Hirnforscher Hüther im Interview

Keine Leistung ohne Vertrauen

02.10.2010
Von 
Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.

Der Chef sollte ein Vorbild sein

CW: Um eine Kultur des Vertrauens scheinen sich aber die wenigsten Firmen zu bemühen.

HÜTHER: Bisher haben sich die Unternehmen nur darum gekümmert, dass die Arbeitskraft ihrer Mitarbeiter erhalten bleibt. Deshalb gibt es Betriebskantinen mit zum Teil sehr ausgewogener Nahrung für das Verdauungssystem. Inzwischen kommt es aber weniger auf die Muskelkraft der Mitarbeiter, sondern auf ihre Motivation, ihre Lust am Gestalten, ihre Begeisterung am Mitdenken an. All das sind psychische oder psychoemotionale Kräfte. Und die müssen eben künftig auch entsprechend "genährt" werden: Durch Wertschätzung, durch das Übertragen eigener Verantwortung, durch erkennbare Strukturen und klare Entscheidungen, durch die Einladung zum Mitwirken und Mitdenken - also durch vertrauensstärkende Maßnahmen.

CW: Welche Rolle fällt dabei den Führungskräften zu?

HÜTHER: "Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken", heißt ein norddeutsches Sprichwort. Deshalb müssen wohl in erster Linie andere Köpfe in die Führungsetagen: teamfähige, umsichtige, sozial kompetente oder ganz einfach - vorbildliche. Eine sehr praktische und sinnvolle Maßnahme wäre es, die bisherigen Personalverwaltungen und Personalleiter zu internen Coaches, zu Beratern, Konfliktlösern und Unterstützern der Belegschaft zu machen. Die alten hierarchischen Strukturen müssten in Partnerschaften umgewandelt werden. Dann könnte auch das Vertrauen wieder wachsen.

CW: Welche Möglichkeiten gibt es, um psychosoziale Kompetenzen bei Mitarbeitern zu messen? Wie aussagekräftig sind diese Instrumente?

HÜTHER: Wie gut ein Mitarbeiter in der Lage ist, mit anderen zusammenzuarbeiten, sie zu motivieren und zu begeistern, zeigt sich meist erst in der Praxis. Das ist nur schwer vorher messbar. Was sich allerdings recht gut bestimmen lässt, ist die Fähigkeit, Probleme zu erkennen, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren, Frustrationen auszuhalten und seine Impulse zu kontrollieren. Wir verwenden hierzu ein computergestützte Testverfahren, den so genannten Wuk-Test, der speziell für Schüler und Jugendliche entwickelt wurde.