Kolumne

"Keine denkenden Milchtüten, bitte"

08.08.1997

Allein die 57 weltgrößten Unternehmen der Informations- und Kommunikationsindustrie - ohne Software-Anbieter - haben der Fortune-500-Liste zufolge 1996 rund 1,6 Billionen Dollar umgesetzt - mehr übrigens als die 27 größten Automobilbauer, die es in der gleichen Zeit auf Einnahmen von 1,17 Billionen Dollar brachten.

Trotz dieser kaum noch vorstellbar hohen Summen leidet die IT-Industrie unter einem enormen Wachstumsdruck. Bisher konnte die Branche diesem Druck durch immer schneller aufeinanderfolgende Produktzyklen standhalten. Das Internet hat diese Verkäufe in den vergangenen drei Jahren zusätzlich angekurbelt und die Basis potentieller IT-Kunden verbreitert.

Die durch Internet und Intranet ausgelöste "Sonderkonjunktur" scheint - trotz guter Halbjahresergebnisse der meisten Anbieter - langsam an Schwung zu verlieren. Daher basteln die Branchenvorreiter am nächsten bedarfsweckenden Wunderding. Und das soll bitte kein Computer sein. Denn davon lassen sich, weil sie a) nicht jeder benötigt, und noch wichtiger, b) Normalsterbliche sie selten richtig bedienen können, nur begrenzte Stückzahlen verkaufen.

Deshalb denken einige Hersteller über "intelligente Geräte" nach, die unter Ausnutzung der bestehenden und künftigen Informationsinfrastruktur (Rechnerverbünde, Kabel, Funk, Satelliten) das Beste aus den früher getrennten Welten der Telekommunikation, des Rundfunks und der Datenverarbeitung zum Wohle des Menschen vereinen sollen. Mit Hilfe von lässig am Handgelenk getragenen Smart-Phones beispielsweise lassen sich dann Internet-Mails empfangen oder versenden, und Fernseher werden zu Internet-Stationen. Zukunftsforscher Paul Saffo spinnt dieses Szenario bis zum sensorbewährten Milchkarton. Solche Fühler geben Füllstand und Verfallsdatum via Internet (wie sonst) an das Auto des Kühlschrankinhabers weiter. Der unvermeidliche Boardcomputer des Gefährts teilt es ungefragt dem Fahrer mit - Wegbeschreibung zum nächsten Supermarkt inklusive - , sobald sein Gewicht die ebenfalls sensorbewährten Polster des Sitzes belastet. Man sieht, niemandem braucht um die Zukunft der IT-Branche bange zu sein. Solche intelligenten Geräte benötigt schließlich jeder Milchtrinker. Schade nur, daß Kleinkinder nicht Auto fahren.