Keine Entwarnung für den IT-Servicemarkt

16.09.2003
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die IT-Dienstleister rechnen noch in diesem Jahr mit mehr Umsatz, Gewinn und Auftragsbestand, sowie für das kommende Jahr mit höheren Honoraren. Doch der Markt wird sich vermutlich nur vorübergehend erholen. Die IT-Dienstleistungsbranche steht vor einem tiefgreifenden Strukturwandel.

Die Anzeichen dafür, dass sich die deutsche Wirtschaft erholt, mehren sich. Der Ifo-Geschäftsklima-Index steigt, die Unternehmenzahlen bessern sich und die Aktienkurse ziehen langsam, aber sicher an. Unter den hiesigen IT-Dienstleistern macht sich allerdings nur verhalten Optimismus breit, das zeigt eine vom Berliner Marktforschungshaus Berlecon Research betriebene Umfrage. Dazu wurden im Zeitraum Mai bis Juli 206 IT-Dienstleister befragt. In der Mehrzahl erwarten die Anbieter steigenden Umsatz, Gewinn und Auftragsbestand. Zuversichtlich sind vor allem die Systemintegratoren und Outsourcer, argwöhnisch schauen hingegen die IT-Consultants in die Zukunft. "Die Umsetzung ist mehr gefragt als die Beratung zu bahnbrechenden neuen Strategien", erläutert Thorsten Wichmann, Geschäftsführer von Berlecon Research, die Zahlen.

Kein nachhaltiges Wachstum in Sicht

Allerdings sträubt sich der Marktforscher, die Ergebnisse als eine Wendung zum Besseren zu werten, zu heterogen erscheinen ihm die Ergebnisse. Einer Vielzahl positiv gestimmter Dienstleister steht eine etwas kleinere Gruppe von Skeptikern gegenüber. Dennoch: "Es gibt ein paar Indikatoren, die auf eine Trendwende schließen lassen könnten", formuliert er vorsichtig. "Die Unternehmen erwarten beispielsweise im laufenden Jahr noch fallende, aber für 2004 wieder steigende Tagessätze."

Die von Berlecon befragten IT-Dienstleister recnen im kommenden Jahr wieder mit steigenden Honoraren. Das Niveau vom Vorjahr wird jedoch nicht erreicht.
Die von Berlecon befragten IT-Dienstleister recnen im kommenden Jahr wieder mit steigenden Honoraren. Das Niveau vom Vorjahr wird jedoch nicht erreicht.

Wenn es einen Aufschwung gibt, dann ist er nur von kurzer Dauer, das zumindest glaubt Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg und Geschäftsführer der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management und Beratung in Bonn: "Mag sein, dass der Markt anspringt, doch das wachsende Geschäft wird vornehmlich getragen durch den Nachholbedarf der Unternehmen. Vor allem kleine und mittlere IT-Dienstleister, die sich heute darüber freuen, werden morgen feststellen, dass das Geschäft wieder abflaut. Die Branche sollte das jetzige Marktniveau als dauerhaft akzeptieren."

Die Unternehmen reagieren auf die mittlerweile zwei Jahre andauernde Krise mit den bekannten Mitteln, sie versuchen, ihre Ausgaben zu reduzieren. "Die Dienstleister setzen vor allem darauf, ihre internen Prozesse schlanker zu gestalten. Zwei Drittel der Befragten sehen hier das größte Potenzial, um Kosten zu senken", schildert Wichmann. Zudem werden die hiesigen Service-Provider weiterhin ihre Pesonalstruktur anpassen, sprich Stellen abbauen: 42 Prozent der Befragten rechnen noch im laufenden Jahr mit weniger Personal, nur zwanzig Prozent wollen Mitarbeiter einstellen.

Anbieter fokussieren

Das Berliner Marktforschungshaus Berlecon Research befragte zwischen Mai und Juli 206 deutsche IT-Dienstleister nach ihren Geschäftserwartungen für das laufende Jahr. Demzufolge rechnet eine kleine Mehrheit mit Besserung bei Umsatz, Gewinn und Auftragsbestand. Nichts Gutes verheißen hingegen die Ausichten für Personalstand und Preisentwicklung (siehe Grafiken). Erst ab 2004 erwarten die Anbieter steigende Honorare bei fallender Mitarbeiterzahl.
90 Prozent der Befragten wollen die Qualitätsführerschaft anstreben, nur ein Drittel setzt auf das Kostenargument. Möglicherweise ergeben sich also Versorgungslücken im Niedrigpreissegment. Die Dienstleister suchen sich zudem ihre Kunden nicht nach Größe, sondern nach Branche aus. 58 Prozent erklärten, dass Spezialisierung nach Industrien ein bedeutenden Positionierungsmerkmal darstellt, nur eine Viertel richtet seine Aktivitäten nach Größenklassen aus. Überraschenderweise spielt das Geschäft mit mittelständischen Unternehmen und der öffentlichen Hand für die meisten Anbieter keine bedeutende Rolle. Hier haben nur die großen Dienstleister erhöhtes Interesse gezeigt.

Zukunftstauglich ist das nicht, wer auch künftig im Geschäft bleiben will, muss neue Wege finden, denn aus dem prosperierenden IT-Servicegeschäft ist ein Verdängungswettbewerb geworden. "Die wenigsten Dienstleister haben einen professionellen Vertrieb aufgebaut, verkauft wurde, indem man eingehende Anrufe angenommen hat. Die gesamte Branche hat sich Strukturen geleistet, die ausschließlich auf Wachstum ausgerichtet waren", schildert Fink, "doch das funktioniert nicht mehr." Neben hauptamtlichen Vertriebsmitarbeitern gilt es für die Dienstleister, das Marketing auszubauen und die internen betriebswirtschaftlichen Abläufe zu professionalisieren. "Wer jetzt damit beginnt, hat einen Startvorteil, denn das Gros der Branche tut seit zwei Jahren nichts", schimpft Fink.