Schlimmer kann es kaum mehr kommen

Keine Entwarnung für die IT-Branche

02.08.2002
MÜNCHEN (CW) - Gemessen an den jüngsten Quartalsberichten sieht es weiterhin düster aus für die IT-Industrie. Einziger Lichtblick ist, dass mit den milliardenschweren Abschreibungen und Restrukturierungskosten, die die Bilanzen belasten, das Ende der Fahnenstange erreicht sein sollte.

Den Vogel schoss AT&T ab: satte 13,1 Milliarden Dollar Abschreibungskosten belasten die Bilanz des größten US-amerikanischen TK-Konzerns. Damit weist das Unternehmen einen Verlust von 12,1 Milliarden Dollar für das zweite Quartal aus. Im Vorjahresabschnitt lag der Verlust noch bei 191 Millionen Dollar.

Die gewaltigen Wertberichtigungen sind vor allem auf die neuen Bilanzierungsregeln zurückzuführen, nach denen das Unternehmen Firmenwerte aus dem Kabelfernsehbereich reduzieren musste. Doch nicht nur die Beteiligungen, auch ein Rückgang im Telefongeschäft sowohl mit Privat- als auch mit Geschäftskunden belasteten den Konzern. Einzig im Breitbandbereich stiegen die Einnahmen. Angesichts dieser Zahlen blieb AT&T-Chef Michael Armstrong wohl nichts anderes als ein Seitenhieb auf die Konkurrenz übrig.

"Flucht zur Qualität"

Dank der Unbeständigkeit einiger Mitspieler innerhalb der Telekommunikationsbranche sei er über die Ergebnisse erfreut. Es gebe ermutigende Zeichen "einer Flucht zur Qualität" unter den Geschäftskunden, ein Bereich, der immerhin die Hälfte des Umsatzes ausmacht. Armstrongs Optimismus gilt jedoch noch nicht für das laufende dritte Quartal. Hier rechnet AT&T mit einem noch stärkeren Umsatzrückgang. Dennoch glauben auch die Analysten, dass AT&T mit den bereinigten Werten das Schlimmste hinter sich hat.

Genau entgegengesetzt könnte es dem Netz- und Telekom-Ausrüster Lucent Technologies ergehen, vielleicht hat er das Schlimmste noch vor sich. Trotz massiver Umstrukturierungen bekommt der Konzern sein Ergebnis einfach nicht in den Griff. Die Folge: Bis Ende dieses Jahres sollen weitere 7000 Mitarbeiter von der Gehaltsliste verschwinden. Damit hat Lucent seit Anfang 2001 seine Belegschaft von rund 110000 auf 45000 Angestellte mehr als halbiert. Aus Sicht der Lucent-Chefin Patricia Russo hat sich die Investitionszurückhaltung der Kunden im Laufe des Jahres sogar noch verstärkt.

Für das am 30. Juni abgeschlossene dritte Geschäftsquartal muss der Konzern daher eine Halbierung seines Umsatzes auf 2,95 Milliarden Dollar und gleichzeitige Verdopplung seines Defizits auf minus 7,91 Milliarden Dollar melden. Dass Russo angesichts des neunten Quartalsminus in Folge lediglich von einer "großen Herausforderung des Marktes" spricht, versteht kaum noch jemand. Die Anleger reagierten entsprechend. Nach Bekanntgabe der Quartalsergebnisse verbilligte sich das Papier um 21 Prozent auf 1,65 Dollar. Einen Ausblick für das laufende vierte Quartal wollte Lucent gar nicht wagen.

Auch AT&T Wireless muss der anhaltenden Krise Tribut zollen. In den USA greifen deutlich weniger Kunden zum Handy, als der Mobilfunkbetreiber geplant hatte. Statt der erwarteten 550000 steigerte AT&T Wireless die Zahl seiner Kunden nur um 420000. Zwar stieg der Quartalsumsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 3,4 Milliarden auf 3,9 Milliarden Dollar, doch der Nettogewinn brach um 90 Prozent auf 24 Millionen Dollar ein.

Speicherspezialist EMC hingegen konnte durch frühzeitige und anscheinend angemessene Reaktion auf die Krise den Schaden zumindest begrenzen. Immerhin gelang es dem Konzern nach drei Quartalen mit roten Zahlen, wieder in die Gewinnzone zurückzukehren, obwohl der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um ein Drittel auf 1,39 Milliarden Dollar schrumpfte. President und CEO Joe Tucci wertete den Umsatzzuwachs in den Bereichen Information Storage Systems sowie Speichersoftware und -Services dennoch als Zeichen dafür, dass die Akzeptanz der Kunden wieder zunimmt.

Straffe Kostenkontrolle

Gleiches gilt für den Hardware- und Service-Anbieter Unisys. Das Unternehmen konnte dank eines straffen Kostenprogramms den Nettogewinn von 12,1 Millionen auf 42,2 Millionen Dollar im zweiten Quartal steigern. Der Umsatz schrumpfte jedoch um sieben Prozent auf 1,36 Milliarden Dollar, wobei das Servicegeschäft erstmals die Einnahmen aus dem Hardwaresektor überrundete. Auch Unisys'' CEO Lawrence Weinbach blieb nichts weiter als festzustellen, dass die Kunden nach wie vor große IT-Projekte verschieben - die Zahl der Neuaufträge sei im Quartal um zehn Prozent gesunken. Optimistisch gab er sich lediglich im Hinblick auf das Outsourcing-Business. Trotz intensiven Wettbewerbs seien hier die Auftragseingänge "stark".

Dass sich mit Services weiterhin Geld verdienen lässt, bewies auch IT-Dienstleister EDS. Zwar sank die Zahl der Neuabschlüsse von sieben Milliarden Dollar im Vorjahresquartal auf 6,2 Milliarden Dollar, lag jedoch über den Erwartungen der Analysten. Obwohl EDS aufgrund der Worldcom-Pleite durch Abschreibungen und Rückstellungen in Höhe von 101 Millionen Dollar belastet wurde, stieg der Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahr. (rs)

Aktuelle Quartalsergebnisse

Firma / Umsatz in Millionen Dollar Q2/2002 / Q2/2001 / Gewinn in Millionen Dollar Q2/2002 / Q2/2001

Agere / 560 / 927 / -332 / -1100

Amazon / 806 / 668 / -94 / -168

AOL Time Warner / 10570 / 9200 / 394 / -734

AT&T / 12100 / 13300 / -12700 / 191

AT&T Wireless / 3910 / 3380 / 24 / 263

Business Objects / 111 / 102 / 12 / 11

CA / 765 / 713 / -65 / -342

Check Point / 109 / 142 / 65 / 87

Corning / 896 / 1900 / -370 / -4760

Documentum / 54 / 46 / -0,5 / -14

Ebay / 266 / 142 / 54 / 25

EDS / 5500 / 5090 / 316 / 300

Epiphany / 19 / 32 / -26 / -294

Gateway / 1004 / 1500 / -58 / -21

Level 3 / 750 / 386 / -156 / -731

Lexmark / 1060 / 981 / 89 / 87

Lucent / 2950 / 5370 / -7910 / -3240

STM / 1530 / 1590 / 105 / 155

Sybase / 205 / 235 / 20 / -40

Texas Instruments / 2160 / 2040 / 95 / -197

Unisys / 1360 / 1460 / 42 / 12