Statt Telex mit Bildschirmtext im Transportsektor:

Keine weißen Flecken auf der Fernseh-Karte

05.12.1980

Der Testmarkt "Bildschirmtext" ist erst einige Monate alt. Trotzdem beschäftigt man sich in vielen Wirtschaftsbereichen überraschend stark mit den künftigen Verwendungsmöglichkeiten dieses Kommunikationssystems. Das System "Bildschirmtext" (Btx) nimmt immer mehr die Züge einer klassischen Datenverarbeitung an, obwohl deren Leistungsfähigkeit zumindest zur Zeit und in den nächsten Jahren nicht erreicht werden kann. Wo könnte Bildschirmtext im Transportmarkt verwendet werden?

"Bildschirmtext" ist als Marktkommunikationstechnik geplant. Er soll flächendeckend realisiert werden und ohne große Vorweginvestition in Technik und Know-how realisierbar sein. Nach Freigabe des Service "Bildschirmtext" durch die Deutsche Bundespost kann man global sagen, daß in der Bundesrepublik jeder Ort oder, genauer gesagt, jede Adresse zu erreichen ist. Fernseher sind preiswert und mobil einsetzbar, Telefonanschlüsse fast überall vorhanden oder leicht installierbar. Von dieser Seite her braucht man nicht mehr von weißen Flecken im Distributionskonzept zu sprechen.

Der Service "Bildschirmtext" ist die sichtbarste und eigentlich auch ausdruckstärkste Form der Integration zwischen Nachrichten- und Computertechnik. Dieser Integrations-Gesichtspunkt muß erkannt werden, dazumindest in der 2. Stufe der Realisierung - Informationsflüsse und Informationsverarbeitungen unter Einschaltung eines Dienstleistungsrechners ohne Problematik möglich sind. Die datentechnologische Voraussetzung gibt des Stichwort "Datenpaket-Vermittlungsdienst ".

Dem Service "Bildschirmtext" wird künftig nichts Elitärisch-Organisatorisches anhängen. Er verlangt weder größere organisatorische Vorbildung noch spezifische EDV-Kenntnisse. Das System ist für den Informationsempfänger ebenso wie für den Informationsanbieter leicht zugänglich. Das System ist leicht bedienbar, und es gibt - so sehen die vorläufigen Gebührenordnungen aus - keine hohen Grundgebühren, die sich als Eintrittssperre herauskristallisieren könnten.

Computerisierung von Btx

Die Ausweitung des ursprünglich so einfachen Informationssystems "Btx" zum echten Datenverarbeitungssystem geht über zwei Ebenen: Der erste Aspekt ist der Rechnerverbund. Über die Schnittstelle X.25 werden "die normalen Rechner" in den Unternehmen mit der Bildschirmtextleitzentrale der Bundespost verbunden. Dieses bedeutet, daß sie vom Terminal-Fernseher aus sich über das Telefon zur Bildschirmtextzentrale wählen und von dort aus über die X.25 in den Verarbeitungscomputer geschaltet werden. Anwendungstechnisch bedeutet dies, daß sie dort jegliche Datenverarbeitung ausführen können. Beispiele gibt es im Testmarkt bereits für Bestellungen ebenso wie für Buchungen im Reisesektor. Dieser Rechnerverbund ist weltweit ein neuer Aspekt für alle Kommunikationssysteme auf der Basis "Bildschirmtext".

Der zweite Ansatz zur Aufrüstung von "Btx" zum Datenverarbeitungssystem kommt über die Peripherie des Fernsehgerätes. Bereits heute sind Diskettenstationen anschließbar, die für die Eingabe ebenso genommen werden können wie für die Zwischenspeicherung von Informationskomplexen. Ein weiterer Schritt, der bereits realisiert ist, ist der Anschluß von Druckern für die Ausgabe von Hardcopies. Darüber hinaus gibt es bereits Ansätze für die grafische Datenverarbeitung.

Diese Entwicklungen sind erst in den letzten Wochen vorgestellt worden. Mit Sicherheit ist zu erwarten, daß sie in den nächsten Monaten sehr stark vorangetrieben wird.

Für den Anwender bedeutet dies, daß das ehemalige "nackte" Kommunikationssystem fast problemlos sich selbst in ein Datenverarbeitungssystem überführt.

Keine Massendaten

Der Übergang von der Kommunikation zur Datenverarbeitung kann aber nicht bedeuten, daß die bisherigen DV-Konzepte in Frage gestellt werden. Es gibt schon einige Merkmale die das System "Btx" von den bisherigen DV-Konzepten unterscheiden. Das oftmals zitierte Merkmal - einerseits eine Fernsehstation, andererseits ein klassisches Terminal - ist nicht mehr zutreffend, da die normalen Fernsehstationen sich zu sogenannten Büro-Terminals entwickelt haben ohne den Zusatzteil Fernsehen.

Mit Sicherheit kann "Btx" dort nicht eingesetzt werden, wo es um Massenverarbeitung geht. Hierzu ist das System bisher nicht leistungsfähig genug. Bei genauer Betrachtung jedoch gibt es eigentlich nur wenige Bereiche, die innerhalb bestimmter Zeiten Massendaten erfaßt und verarbeitet haben müssen. Wenn man sich von dieser Einschränkung ein wenig löst, so können gedanklich Einsatzfälle durchspielt werden wie das Führen von zentralen Auskunftstellen für LKW-Kapazitäten, Frachttarifen, Dispositionen über Fahrzeuge, Vorbuchung von Frachten und Dienstanweisungen an das fahrende Personal.

Daß zentrale Auskunfteien eingerichtet werden könnten, die von allen entsprechenden Teilnehmern anwählbar wären, beweist bereits der Testmarkt. Luftverkehrsgesellschaften geben ihre Flugpreise und Zeittabellen auf. In Analogie zu den ständig aktuell geführten Börsennachrichten kann gesagt werden, daß jeweilige Tagesdispositionen über Verkehrshilfsmittel wie LKW, Container oder Paletten getroffen und bekanntgegeben werden können. Vorbuchungen für Container-Transporte über Exporthäfen in Schiffsräume hinein sind ohne weiteres denkbar. Da parallel zu der Datenkommunikation telefoniert werden kann, ist so etwas wie ein Konferenz-Gespräch realisierbar. Über den Rechnerverbund und die Computerperipherie am Fernsehterminal ist es künftig ebenfalls möglich, die Übertragung von Fakten und Daten mit Text zu kombinieren. Hier tauchen Begriffe auf wie Message-Switching-Center oder auch Information-Distribution-Center. Als Beispiel hierzu sei gesagt, daß bei plötzlich auftretenden Hemmnissen, wie Verkehrssperrungen oder Streiks, die Betroffenen sofort aktuell und uneingeschränkt sich informieren können - wenn eine Informationszentrale zur Verfügung steht.

Da die grafische Datenverarbeitung über "Btx" keine Utopie mehr ist, lassen sich selbstverständlich Gespräche und Abstimmungen hinsichtlich Reparaturen bildnerisch durchführen. Bei Einbeziehung der grafischen Daten- und der Textverarbeitung muß man sehr schnell zu der Erkenntnis kommen, daß das ehemalige Kommunikationsmittel "Bildschirmtext" eigentlich für die Praktiker und Anwender in einem weitaus höheren Maße und in eleganterer Art und Weise die Tagesgeschäfte und Diskussionen stützen kann.

Zu all diesen Überlegungen gibt es im Ausland zur Zeit noch kein Vorbild. Die ausländischen Systeme basieren auf einem hierarchisch aufgebauten Netz und haben bisher nicht den Rechnerverbund realisiert. Dieser wiederum bringt aber erst die Flexibilität und die sehr große Einsatzmöglichkeit des Kommunikationssystems "Btx".

Ein Vergleich mit dem im Transportbereich so stark gebrauchten Kommunikationssystem Telex fällt künftig eindeutig für "Btx" aus. All das, was Telex kann, eben die Übertragung von alphanumerischen Informationen kann "Btx" auch - und "Btx" kann mehr:

- die Zuführung von Informationen zu einer Speicher- und Verarbeitungsanlage

- die farbige Ausgabe auf dem Display

- den geschickten Aufbau von Informationsoutput auf der Basis von segmentierten Textkonserven

Auch wenn der traditionelle Telexverkehr letzten Endes einmündet in das, was unter dem Stichwort "Bürokommunikation" läuft, wird "Btx" daneben einen eigenständigen Einsatzbereich bewahren.

Bei der heute gegebenen Entwicklungsgeschwindigkeit dieses Systems und den bereits im Testmarkt vorliegenden Erkenntnissen ist es nicht zu viel gesagt, daß sich die Unternehmen im Transportmarkt bereits intensiv mit diesem Medium beschäftigen sollten. Obwohl der letztendliche Entscheid der Deutschen Bundespost über Einführungszeitpunkt nicht gefällt ist, erwartet eigentlich niemand mehr eine Rückgängigmachung der bisherigen Entwicklungsstufen .

- Peter Sass ist Geschäftsführer des IFU-Institut für Unternehmensberatung GmbH & Co., Hamburg.