Deutschland gehen die Ideen aus

Kennen Sie die vier Innovationsbremsen?

23.01.2011
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Innovationsbremse 2: die Regelwut

Regelfreie Zonen sind in deutschen Unternehmen nahezu unbekannt. Wer Ideen hat, soll sie gefälligst in den dafür vorgesehenen Prozess einbringen. Den Vordruck (modern: Template) ausfüllen und an die zuständigen Gremien weiterleiten, die dann über den Vorschlag beraten. In vielen Unternehmen ähneln das Ideen- und Innovationsmanagement mittlerweile einem bürokratischen Monster. Es gibt genaue Vorschriften, wie Ideenformulare auszufüllen und Ideen zu begründen sind, welchen potenziellen Ertrag sie in drei Jahren bringen müssen und wie sie umzusetzen sind. Was für ein Unterschied zu Unternehmen wie 3M oder Google, in denen Mitarbeiter freie Zeit bekommen, um an eigenen neuen Ideen zu arbeiten.

Die deutsche Ideenbürokratie übersieht einen wichtigen Punkt: Ideen kommen nicht als fertiges iPhone auf die Welt. Sie müssen entwickelt, von verschiedenen Seiten betrachtet und in unterschiedlichen Versionen immer wieder getestet werden, bevor sie eine Marktreife erlangen. In dieser Zeit brauchen sie etwas, was im Tierreich den Namen "Welpenschutz" trägt: einen geschützten Raum, in dem sie in Ruhe reifen können.

Das Innovationsmanagement zahlreicher deutscher Unternehmen sieht genau das nicht vor. Statt Ideen kreativ zu entwickeln, werden Excel-Tabellen ausgefüllt - mit etwas, das in Fachkreisen "Voodoo-Business-Plan" genannt wird: den Finger in die Luft halten und raten, welchen Umsatz ein neues Produkt wohl in drei Jahren bringen könnte. Der Realitätsgehalt dieser Businesspläne ist oft ähnlich hoch wie der von Grimms Märchen - ein Grund, warum Google Ideen oft auf den Markt bringt, ohne ein konkretes Businesskonzept zu haben. Google vertraut darauf, dass für Ideen, die sich bewähren, mit Sicherheit ein neues Geschäftsmodell entwickelt werden wird.