Personalinformationssystem bei der Oberfinanzdirektion Freiburg(OFD):

Keine Zwangsbeglückung durch die EDV

10.12.1982

Während Betriebsräte und Gewerkschaften mancherorts Sturm zum Beispiel gegen "Paisy" laufen, realisieren Behörden sehr wohl elektronische Personalinformationssysteme, mit Absegnung durch den Personalrat und öffentliche Datenschützer. Seit einiger Zeit wird die Personalsachbearbeitung in der Oberfinanzdirektion Freiburg per Computer unterstützt. Initiator und Projektleiter war Regierungsdirektor Gero Weber, Organisationsreferent bei der OFD und von Hause aus Jurist. Er ersann die Mittel und Wege für eine "untadelige" Automatisierung. Er postitulierte auch den Leitgedanken: Keine Zwangsbeglückung der Sachbearbeiter durch die EDV!"

Die Hauptprobleme bei der Einführung von DV-Anwendungen sieht Weber nach wie vor in der falschen Reihenfolge des Vorgehens: Nicht die DV-Abteilungen haben Lösungen zu offerieren oder auch nach ihrem Gusto auszutüfteln; die Fachabteilungen müssen definieren und bestimmen, wie sie die EDV nutzen wollen.

1977 entstand die Idee, die Personalsachbearbeitung zu automatisieren. Denn, so Weber, "die schlichte Anschauung, wie da gearbeitet wird, weckt bürokratische Ängste ".

Ein Beispiel: Die Daten eines neuen Beamtenanwärters müssen in ca. 10 verschiedene Übersichten eingetragen werden. Listen und Karteikarten sind die Hilfsmittel. Redundanz ist an der Tagesordnung. Doch Vollständigkeit und Fehlerfreiheit sind damit noch lange nicht garantiert.

Also wandten sich die EDV-Leute 1977 an die Personalreferate der OFD. Gemeinsam wurde begonnen, die Wünsche und Anforderungen zu definieren, mittels derer die Personalsachbearbeitung zu entwirren, zu vereinfachen und zu beschleunigen wäre.

Ziel: Programmiererlose Automaten

Die Ziele für das Automatisierte Verfahren zur Unterstützung der personalverwaltenden Stellen der OFDA, unbürokratisch UPS genannt, wurden so formuliert: - Ersatz personeller Kartei- und Listenführung

- jederzeitige Bereitstellung eines aktuellen Datenbestandes zur Erstellung von Übersichten nach unterschiedlichen Kriterien

- Verknüpfungsmöglichkeit der Daten einzelner Bediensteter für verschiedene Anwendungen - Direkte Eingabe, Zugriff und Auswertung der Daten am Arbeitsplatz im Dialog

- Erweiterung und Änderung von Datensatz und Anwendungen nach Bedarf

- keine Änderung der Organisation und Zuständigkeiten der Personalreferate, sondern Anpassung des Systems an die bestehende Organisation.

Wie die beiden letzten Punkte nahelegen, hatte der Jurist Weber, damals noch Automationsreferent, wohl schon erste DV-Erfahrungen hinter sich. Mit Nachdruck forderte man den programmiererlosen Betrieb - und das in einer IBM/3031-Umgebung!

Man wollte in der Oberfinanzdirektion nicht in Abhängigkeit geraten von welch mächtigen Programm-Systemen auch immer, die mit großem Entwicklungsaufwand erstellt, permanente Pflege und Wartung verheißen würden, Abhängigkeit von Kapazitäten und Know-how der DV-Abteilung verursachen und die Flexibilität der Anwender begrenzen würden. Betrieb und Pflege des Verfahrens sollten bei den Sachbearbeitern selbst liegen.

Erste Voraussetzung: Relationale Datenbank

In Industrie und öffentlicher Verwaltung wurden Datenbankinstallationen für die Personalsachbearbeitung begutachtet. Die Projektgruppe, mit Sachbearbeitern aus den Personalreferaten und der DV-Abteilung der OFD, inspizierten Einsätze mit IMS, Ramis, Adabas und dem DB-System der Datenzentrale Baden-Württemberg namens Linda.

Man entschied sich für Adabas von der Software AG in Darmstadt.

Statt der Programme brauchte die OFD nun noch eine "mächtige, für den Nicht-DV-Fachmann leicht erfernbare Anwendersprache, die alle für die Bearbeitung notwendigen Instruktionen ohne Programmiererhilfe ermöglicht". Das Instrument dafür fand man in "Natural".

Vor Erprobung und endgültiger Installation standen jedoch Hürden. Die Datenzentrale Baden-Württemberg beurteilte die Lösungsidee zunächst als zu komfortabel für den spezifischen Zweck der Personalverwaltung. Personalvertreter und Datenschützer klopften das UPS genannte System auf rechtliche Bedenken ab. Und der Landesrechnungshof verlangte insbesondere den Wirtschaftlichkeitsnachweis, während das Finanzministerium, einem Alleingang vorbeugend, den Einsatz auch für die beiden anderen OFDen in Stuttgart und Karlsruhe forderte.

Die Forderung nach der Gesamtverantwortung für die Anwendung verpflichtete die Personalreferate zum Nachweis, daß das gewünschte System für sich allein wirtschaftlich sei.

Deshalb wurden 35 typische Vorgänge aus der Personalsachbearbeitung mitsamt ihren einzelnen Aktivitäten definiert. Dann erfaßte man die Ist-Zeiten zur Erledigung dieser Vorgänge. Und schließlich wurde in einer umfänglichen Hauptuntersuchung geprüft, ob die anzustrebenden Soll-Zeiten erreichbar seien.

Für die Mehrzahl der Vorgänge ergaben sich Einsparungen zwischen etwa 10 und 30 Minuten. In einigen Fällen ergab sich überhaupt kein Spareffekt, weil da nichts zu automatisieren ist; zum Beispiel bei der Bearbeitung von Bewerbungen.

Im Gesamtvergleich von 6970 Vorgängen wurde eine Ist-Zeit von 608 865 Minuten ermittelt.

Der Zeitanteil für die manuelle Listenführung belief sich dabei au 225 295 Minuten.

Durch die Automatisierung wurde die Gesamtzeit auf 457 775 Minute gesenkt; das entspricht einer Einsparung von 25 Prozent. Für die manuelle Listenführung verbleiben nur noch 8084 Minuten; das entsprich einer Reduktion um 96,4 Prozent.

Auch die minutiöse Gegenrechnung über Investitions- und laufend Betriebskosten führte zu dem Ergebnis, daß sich diese Lösung unter dem Strich für die OFD auszahle.

Freilich hatte das Projektteam auch Hürden zu nehmen. Personalvertretung und Datenschützer wurden jedoch fairerweise von Anfang an in die Überlegungen einbezogen.

Deshalb konnten letztlich alle strittigen Fragen einvernehmlich abgehakt werden, so zum Beispiel

- die Art und der Umfang der Daten, die für die erforderlichen Auswertungen und Personalplanungen gespeichert werden müssen,

- das Nebeneinander von Personalakten als allein rechtsverbindlich Beurteilungsgrundlage und der neuen Personaldatendateien,

- die Dateitrennung mit eingeschränktem Datenzugriff für die Personalreferate gemäß ihrer Zuständigkeiten,

- die Benachrichtigung der Bediensteten über die Art der Date die über sie gespeichert sind.

Einig wurde man sich auch über folgenden Punkt, den Baden-Würtembergs Landesdatenschutzbeauftragte Frau Dr. Leuze aufgeworfe hatte: Das Finanzministerium hat als vorgesetzte Dienstbehörde weder unbeschränkten noch direkten Zugriff auf die Daten. Vielmehr stell die OFD Auskünfte, an denen ein berechtigtes Interesse besteht, fallweise zur Verfügung.

Diese Maßnahme verhindert de Mißbrauch des elektronischen Informationssystems zum Zwecke eine Verkürzung der Entscheidungshierarchie.

DV-Pfründe In Gefahr

Auch das UPS der OFD Freiburg steht dafür, daß Automation in der Personalverwaltung und -planung sinnvoll ist, alle technischen Möglichkeiten für den Datenschutz gegeben sind und es ausschließlich am Willen der Beteiligten liegt, dem Mißbrauch einen Riegel vorzuschieben. Drei Binsenweisheiten in einem Satz.

Neu dagegen ist die Beurteilung von DB-Systemen nach einem anwendungsspezifischen Einzelfall. Bislang bewertete man ein DBS nach seinen Rationalisierungsleistung im Rahmen der vorhandenen DV-Verfahren - fraglos eine Kompetenz der DV-Abteilungen.

Im Zusammenhang mit einem für DV-Laien verständlichen Datenkommunikationssystem jedoch sieht Weber im Instrument der Datenbank den besseren, weil wirtschaftlichen Ersatz der Progammierung und der Sachzwänge, der es zusätzlich gestattet, die Systemverantwortung in die Fachabteilungen zu verlagern.

Unsere "Eliten der Automation" werden sich fragen müssen, ob diesen Rollenwechsel akzeptiere ob sie auf diesem Wege mehr eine breite DV-Akzeptanz und mehr für eine wirtschaftliche DV tun können; und ob sie sich eventuell mit der Rolle bescheiden, verzierter Zuarbeiter in Automationsfragen zu sein, wie es die DV-Mitarbeiter der OFD Freiburg, des Finanzministerium und der Datenzentrale Baden-Würtemberg im Falle des UPS beispielhaft vorexerziert haben.