Innovator und Entrepreneur in der IT

Keine Verwalter, sondern Vordenker sind gefragt

21.01.2013
Von 
Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist u.a. Autor des "Change Management Handbuch" und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-Provence und der Technischen Universität Clausthal.
Alle Welt redet von Innovation. Sie gilt als Schlüssel zum langfristigen Unternehmenserfolg. Doch was steckt eigentlich dahinter? Und wann ist ein Manager ein Innovator oder Entrepreneur?
Foto: leedsn _shutterstock.com

Jedes Unternehmen ist heute innovativ und bereit, neue Wege zu gehen. Zumindest gehört diese Behauptung zum festen Rede-Repertoire nahezu jeden Geschäftsführers. Und blickt man in die Stellenanzeigen in Zeitungen und Web, dann stellt man fest: Kreativ und flexibel zu sein ist eine Standardanforderung an die Mitarbeiter. Doch sind Unternehmen wirklich so innovativ, wie sie sich gerne präsentieren? Manche Klein- und Mittelunternehmen ja. Bei Großunternehmen stellt man aber oft fest: Die Innovation beschränkt sich weitgehend darauf, das Bestehende zu optimieren.

Kreativität versus Innovation

Während Kreativität die geistige Fähigkeit bezeichnet, neue Ideen und Designs zu entwerfen, ist Innovation eher ein Schaffensprozess, bei dem aus neuen Ideen brauchbare Lösungen entwickelt werden. Kreativität kann zielorientiert sein, Innovation hingegen ist es immer. Das heißt: Bei der Innovation geht es darum, definierte Ziele zu erreichen, und hieran wird auch die Qualität der Ideen und Problemlösungen gemessen.

Es ist die Fähigkeit und Bereitschaft zur Innovation, die über den unternehmerischen Erfolg entscheidet, sagt Dr. Georg Kraus.
Es ist die Fähigkeit und Bereitschaft zur Innovation, die über den unternehmerischen Erfolg entscheidet, sagt Dr. Georg Kraus.
Foto: Dr. Georg Kraus, Bruchsal

Dieses Denken hatten fast alle großen Erfinder verinnerlicht. So lautete zum Beispiel eine Maxime von Thomas Edison, der unter anderem die Glühbirne erfand: "Was sich nicht verkaufen lässt, das will ich nicht erfinden." In der betrieblichen Alltagssprache wird oft jede Verbesserung im Rahmen des Bestehenden und bisher Gedachten als Innovation bezeichnet. Bei echten Innovationen werden Aufgaben oder Probleme jedoch ganz anders als bisher gelöst. Es wird ein sogenannter Musterwechsel vollzogen, der statt einer partiellen Verbesserung einen "Quantensprung" ermöglicht.

Ein solcher Musterwechsel war im Leistungssport etwa beim Skispringen zu beobachten, wo 1986 vom Parallel- zum V-Stil umgeschwenkt wurde. Damit konnten Skispringer viel größere Weiten erzielen. Ein ähnliches Beispiel findet sich im Hochsprung, wo vom Straddle zum Fosbury-Flop gewechselt wurde. Im wirtschaftlichen Kontext stellte zum Beispiel der Vertrieb von Büchern oder Musik via Internet einen Musterwechsel dar. Dasselbe gilt für das Fernablesen von Stromzählerdaten.

Die Basis für echte Innovationen im Wirtschaftsleben sind meist Technologieschübe, die so fundamental sind, dass sich die Paradigmen wirtschaftlichen und manchmal auch gesellschaftlichen Lebens radikal verändern. Ein solcher Paradigmenwechsel war der Siegeszug der Informationstechnologie, die mit dem PC, dem Mobilfunk, dem Internet sowie mit Social Media das wirtschaftliche und das gesellschaftliche Leben revolutioniert haben oder es noch tun.

Was lähmt Innovation?

Das größte Hindernis auf dem Weg zu Innovationen sind die menschlichen Ängste. Dabei gilt es zwischen psychologischen, organisatorischen und kulturell-gesellschaftlichen Barrieren zu unterscheiden. Die größte psychologisch-mentale Schranke ist die Angst zu versagen. Wer Neues wagt und damit scheitert, wird schnell als Phantast, Pleitier oder Cash Burner gebrandmarkt. Das hält viele Menschen, aber auch Organisationen davon ab, ausgetretene Pfade zu verlassen und radikal Neues zu denken.

Innovationsprozesse lassen sich von oben nicht so leicht steuern wie etablierte Geschäftsprozesse. Sie sind mit Unwägbarkeiten verknüpft. Hinzu kommt: Bei jedem Innovationsprozess muss auch das Tal der Tränen durchschritten werden. Der Output kann zudem zeitweilig sinken. Das veranlasst viele Personen und Organisationen, lieber das Bestehende zu optimieren, weil sie die Prozesse beherrschen und kontrollieren können.

Auch die Angst vor Macht- und Kompetenzverlust kann den Fortschritt bremsen. Innovation bedeutet, Neuland zu betreten. Gewohnte Denk- und Verhaltensmuster müssen hinterfragt und teilweise über Bord geworfen werden. Das Erfahrungswissen, auf das die "alten Hasen" - auch in der Unternehmensführung - stolz sind, verliert an Wert. Das macht vielen Mitarbeitern, aber auch Führungskräften Angst.

Organisatorische Barrieren entstehen, indem sich die vorgenannten psychologischen Hemmnisse niederschlagen. Aus Angst vor Kontrollverlust verzögern Mitarbeiter Freigabe- und Genehmigungsverfahren und behindern Planungs- und Budgetprozesse. Auch das Kompetenzgerangel, das oft in Zusammenhang mit Innovationsprozessen entsteht, ist auf die Angst vor Machtverlust zurückzuführen.

Unternehmen reagieren darauf nicht selten, indem sie Innovation in ähnlich starr definierte Prozesse gießen wie das operative Tagesgeschäft. Sie wollen Innovation mit Kaskoschutz. Statt Experimente zu wagen, die natürlich die Gefahr des Scheiterns beinhalten, versuchen sie, Innovation mit Zahlen, Studien, Marktanalysen etc. abzusichern. Das funktioniert nur bedingt, denn Innovation bedeutet Neuland zu betreten. Zahlen spiegeln nur die Vergangenheit wider.

Eine Voraussetzung für Innovation ist eine Kultur, die Fehlversuche und gegebenenfalls auch ein Scheitern erlaubt. In der Organisation muss ein Geist herrschen, wie er in folgender Anekdote über Edison zum Ausdruck kommt, der fast 9000 Versuche unternahm, bis die Glühbirne marktreif war. Als nach ungefähr dem tausendsten Versuch ein Mitarbeiter zu Edison sagte "Wir sind gescheitert", erwiderte er: "Ich bin nicht gescheitert. Ich kenne jetzt 1000 Wege, wie man eine Glühbirne nicht baut."

Mit schwerfälligen Innovationsprozessen, die klaren Regeln und definierten Abläufen folgen, lassen sich zwar Verbesserungen erzielen, aber keine echten Innovationen. Diese erfordern andere Managementkonzepte.