Anwendungsintegration per Knopfdruck?

Kein E-Business ohne Enterprise Application Integration

19.05.2000
IT-Abteilungen stehen vor der Aufgabe, unterschiedlichste Programme miteinander zu verbinden und neue E-Business-Anwendungen zu schaffen. Lösungen zur Enter-prise Application Integration (EAI) sollen den Aufwand für die Schnittstellen-Programmierung senken.Von Richard Nußdorfer*

Die Produktvielfalt bei den EAI-Produkten ist für IT-Planer verwirrend: Die Frage "Benötigt unser Unternehmen EAI-Produkte, und wenn ja, welche?" ist nicht einfach zu beantworten. Hilfreich für die Auswahl einer passenden Lösung ist es, die unterschiedlichen Architekturkonzepte der Hersteller zu betrachten (siehe CW 12/00, Seite 22 und www.computerwoche.de unter der Rubrik "Highlights" im Softwareforum.).

In diesem Artikel wird der Architekturtyp "Processware" detailliert beschrieben, der von den Herstellern Crossworlds und Forté angeboten wird. Das Hauptmerkmal von Processware ist seine umfangreiche Funktionalität und die eingebettete betriebswirtschaftliche Intelligenz. Eine derartige Architektur bietet nicht nur Software in Form einer Middleware, sondern auch die betriebswirtschaftlichen Funktionen, die notwendig sind, um einen gesamten Geschäftsprozess über unterschiedliche Anwendungen hinweg abzubilden. Die vier wichtigsten Hauptfunktionen einer derartigen Architektur sind:

-Abbildung der Geschäftsprozesse (Modellierungskomponente),

-Datentransformation zwischen Anwendungen,

-Connectoren (Adapter) zum Anschluss vorhandener Anwendungen sowie

-hohe Flexibilität durch Definition statt Programmierung.

Gleichzeitig stellt das Konzept der Processware auch eine verteilte Anwendung dar. EAI-Tools umfassen alle Schichten einer mehrstufigen Applikation mit Clients (externe Anwendungen), Web-Server, Application-Server und Datenbank. Die Komplexität dieser EAI-Anwendung wiederum zwingt die Hersteller, auch mächtige Funktionen in ihre Produkte einzubauen. Dort liegt der Hauptunterschied der betrachteten Produkte. Einfache und komplexe Integrationsanforderungen kommen in der Praxis vor, und für jeden dieser Fälle muss eine passende Lösung vorgehalten werden. Der Umkehrschluss gilt aber nicht, denn es gibt keine Lösung, die immer passt.

Was die Hersteller wollenDas wesentliche Unterscheidungsmerkmal zu den Message-Brokern in der nächsten Architekturstufe besteht darin, dass der zentrale Application-Server eine klare Trennung der Ablauflogiken und der Datentransformationslogiken zulässt. Zusätzlich wird eine hohe Ausfall-, Transport- und Transaktionssicherheit auch bei vielen Benutzern geboten. Wichtig ist, dass es bei Processware eine Trennung zwischen der Abbildung des Geschäftsprozesses, seiner Ablaufsteuerung sowie der Datentransformation gibt. Durch die konsequente Gliederung dieser Schichten wird eine hohe Flexibilität und Wartungsfreundlichkeit erreicht. Diese Programmkomponenten sind vordefinierte Komponenten, deren Funktionalität ohne zu programmieren genutzt werden kann.

Während der Processware-Vorreiter Crossworlds (www.crossworlds.com) als unabhängige Firma mit Europa-Zentrale in München tätig ist, wurde Forté (www.forte.com) vor kurzem von Sun Microsystems übernommen, agiert aber als eigenständige Tochter weiter unter dem Namen Forté. Durch Weiterentwicklung ihrer bereits vorhandenen Produkte gehören seit kurzem allerdings auch Hersteller wie Mercator/TSI Software, Tibco Software, Active Software und Vitria dieser Architekturstufe an. Da die technischen Abgrenzungen nur eine ungefähre Positionierung ermöglichen, bieten der Reifegrad der Produkte und die Marktbedeutung des Herstellers ein weiteres Unterscheidungskriterium. Ziel dieses Artikels ist es, mit einer einheitlichen Sprache unterschiedliche Architekturen zu beschreiben, um die Vergleichbarkeit der Produkte zu erleichtern.

Crossworlds SoftwareCrossworlds Konzept ist bereits als globale Integrationsarchitektur angelegt und liefert eine klassische Multitier-Architektur mit einer Reihe von Bausteinen (siehe Tabelle):

Basis für die Kommunikation ist die herkömmliche Message Oriented Middleware (MOM), darauf aufgesetzt sind die betriebswirtschaftlichen Komponenten, die Crossworlds standardmäßig mit ausliefert. Diese Komponenten heißen "Connectoren", die die Verbindung zu den zu integrierenden Anwendungen herstellen, sowie "Collaborationen", die die anwendungsübergreifenden Geschäftsprozesse abbilden. Daneben gibt es Geschäftsobjekte ("Business Objects"), die die Datenobjekte und die Transformations-Logik abbilden. Dabei wird zwischen anwendungsspezifischen und generischen Geschäftsobjekten unterschieden.

All diese Komponenten werden von Crossworlds als Standardsoftware zur Verfügung gestellt. Connectoren und Collaborationen besitzen das erforderliche Wissen, um zwei oder mehr unterschiedliche Standardanwendungen miteinander zu verbinden, ohne dass programmiert werden muss. Erforderlich sind in der Regel nur kundenspezifische Anpassungen von Geschäftsobjekten und Collaborationen, die aber dank der generischen Eigenschaften der Collaborationen und der mitgelieferten Tools relativ einfach machbar sind.

Damit ist die wesentliche Stärke dieses Konzepts bereits beschrieben: Integration durch Standardsoftware, die unabhängig von den zu integrierenden Anwendungen ist. Zentraler Baustein dieser intelligenten Integrationsarchitektur sind die Collaborationen, die, einmal bereitgestellt, von jeder Anwendung genutzt und, falls notwendig, kundenindividuell angepasst werden können.

Fortés ArchitekturTrotzdem bleibt es ein einzelner Baustein (nicht aufgesplittet in Einzelkomponenten) und wird in herkömmlicher IT-Sprache als Business Logic bezeichnet, die auf dem Application-Server installiert ist und einen spezifischen Service bietet: unterschiedliche Anwendungen auf Geschäftsprozessebene verbinden.

Mit "Forté Fusion" bietet Forté seit dem vergangenen Jahr eine EAI-Lösung, die auf dem XML-Standard basiert. Wegen der sauberen Trennung zwischen Ablauflogik und Datentransformationslogik sowie der vorgefertigen Bausteine zählt Forté Fusion zum Architek-turtyp Processware (siehe Tabelle).

Trotz ähnlicher Architektur haben die Lösungen von Forté und Crossworlds unterschiedliche Schwerpunkte: Crossworlds ist ausschließlich als EAI-Company gegründet worden und hat als Hauptziel, möglichst viele Anwendungen miteinander integrieren zu können. Das wesentliche praxisrelevante Merkmal ist neben der umfassenden Funktionalität die große Anzahl der verfügbaren Connectoren. Crossworlds ist Marktführer mit mehr als 50 verfügbaren Connectoren zu unterschiedlichen Anwendungen wie SAP, Baan, Oracle etc.

Damit ist es möglich, die Verbindung von Systemen stärker zu standardisieren und Erfahrungen von einem Projekt zum anderen zu transportieren. Nicht immer neu anfangen zu müssen und auf vorhandene Komponenten zurückgreifen zu können erhöht die Wirtschaftlichkeit sehr deutlich.

Neben den bewährten Messaging-Produkten im Kommunikationsbereich setzt Crossworlds zunehmend auch auf XML als Standardkomponente zur Kommunikation über das Internet. Damit können im Gegensatz zur bisherigen Lösung auch unbekannte Partner spontan mit Backend-Anwendungen kommunizieren, ohne dass die jeweiligen IT-Systeme im Vorfeld aufeinander abgestimmt worden wären. Forté ist bekannt als Lieferant von Software-Entwicklungsumgebungen, genannt "2nd Generation Tools". Zusätzlich hat Forté im letzten Jahr den Schritt in die Welt der Integrationslösungen gemacht und bietet eine eigene EAI-Lösung an. Beides zusammen - Fortés Entwicklungsumgebung und EAI-Produkte - ergibt eine integrierte Umgebung zur Entwicklung neuer Anwendungen und der Möglichkeit, existierende Pakete zu verbinden.

Forté Fusion setzt als Kommunikationstechnologie vollständig auf XML und hat die Chance, neue Anwendungen mit Hilfe dieses ohne Programmierung von Connectoren sofort integrieren zu können. Diese schon realisierte Zukunftsorientierung auf XML-Basis ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen Herstellern.

Auch die Datenkonvertierung ist fortschrittlich gelöst: Die "Fusion XLST Data Transformation Engine" nutzt XLST (Extensible Stylesheet Language), um das zentrale Datenkonvertierungsproblem zu lösen. Die XLST-Spezifikation bietet eine auf offenen Standards basierende Technologie zur Datenkonvertierung zwischen zwei Anwendungen.

* Richard Nußdorfer ist Geschäftsführer der CSA Consulting in München.