Kein Interesse mehr am Konkurrenten Cabletron macht 3Com den Weg fuer die Chipcom-Uebernahme frei

11.08.1995

MUENCHEN (jha) - Der Uebernahme von Chipcom durch 3Com steht aller Voraussicht nach nichts mehr im Wege. Cabletron zog die nach dem Bekanntwerden des geplanten 3Com-Chipcom-Mergers spontan geaeusserte Offerte, 50 Prozent der Chipcom-Aktien zu kaufen, mittlerweile zurueck und laesst dem grossen Kontrahenten den Vortritt.

Mit der nun immer wahrscheinlicher werdenden Uebernahme des Hub- Spezialisten Chipcom duerfte 3Coms Akquisitionshunger zunaechst einmal gestillt sein. Seit 1987 schluckte das Unternehmen bereits neun Companies und kaufte damit Loesungen etwa fuer das remote Networking, ISDN oder ATM ein. Doch die zehnte Akquisition faellt aus dem Rahmen. "Diese Uebernahme bedeutet eine Kursaenderung", erklaerte Franz Fichtner, Europachef bei der 3Com GmbH, Muenchen, "bisher haben wir Technologie eingekauft, doch die Chipcom- Akquisition hatte erstmals einen strategischen Hintergrund."

In Teilbereichen konkurrierte der Uebernahmekandidat mit der kuenftigen Muttergesellschaft, etwa im High-end-Markt fuer Chassis- Hubs. Dort bewerteten die Marktforscher Chipcom in vielen Laendern Europas als Marktfuehrer vor Cabletron sowie 3Com, nach Meinung Fichtners zu Recht: "Die Chipcom-Loesung ist einfach besser", gesteht er der ehemaligen Konkurrenz einen technischen Vorsprung gegenueber dem eigenen Angebot zu.

"Oncore", die nun von 3Com erworbene Chassis-Hub-Loesung, wird kuenftig das eigene Portfolio abrunden und wohl langfristig den "Linkbuilder Multiservice Hub" abloesen, auch wenn Fichtner versichert, das Geraet werde auch in Zukunft ausgeliefert und weiterentwickelt. Andere Chipcom-Produkte werden vom Markt genommen oder wie etwa die Netz-Management-Loesung "Ondemand" in die 3Com-Alternative "Transcend" integriert.

Die Beziehungen zu IBM haben gelockt

3Coms Interesse an Chipcom beschraenkte sich jedoch nicht auf die Produkte, sondern vor allem strategische Ueberlegungen haben zu dem Kauf gefuehrt. Interessiert war 3Com an der Verkaufs- und Beratungsmannschaft von Chipcom, deren 180 Mitarbeiter in Europa komplett uebernommen werden. Mit der erworbenen Kunden- und Installationsbasis rueckt 3Com zudem unter die groessten weltweit aktiven Hub-Anbieter auf. Ganz entscheidend fuer den Merger duerften auch die guten Beziehungen Chipcoms zur IBM gewesen sein. "Wir haben uns vorher die Unterstuetzung von IBM eingeholt", raeumt Fichtner den Respekt vor Big Blue ein. Erst als der blaue Riese gruenes Licht gab, war fuer 3Com der Deal klar. Im Kaufpreis sind die Entwicklungsvorhaben von Chipcom und IBM in Sachen ATM oder Token Ring, ein OEM-Vertrag mit Big Blue sowie der Zugang zur IBM- Technik enthalten.

Diese Neuerwerbungen in Umsatz umzumuenzen, die Chipcom-Produkte in die 3Com-Linie zu integrieren und damit die Kunden zufriedenzustellen, duerfte schwierig werden und wuerde laut Wolf Schwen, Geschaeftsfuehrer der Cabletron Systems GmbH, Dreieich, an ein "Mergerwunder" grenzen. Aus eben diesem Grund hat Cabletron von einer Uebernahme Chipcoms abgesehen. "Wir moechten unserer bisherigen Strategie treu bleiben", rechtfertigt Schwen den Rueckzieher seiner Company. Mit dem Kaufangebot wollte sich das Unternehmen zunaechst alle Optionen offenhalten, doch interne Ueberpruefungen haben ergeben, dass die Chipcom-Produkte sich nicht in das Cabletron-Angebot integrieren lassen wuerden. Spekulationen, Cabletron habe mit der nun zurueckgenommenen Offerte den Kaufpreis fuer 3Com in die Hoehe treiben wollen, widersprach der Manager.

Cabletron haelt noch Anteile an Chipcom

Die Staerken des eigenen Arbeitgebers sieht Schwen im Service und Support sowie im virtuellen Networking und Netz-Management. "Die 3Com-Netzadministrations-Loesung Transcend taucht doch nicht einmal in Vergleichen auf", bemaengelt er die Software des Konkurrenten. 3Com-Wettbewerber Cisco, der die Akquisition wesentlich gelassener hinnahm, argumentiert aehnlich. In Zukunft sei die Software der strategische Entscheidungsfaktor fuer Kunden, heisst es in einer Erklaerung des Unternehmens, 3Com erwerbe jedoch nur Hardwaretechnologie. Von den Auswirkungen der Akquisition seien somit vor allem Unternehmen wie Bay Networks und Cabletron betroffen.

Cabletron, das bereits seit geraumer Zeit einige Anteile an Chipcom haelt, wird diese Aktien laut Deutschland-Chef Schwen zunaechst nicht verkaufen. "Damit hat Cabletron demnaechst Anteile an 3Com", mokiert er sich. Die Marschrichtung seines Unternehmens in puncto strategische Partnerschaften ist derzeit noch unklar. "Der Ausbau der Beziehungen zu Cisco waere ein normaler Effekt", spekuliert Schwen ueber die kuenftige Konstellation im Markt fuer Netzwerkhardware, der zumindest in naher Zukunft nicht noch einmal von 3Com aufgewirbelt werden duerfte. Nach den vielen Akquisitionen ist das Unternehmen vermutlich zunaechst mit deren Integration beschaeftigt. Mitte Oktober, so der Zeitplan, wollen 3Com und Chipcom als ein gemeinsames Unternehmen am Markt auftreten.