Munich Re hat seine IT aufgeräumt

Keine Inspiration ohne Transpiration

14.01.2015
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Workflow und Collaboration

Zu den ersten Systemen, die vereinheitlicht wurden, zählten - nach den SAP-Anwendungen - die Workflow- und Collaboration-Werkzeuge. Zentraler Bestandteil der Gesamtlösung ist das "Business Network", wie es bei Munich Re heißt. Es basiert auf der Standardsoftware Telligent und ist eng mit Microsoft Sharepoint integriert. Von einer "Social Software" will Janßen in diesem Zusammenhang ausdrücklich nicht sprechen. Das klinge in seinen Ohren zu sehr nach "Quatscher-Software".

Das interne Netzwerk soll eine weltweite, effiziente und qualitätsgesicherte Kommunikation innerhalb geografisch verteilter Teams ermöglichen. "Den normalen E-Mail-Verkehr wird es sicher so bald nicht ersetzen, aber dafür die ganzen unnötigen Cc", so die Einschätzung des CIO. Das Business Network ist mit dem Betriebsrat abgestimmt und bereits "live".

Ebenfalls auf einem Microsoft-Produkt basiert das Customer-Relationship-Management-(CRM-)System, auf das sich die Gruppe geeinigt hat. Statt eines "Monsterpakets", wie SAP oder Oracle es anböten, verwendet Janßen lieber die CRM-Komponente des gern als Mittelstandssoftware bezeichneten ERP-Programms Microsoft Dynamics.

In einer Rückversicherung hielten sich die direkten Kundenkontakte eigentlich in einem recht engen Rahmen, räumt der CIO ein. Aber ganz darauf verzichten könne man eben auch nicht: "Viele Kunden kommen über verschiedenste Schnittstellen zu uns", erläutert er, "sie haben, global verteilt, unterschiedliche Tochtergesellschaften, die sich auch direkt an uns wenden." Und das seien nun einmal alles Kunden mit einem "hohen Anspruchsprofil", also solche, die ganz genau wissen wollten, was Munich Re für sie und mit ihnen mache. Deshalb müsse er einen übergreifenden Plan mit Risikofeldern und Opportunities für alle Teilbereiche des Kunden bereitstellen können. Und ohne CRM gehe das nicht.

Vereinheitlicht wurden auch die Vorgehensweisen in IT-Management, -Operations und -Entwicklung. Munich Re orientiert sich hier an den gängigen Standards und Best Practices, wie sie mit COBIT, PMBOK und ITIL zur Verfügung stehen. Die Best-Practices-Sammlung ITIL mit ihrer "standardisierten Prozesswelt" beispielsweise ist laut Janßen eine Grundvoraussetzung für die Multisourcing-Strategie des Konzerns: "Die Anwendungen mögen lokal verschieden sein, aber der Prozess ist derselbe."

Rainer Janßen: "Ich will im Zusammenhang mit unserem Business Network lieber nicht von einer Social Software sprechen. Das klingt mir zu sehr nach Quatscher-Software."
Rainer Janßen: "Ich will im Zusammenhang mit unserem Business Network lieber nicht von einer Social Software sprechen. Das klingt mir zu sehr nach Quatscher-Software."
Foto: Martin Kroll

Gewinner des Global Exchange Award

Zur Unterstützung der knapp 200 internen Entwickler kooperieren Janßen und seine Mitarbeiter mit Drittanbietern und externen Teams in unterschiedlichen Ländern, vor allem in Rumänien und Indien. Die gesamte IT-Belegschaft weist einen "internationalen Anteil" von 70 Prozent auf - Tendenz steigend.

Die daraus erwachsenden kulturellen Unterschiede zu überwinden war laut Janßen eine der größten Herausforderungen im gesamten Mithras-Projekt. Er hat sie gemeistert - und wurde dafür auch mit dem diesjährigen "Global Exchange Award" im Rahmen des Wettbewerbs "CIO des Jahres" belohnt, bei dem er zudem den zweiten Platz in der Kategorie Großunternehmen belegte.

Knüppel zwischen die Beine hätten ihm in diesem Zusammenhang die geltenden Gesetze und Bestimmungen geworfen, konstatiert der Munich-Re-CIO. Partner außerhalb des europäischen Wirtschaftsraums gälten den Behörden per se als gefährlich für die Datensicherheit.

IT kennt keine Grenzen

"Wenn der europäische Gesetzgeber gerade Indien, das Land mit den qualifiziertesten und größten Offshore-Ressourcen, als besonders bedenklich einstuft, ist das unverständlich", wundert sich Janßen. Dabei sei doch erwiesen, dass die größte Gefahr bei Bankraub oder Datenklau von Insidern ausgehe. Oder ob jemand glaube, dass es Hacker gewesen seien, die die Steuersünder-CDs aus der Schweiz an die deutschen Finanzämter verkauft hätten?

"Wir haben ja nichts gegen strenge Sicherheitsbestimmungen", versichert Janßen, "uns stört nur, dass jedes Land glaubt, es müsse etwas anders machen als die anderen - und dass die Bösen immer nur die anderen wären." Ein internationaler Konzern könne seine IT nun einmal nicht abschotten: "IT ist global, der Ort wird zur Nebensache."

Doch Janßen wäre nicht er selbst, wenn er nicht auch für derartige Probleme eine Lösung fände. Wo nötig, werden also lokale Instanzen der Anwendungen oder Daten gehalten. Aber wie der CIO einräumt, beginnt die Sache, "in Summe ein echter Kostenfaktor" zu werden.

Vom Start weg amortisiert

Alles in allem hat sich der Aufwand aber augenscheinlich gelohnt: Das Vorhaben zahlt sich nicht nur durch mehr Transparenz und weniger Abstimmungsaufwand aus, sondern auch in Euro und Cent. Es hat sich quasi vom Start weg amortisiert: Ab dem kommenden Jahr soll es 26,3 Millionen Euro per annum einsparen. Genau genommen, habe sich der Kapitaleinsatz - aufgrund der Konsolidierungseffekte - bereits im vergangenen Jahr ausgezahlt, beteuert Janßen.