IBMs jüngste SAA-Ankündigung bringt Anwender nicht von ihrem Weg ab:

Kein neuer Standard vom Marktführer erwünscht

24.04.1987

MÜNCHEN (CW) - Die Anwender wollen - jetzt erst recht - mit aller Kraft offene Systeme durchsetzen. Wer ihrem Wunsch nicht entgegenkommt, muß damit rechnen, seinen Markt zu verlieren, heißt die Drohung, mit der sie Marktführer IBM und seinem möglichen SAA-Standard die Stirn bieten. Andererseits soll diese Haltung auch die Konkurrenz von Big Blue animieren, die MAP- (Manufacturing Automation Protocol) und OSI- (Open Systems Interconnection) Projekte und -Anwendungen weiter voranzutreiben.

"Mit SAA versucht Big Blue wieder einmal, seinen eigenen Markt abzuschotten. Die Softwarehäuser sollen IBM dabei unterstützen, indem sie bei der Erstellung neuer Pakete SAA berücksichtigen", so Hans Rudolf Schell, DV-Org. Leiter bei W. Schlafhorst & Co. Ferner betont er, daß der Marktführer es sehr nötig gehabt habe, in seinem eigenen Laden Ordnung zu schaffen. Denn die Systeme /36 und /38 und 370 seien nicht kompatibel. Ein Anwender, der jetzt an die Grenzen der Leistungsfähigkeit seiner Anlage gelange und auf ein größeres System umsteigen müsse, habe erhebliche Konvertierungsaufwendungen.

Das Ziel heißt eindeutig OSI

So positiv also einerseits die SAA-Ankündigung gesehen wird, ein neuer Standard sollte es nach dem Willen der Anwender dennoch nicht werden. Manfred Urbanetz, Leiter der Technischen DV bei Fichtel & Sachs: Wir würden es sehr begrüßen, wenn sich der oder die Marktführer endlich mal an Standards halten und nicht versuchen würden, selbst neue zu setzen, um die Konkurrenz auszuschalten." Das Ziel der Unternehmen bleibe, daß sie künftig ihre Investitionsentscheidungen völlig vorbehaltlos treffen können. Sie möchten einfach und ohne tausend Einschränkungen das DV-Produkt wählen können, das für den jeweiligen Anwendungsfall das geeignetste ist. Randbedingungen sollen möglichst keine Rolle mehr spielen. Urbanetz: "Das heißt nicht, daß wir grundsätzlich etwas gegen den Marktführer haben, aber wir möchten für unsere Problemlösungen das Optimum wählen können.

Eindeutig heißt OSI das Ziel, das den Unternehmen vorschwebt. Big Blue's Statements zu diesem Themenkomplex werden deshalb sehr kritisch beäugt. DV-Org.-Leiter Schell dazu: "Ich glaube nicht, daß die IBM wirklich offen sein will. Dies würde schließlich bedeuten, daß ich von jemandem erwarte, daß er sich voller Überzeugung und Herzlichkeit ein Stück aus dem eigenen Fleisch schneidet. Der Marktführer wird sich höchstens einer höheren Einsicht beugen." Entmutigen lassen sich die Anwender aber durch solche Erkenntnisse nicht. Ganz im Gegenteil - sie fordern noch mehr. Uwe Laerum, Informationsmanager bei der Bauknecht Hausgeräte GmbH: "Ich glaube, daß sich die IBM für offene Systeme erwärmen muß, sonst wird Big Blue irgendwann seine eigenen Geräte nicht mehr verkaufen können. "

Man habe bei der bisherigen OSI-Diskussion bereits gesehen, daß die IBM nach außen hin immer sagen würde: "Wir sind für offene Systeme", so Laerum. Bei ihrem eigenen System hätte sie die Realisierung dann aber verschleppen wollen. Unausgesprochen habe immer im Raum gestanden, daß die anderen Computerhersteller sich an ihre Standards anpassen müßten.

Große Bedeutung messen die Anwender auch den Verbänden VDA (Verband Deutscher Automobilbauer) und dem VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer) bei. Diese Macht- und Marktpotenz könne auch IBM nicht ignorieren. Der Vorsitzende des VDA-Arbeitskreises CAD/CAM, Axel Mund, der zugleich Hauptabteilungsleiter für Informationstechnik im Forschungs- und Entwicklungsbereich bei VW ist, betont: " Wir haben natürlich ein großes Interesse an offenen Systemen und tun auf allen Fronten, unser möglichstes, um volle Kompatibilität oder zumindest Kommunikationsfähigkeit herzustellen." Außerdem seien die Anwender gewillt, das Potential, das sie als Machtkonstellation am Markt darstellten (Automobilfirmen und Zulieferindustrie), zu nutzen und den Anbietern klarzumachen, daß, wenn sie langfristig mit ihnen zusammenarbeiten wollten, die Anwender Kompatibilität und die Bereitschaft, Schnittstellen zu bedienen, voraussetzten. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Anwender mündiger geworden sind.

Neben dem OSI-Modell setzen sich viele auch für MAP ein. Rudolf Schäfer, Leiter der Informationssysteme bei Werner & Pfleiderer, erklärt: "Mit der IBM diskutiere ich nicht über MAP. Allerdings, eines muß man dem Marktführer wirklich zugestehen, er informiert seine Kunden sehr aktiv - wesentlich aktiver als manch andere Firma. Ich lasse mich aber nicht beeinflussen, denn ich will, soweit es möglich ist, unabhängig bleiben."

Auch die IBM-Konkurrenz bleibt nicht von Kritik verschont. Nach Ansicht des DV-Profis Hans-Rudolf Schell ist es falsch zu erwarten, daß die IBM die OSI-Welt "klar macht". Die entscheidende Frage sei, inwieweit sich die Nicht-IBM-Anbieter für OSI einsetzen würden. "Ich habe da meine Zweifel, daß mit voller Kraft daran gearbeitet wird", so Schell.

Im künftigen CIM-Bereich wird der IBM insgesamt nicht sehr viel zugetraut. Hier eröffnen sich für die Konkurrenz gute Chancen, ist die Meinung der Anwender. Allerdings nicht nur Hardwarehersteller, sondern auch Softwarehäuser könnten hier viel bewirken, meint der IS-Verantwortliche Rudolf Schäfer. Die Position der IBM hängt sehr davon ab, wie stark jetzt mittlere und neue Unternehmen sind.

Von der Wiedereinführung "eigener" Betriebssysteme auf dem PC-Sektor sind die Anwender nicht begeistert. Uwe Laerum von der Bauknecht Hausgeräte GmbH ist sich jedoch ziemlich sicher, daß die IBM sich dennoch öffnen muß, denn das PC-DOS werde sich auf Dauer nicht durchsetzen. Es werde bei MS-DOS bleiben, schon allein deswegen, weil die Software entsprechend weit sei.

Die eigenen Wege, die die IBM in jüngster Zeit wieder gehen möchte, stoßen bei ihren Kunden auf wenig Gegenliebe. Eines steht auf jeden Fall fest, die Anwender werden auch künftig an ihrem Ziel "Offene Systeme" festhalten.