Keine Wettbewerbsvorteile mit Ex- und Hopp-Methoden Organisierte DV-Profis fordern breite Qualifizierungsoffensive

27.04.1995

MUENCHEN (CW) - Gewerkschafter und andere Arbeitnehmervertreter fordern zum ersten Mal gemeinsam eine Qualifizierungsoffensive fuer DV-Spezialisten. Sie werfen den Unternehmen vor, dass sie zuwenig und falsch in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter investieren.

"Ausbilden statt entlassen" sollte die Devise der Arbeitgeber sein, meinen die Vertreter der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG), der Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV), der IG Metall sowie des Netzwerkes Arbeitswelt Informatik (NAI) in einer gemeinsamen Erklaerung.

Die Arbeitnehmervertreter kritiseren, dass die Firmen nach der Ex- und Hopp-Methode handelten, indem sie die Qualifikation der Beschaeftigten solange nutzen, wie sie verwertbar sei, um sich dann wieder von ihnen zu trennen. Das sei teuer und bringe Unruhe in die Betriebe.

Die Entwicklung in der Datenverarbeitung muesse "endlich auch in innerbetrieblichen Qualifizierungskonzepten ihren Niederschlag finden", heisst es in dem Papier. Durch neue Techniken wie Objektorientierung wuerden die klassischen Programmiertaetigkeiten immer weniger nachgefragt. Da im Alltag der DV-Experten immer mehr Kundennaehe und -service gefordert seien, benoetigten die Beschaeftigten soziale Kompetenzen und Prozesskenntnisse. Kommunikations-, Kooperations- und Konflikttraining gehoerten vermehrt in Kurse fuer Computerprofis.

Die Arbeitnehmerorganisationen fordern die Firmen auf, in einen "zielgerichteten Dialog ueber die Entwicklung von Qualifikationskonzepten - auch fuer kleinere und mittlere Unternehmen - einzutreten". Die systematische Weiterbildung sichere den Unternehmen deutliche Wettbewerbsvorteile.

Das Besondere an dieser Erklaerung besteht auch darin, dass sich die Vertreter dreier Gewerkschaften sowie eines unabhaengigen Informatikerverbandes zum ersten Mal zu gemeinsamen Forderungen durchgerungen haben. Noch immer beaeugen sich DAG, IG Metall und HBV misstrauisch und konkurrieren um Mitglieder. Frueher war die IG Metall vor allem bei den Hardwareherstellern aktiv, waehrend die Softwarefirmen eine Domaene von HBV und DAG waren. Da sich nun viele Hersteller als Systemintegratoren bezeichnen, tummeln sich - vereinfacht gesagt - alle Gewerkschaften bei allen Unternehmen. Dass bei dieser Konstellation Konflikte nicht ausbleiben - wie das Beispiel IBM-Tarifvertrag gezeigt hat -, ist naheliegend.