom 25. September 1987 zeigt laut Selbstauskunft aller gelisteten Schulungsträger, daß etwa die Hälfte aller dort aufgeführten Ausbildungsgänge - bei mehr oder weniger gleichen Stundensätzen - zwischen 12 und 36 Monaten liegen.

- Wenn ein gutes Institut als Meßlatte dient, muß jedem Beamten klar sein, daß ein erfolgreicher Neunmonatskurs zirka 11 500 Mark kostet, ein 24 beziehungsweise 36 Monate dauernder Kurs aber etwa das Doppelte oder Dreifache an Gebühren verursacht - ohne bessere Resultate zu erbringen.

- Die Einsparungen, die auf diese Weise erwirtschaftet werden, stehen in keinem Verhältnis zu den Mehrkosten von eventuellen auswärtigen Unterbringungen und Fahrkostenerstattungen. Eine damit erzwungene Mobilität diverser Teilnehmer/innen kann der verbesserten Jobvermittlung nur dienlich sein.

- Wenn man sich dazu noch die Millionenbeträge vorstellt, die an gesparten Unterhaltsgeldern anfallen, müßte eigentlich jedem Beamten eine anständige Gehaltserhöhung als Belohnung in Aussicht gestellt werden.

- Schlußendlich würden mit dieser einfachen Maßnahmeverkürzungs-Aktion nicht nur gewaltige Summen eingespart, sondern können sogar mehr Umschulungswillige in Jobs gebracht werden als je zuvor.

Durchblick

Wer mehr "KIasse statt Masse" will, muß dem freien Markt lediglich ein "Ausleseverfahren der Tüchtigen" überlassen. Der Rest wird sich von selbst erledigen. Warum eigentlich nicht?