Keine starre Planung

20.06.1975

Es gilt zu lernen, daß es in der Branche immer noch immer wieder technologische Überraschungen gibt, die ganze Konzepte schlagartig umschmeißen.

Die Konsequenz: Langfristplanung ist zwar nötig, sie reflektiert jedoch stets nur den jeweiligen Stand der Technik, ist also mit erheblicher Unsicherheit behaftet. Mittelfristplanung muß sein, schon wegen der damit verbundenen Möglichkeiten für Kosteneinsparungen durch entsprechend lange Bindung, sie sollte aber auf unterschiedliche Zeiträume abstellen, je nachdem, ob es sich um Bereiche neuer Technologien handelt (etwa Datenstationen) oder um Gebiete, wo sich die Entwicklung eher abschätzen laßt (etwa Zentraleinheiten).

Der "Wand" kommt

Vorletztes bedeutendes Beispiel für Planungsunsicherheit: Das Vordringen des Konzeptes dezentraler Intelligenz, verbunden mit dem außergewöhnlichen Preisverfall für Minicomputer. So mancher mußte umdenken.

Das jüngste Beispiel: Der "Wand". Dieser auch "Handleser" oder "Lesepistole" genannte Mini-Belegleser von Recognition Equipment war plötzlich da und zu einem Preis verfügbar, der schlagartig so manche Planung in Frage stellte.

Ein Wand-Leser mit Erkennungslogik kostet heute im Einzelkauf um 12 000 Mark, große Mengen können für 5000 Mark bezogen werden, 10 000 Stück gibt es für je 2000 Mark. Diebold-Geschäftsführer Günther Leue sagte auf dem Europäischen OCR-Kongreß in Frankfurt voraus, in einigen Jahren würde ein Wand in der Preisbandbreite von 1000 bis 2500 Mark zu haben sein. Alle Konzepte der Artikelnumerierung für Points of Sales-Terminals sind möglicherweise technologisch überholt. NCR und Singer, hierzulande auch Nixdorf, Kienzle und Siemens bieten bereits den OEM-Wand in Kassenterminals an.

Grundsatzfragen an ein Konzept

Ein weiteres Beispiel: Der neue Versichertenausweis für die Sozialversicherung (siehe Seite 1) soll selbstverständlich eine geprägte Zeile zum Übertragen von OCR-B-Zahlen auf Formulare haben. Man hat nun schlagartig den Aufbau der geplanten Plastikkarte geändert und wird eine vom Hand- OCR-Leser erfaßbare, nicht geprägte Codierzeile hinzufügen. Kaum zu glauben, daß die Behörden so flexibel sind.

Ministerialdirigent Paul Winkler vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung drückte sich beim Frankfurter OCR-Kongreß bewußt vorsichtig aus: "Ob der Handleser auch in der Lage sein wird, das heute noch ausschließlich vertretene Konzept der Datenerfassung mittels großer Beleglesemaschinen zu verdrängen, halte ich für durchaus überlegenswert. Diese Neuentwicklung gestattet ja ein dezentrales maschinelles Lesen - damit wäre eine gemischte Erfassung doch zumindest in den Bereich des Möglichen gerückt, bei der etwa beim Apotheker die codierten Angaben des Rezepts mit einem Handleser erfaßt und die restlichen Daten auf der Registrierkasse hinzugegeben werden, um zusammen mit der Apotheken-Nummer im Vorsatz auf einer kleinen Magnetband-Kassette fertig für die sichere EDV-Verarbeitung gespeichert zu werden."

Welche Überraschungen kommen als nächtes? Werden die Anwender dann bereit sein, ihre liebgewordenen Pläne zu revidieren? Ist man denn flexibel genug, um sich möglichst kostengünstig anpassen zu können?

Testfrage Wer wurde eine laufende Anwendungs-Entwicklung verschrotten, wenn es morgen das geeignete Standard-Software-Paket für diese Problemstellung gibt?