Jahrelanges Tauziehen zeichnet sich ab

Kein Vergleich und keine Proteste zum Auftakt des Telekom-Prozesses

07.04.2008
In Deutschlands größtem Anlegerprozess zwischen der Deutschen Telekom und tausenden Kleinanlegern zeichnet sich ein jahrelanges Tauziehen ab.

Zum Auftakt des Musterverfahrens am Montag vor dem Oberlandesgericht Frankfurt lehnte die Telekom erneut Vergleichsvorschläge der Klägerseite ab. Das Unternehmen müsse dies schon im Sinne der rund drei Millionen nicht klagenden Aktionäre tun, erklärte ihr Anwalt Bernd-Wilhelm Schmitz. Auch der Vorsitzende Richter nannte eine friedliche Beilegung des rund 80 Millionen Euro schweren Streits zwischen mehr als 16.000 Anlegern und der Deutschen Telekom AG für "schlicht ausgeschlossen".

Die Verhandlung um den angeblich falschen Verkaufsprospekt bei der Platzierung der dritten Tranche von Telekom-Aktien im Jahr 2000 begann in einer eigens angemieteten Stadthalle mit mehr als einer Stunde Verspätung. Der Vorsitzende Richter Christian Dittrich war auf dem Weg nach Frankfurt mit dem Zug im Schnee steckengeblieben.

Doch der erwartete Besucheransturm und die befürchteten Proteste wütender Kleinanleger blieben aus. Auch von den mehr als 800 beteiligten Kanzleien waren nur wenige Anwälte erschienen. Lediglich eine Aktionärin stellte sich den Fragen der zahlreichen Berichterstatter. Die 66 Jahre alte Christa Grehler-Steier hatte im Vertrauen auf die Seriosität des früheren Staatsunternehmen für rund 3500 Euro Aktien gezeichnet, die aktuell nur noch ein Sechstel des gezahlten Preises wert sind.

Der Musterklägeranwalt Andreas Tilp scheiterte zunächst mit dem Versuch, das Gericht zu einer schnellen Entscheidung zu bringen, indem es bereits nach einem ersten entdeckten Prospektfehler entscheiden solle. Der Vorsitzende Richter Christian Dittrich erklärte hingegen, dass sein Senat den kompletten Fragenkatalog der Musterklage bearbeiten wolle. Es blieb aber offen, ob das OLG eventuell Teilbeschlüsse zu Einzelfragen treffen will.

Skeptisch zu den Erfolgsaussichten der Kläger äußerte sich die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Ihr Sprecher Jürgen Kurz wies im "rbb-Inforadio" darauf hin, dass der Kursverlauf bei der Telekom nach 2000 nicht wesentlich von dem anderer Unternehmen der Kommunikationsbranche abweiche. Es sei für die Kläger sehr schwer, Fehler in der Prospektwerbung zu beweisen, weil dies nur mit Hilfe aufwändiger Gutachten möglich sei.

Auch der Präsident des Deutschen Anlegerschutzbunds, Klaus Nieding, verlangte im "ZDF" eine Verbesserung des Anlegerschutzes: "Die rechtlichen Regeln für den Anlegerschutz müssen verbessert werden, das kommt auch dem Finanzplatz Deutschland zugute." Neben einer Fristenverlängerung müssten die Beweislast umgekehrt und Vorstände von börsennotierten Aktiengesellschaften gegenüber ihren Aktionären haftbar gemacht werden.

Im Prozess kritisierten alle Seiten das eigens für derartige Fälle geschaffene Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz (KapMuG). Richter Dittrich sagte, das Gesetz mache die Verhandlung zu einer "sehr zähen, langwierigen und umständlichen Angelegenheit". Klägeranwalt Tilp hatte bereits im Vorfeld vor einer Verhandlungsdauer von bis zu 20 Jahren gewarnt. Die ersten Klagen waren bereits vor sieben Jahren eingereicht worden.

Die Klägeranwälte verwiesen auf einen von dem Unternehmen in den USA geschlossenen Vergleich zu ähnlichen Rechtsfragen, bei dem sich die Telekom zur Zahlung von 120 Millionen US-Dollar (aktuell noch 76,5 Millionen Euro) verpflichtet hatte. Anwalt Schmitz begründete dies mit höheren Prozessrisiken für das Unternehmen im US-Rechtssystem. Es sei aber kein Prospektfehler anerkannt worden. Die Kläger wollen Einblick in die Akten aus dem US-Verfahren erzwingen. Es soll sich nach Tilps Angaben um 1,2 Millionen Seiten handeln, die unter anderem von der Bundesregierung unter Verschluss gehalten würden.

Als erster Zeuge soll in der kommenden Woche der Ex-Telekom-Chef Ron Sommer zum Erwerb des US-Mobilfunkunternehmens VoiceStream - heute T-Mobile USA - rund einen Monat nach dem Börsengang gehört werden. Ein weiterer zentraler Streitpunkt ist die Bewertung des Immobilienvermögens des Unternehmens. Die Verhandlung über Verfahrensfragen soll bereits am Dienstag fortgesetzt werden. (dpa/tc)