Change-Management bei der Munich Re

Key-User als Botschafter des Wandels

26.10.2010
Von 
Christoph Witte arbeitet als Publizist, Sprecher und Berater. 2009 gründete er mit Wittcomm eine Agentur für IT /Publishing/Kommunikation. Dort bündelt er seine Aktivitäten als Autor, Blogger, Sprecher, PR- und Kommunikationsberater. Witte hat zwei Bücher zu strategischen IT-Themen veröffentlicht und schreibt regelmäßig Beiträge für die IT- und Wirtschaftspresse. Davor arbeitete er als Chefredakteur und Herausgeber für die Computerwoche. Außerdem ist Witte Mitbegründer des CIO Magazins, als dessen Herausgeber er bis 2006 ebenfalls fungierte.

Key-User als Rückgrat der Veränderung

Die Key-User in den Fachabteilungen stellten sich schnell als Rückgrat der Veränderung heraus: Das Change-Team informierte sie als Erste über Erfolge und Schwierigkeiten im Projekt. Sie sammelten das Feedback ihrer Kollegen ein und formulierten, wenn nötig, formelle Change-Requests. Sie fungierten als Barometer für die Stimmung in den betroffenen Abteilungen. Sie wurden als Erste geschult, um Feedback für die Gestaltung der Trainings der restlichen User geben zu können. "Unser Ziel war es, pro zehn Betroffene einen Key-User zu bekommen", berichtet Wack, die die Methode für den Change-Prozess bei der Munich Re entwickelt hat und mit einem Team von vier Esprit-Beratern das Change-Projekt über die gesamte Laufzeit von 21 Monaten begleitet hat. Dieses Verhältnis konnte nicht überall eingehalten werden, "Aber wir haben die richtigen Leute bekommen", freut sich Projektleiter Föhr. "Persönlichkeiten, die auch in schwierigen Situationen Rückgrat zeigen, sich mit den bestehenden Systemen sehr gut auskennen, von ihren Kollegen akzeptiert und offen für Neues sind."

Die Key-User, über die die ganze Kommunikation lief, bündelten die Feedbacks der Endbenutzer, was Föhrs Team die Arbeit erheblich erleichterte. Dadurch wurden auch die IT-Teams nicht mit redundanten Change-Requests überhäuft. Als Nebeneffekt dieser indirekten Kommunikation "konnten wir mit schwierigen Situationen auch rationaler umgehen, als wenn wir uns direkt mit den Betroffenen hätten auseinander setzen müssen", sagt Föhr. Die Key-User waren teilweise von ihren normalen Aufgaben freigestellt. Das wäre wahrscheinlich auch gar nicht anders möglich gewesen. "Die Aufgaben, die ein Key User vor einem Go Live zu bearbeiten hat, dürfen nicht unterschätzt oder heruntergespielt werden. Denn diese tragen maßgeblich zum Erfolg eines Projektes bei.", berichtet Wack.

Noch heute, vier Monate nach dem Rollout finden alle vier Wochen Key-User-Meetings statt, damit die Helfer in den Fachabteilungen auch weiter ihre Kollegen unterstützen können. Das entlastet den User-Support und hilft, die Plattform zu verbessern. "Die Key-User haben uns extrem geholfen, die Anlaufschwierigkeiten der Endanwender deutlich zu verringern. Die Anwender orientierten sich schneller und waren vom Start weg besser für den Umgang mit dem System und den Prozessen qualifiziert. Kurz, die Key-User haben die Performance-Kurve der Anwender nach Einführung des Systems viel steiler ansteigen lassen, als das ohne sie der Fall gewesen wäre", fasst Föhr zusammen.

Mix aus persönlicher Information und Online-Hilfe

Neben den vielen Informationsveranstaltungen - allein Föhr leitete über 70 Meetings - basierte die Kommunikation sehr stark auf Online-Komponenten wie einer eigenen Projekt-Page, E-Mails und virtuellen Web-Meetings - vor allem mit den Auslandsniederlassungen. In einer Online-Dokumentation und -Hilfe finden Mitarbeiter im Zweifelsfall Anwendungsbeispiele und genaue Anleitungen. Für die richtige Mischung aus persönlicher Information und Online-Hilfe gibt es laut Wack kein Patentrezept: "Das hängt sehr stark von den Zielen des Change-Management-Projekts, der Unternehmenskultur und den Bedürfnissen der Mitarbeiter ab. Um für die Munich Re die richtigen Elemente zu finden, hat uns am Anfang des Projekts die Veränderungsanalyse sehr geholfen."

Erfolgsfaktor Anwenderschulungen

Ein wichtiger Erfolgsfaktor waren schließlich die Trainings der Endanwender, in die etwa 50 Prozent des Projektbudgets flossen. "Trainings zu organisieren für 1400 Mitarbeiter an 20 internationalen Standorten ist alles andere als trivial", berichtet Föhr. "Mitunter hatten wir Schwierigkeiten, ausreichend viele Trainer zu den vorgesehenen Zeiten zu bekommen. An der Infrastruktur haperte es gerade bei einigen ausländischen Standorten auch schon mal. Die größte Herausforderung war dabei, dass wir die meisten Mitarbeitenden binnen acht Wochen vor dem Go live schulen mussten." Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Zu lange vor dem Go live sind die Systeme noch nicht in allen Facetten startklar, und die Anwender vergessen relativ viele Informationen, wenn sie sie längere Zeit nicht anwenden können. "Aber auch das konnten wir vor allem wegen unserer hervorragenden Trainer und der Flexibilität der Mitarbeiter letztlich bewältigen", sagt Föhr mit verhaltenem Stolz.

"Für mich persönlich waren Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber allen Beteiligten das Wichtigste. Das schafft Glaubwürdigkeit, ohne die kein Change-Projekt gelingen kann". Diesen Satz würde Föhr wahrscheinlich gern anderen Change-Managern ins Stammbuch schreiben - wohl, weil es seine persönlichste Erfahrung war.

Der gelungene Change

Tipps von Projektleiter Florian Föhr

  • Beginn möglichst weit vor dem geplanten Go live

  • frühe Einbindung des Managements

  • verantwortungsvolles Erwartungs-Management

  • Transparenz über Ziele und Auswirkungen des Gesamtprojekts für alle Beteiligten

  • Vorteile für die Betroffenen herausarbeiten und Unumkehrbarkeit der angestrebten Veränderung betonen

  • ehrliche und offene Kommunikation

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