Kehrtwende im Outsourcing-Projekt

12.12.2006
Der erste Auslagerungsvertrag war traditionell ausgerichtet und lief holprig. Den zweiten vereinbarte der Aluminiumhersteller Hydro mit dem gleichen Partner - zu verbesserten Rahmenbedingungen.

Den IT-Mitarbeitern der VAW Aluminium AG bot sich im Frühjahr 2002 die unerwartete Herausforderung, die IT-Sourcing-Strategie neu auszurichten: Der Metallhersteller wurde von seiner Muttergesellschaft, dem Eon-Konzern, an die norwegische Norsk Hydro ASA verkauft. Zu dem Zeitpunkt währte ein auf elf Jahre ausgelegtes Outsourcing-Abkommen über die SAP-Anwenderbetreuung und Applikationsnutzung bereits drei Jahre. Der Dienstleister übernahm die IT-Tochter der VAW in der Erwartung eines langfristigen Kundenzugangs. "Das war für die damalige Zeit ein klassischer Ansatz: Outsourcing wurde erfolgreich für ein Business Reengenering eingesetzt. Aber dies hatte auch die typischen Nachteile", schilderte Jürgen Selig, bis April 2006 noch CIO des Unternehmens.

Erfolgsfaktoren

  • ein fester Wille zur Veränderung sowohl auf Kunden- wie auf Dienstleisterseite;

  • Top-Management-Committment auf beiden Seiten;

  • eine Transparenz der Kosten vor der Vereinbarung des neuen Vertrages, um die Preise und Kosteneinsparungen nachvollziehen zu können;

  • ausführliche Kommunikation der Vertragsinhalte einschließlich des Preismodells auf Kundenseite;

  • hohe Kundenorientierung des Dienstleisters;

  • die Einbeziehung neuer Kräfte auf Seiten des Dienstleisters;

  • eine bewährte Partnerschaft;

  • qualifizierte, engagierte Mitarbeiter auf beiden Seiten;

  • ein professionelles Management des Dienstleisters;

  • eine profunde Verhandlungsposition und ein notwendiger Wille zum Wechsel des Dienstleisters.

In der Folge stellten sich die klassischen Probleme ein. Die Anwendungsprojekte waren recht teuer, und die Qualität der Anwendungsbetreuung schwankte. Zudem beklagten die IT-Verantwortlichen die mangelnde Transparenz sowie die schlechte Dokumentation.

Mit der Übernahme durch den norwegischen Hydro-Konzern hieß das Gebot der Stunde selektives Outsourcing. Der weltweite Rechenzentrumsbetrieb wurde nach einer Ausschreibung dem Hydro-internen IT-Dienstleister übergeben, und einzelne Anwendungsprojekte wurden von nun an ausgeschrieben. Damit musste der Dienstleister plötzlich Drittanbieter integrieren.

Qualitätssteigerung vereinbart

Im Jahr 2004, nach Ablauf einer fünfjährigen Sperrfrist, konnte Hydro den ausgehöhlten Outsourcing-Vertrag dann ohne Vertragsstrafe kündigen. "Wir haben mit zwei globalen IT-Dienstleistern über die SAP-Support- und -Change-Leistungen gesprochen und konnten damit die Preis- und Leistungsniveaus gut einschätzen", schildert Selig. Den Zuschlag für die Betreuung der rund 2000 Anwender an mittlerweile mehr als 25 Standorten weltweit bekam schließlich wiederum der bestehende Dienstleister.

Die Konditionen sahen beim zweiten Abkommen völlig anders aus. Die Laufzeit wurde auf drei Jahre begrenzt und es wurde nur ein Minimalvolumen von zirka drei Millionen Euro pro Jahr verpflichtend festgeschrieben. Nur 25 Prozent der Serviceleistungen sind fix, der Rest ist variabel, abhängig von der Anzahl der User sowie Support- und Change-Anfragen. Doch selbst hier ist der Dienstleister angehalten, ständige Verbesserungen für die Anwenderseite vorzuschlagen und Produktivitätsgewinne in Form von definierten Preissenkungen an den Kunden weiterzugeben. Als gemeinsames Ziel wurde ferner vereinbart, die Anzahl der Tickets pro Anwender zu senken.

Entscheidend für die deutlichen Verbesserungen im Betrieb wurden die Änderungen in der Servicebeschreibung. Heute behandeln die Partner die Support-Dienste als Produkte mit eindeutigen Leistungsbeschreibungen, klaren Service-Levels und Festpreisen. "In der Einführungsphase haben die verbliebenen internen SAP-Prozessberater in den täglichen Anwenderkontakten dieses Servicekonzept vermittelt und so wesentlich zum Erfolg beigetragen", betont Georg Bell, Leiter Pro21 Application Management.

Die Verhandlungen für diesen Vertrag verliefen durchaus schwierig, weil der Dienstleister natürlich Umsatzgarantien einforderte: Das Verhandlungsteam von Hydro blieb jedoch eisern und bestand darauf, dass neue SAP-Projekte grundsätzlich ausgeschrieben werden. "Es ist uns mit diesem Modell gelungen, den Interessenkonflikt zwischen zwei unterschiedlichen Organisationen zu lösen", lautet das Fazit von Bell. So konnte der Dienstleister den Umsatz mit Hydro steigern, weil die Zahl der Nutzer deutlich zugelegt hat.

Bei dem Projekt wurde strikt darauf geachtet, am Ende der Laufzeit leichter den Provider wechseln zu können. "Die Wissensdatenbank ist unser Eigentum", betont Bell. Auf Vertragsstrafen bei Verletzung der Service-Level-Agreements (SLAs) verzichtete Hydro wohlweislich: "Sollten allerdings die SLAs wiederholt verletzt werden, haben wir ein fest definiertes Kündigungsrecht. Dies liefert einen viel stärkeren Leistungsanreiz als Pönale", ist sich Selig sicher.

Preissenkungen von bis zu 60 Prozent waren dadurch zu erzielen, dass Hydro für den weltweiten Support frühzeitig darauf gedrängt hat, indische IT-Experten einzubinden. "Wir haben zwar keinen direkten Durchgriff auf die indischen Mitarbeiter, das obliegt dem Dienstleister in Deutschland", beschreibt Bell. "Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass unsere Manager durchaus Möglichkeiten haben, ihre Anliegen umzusetzen."

Doch selbst ohne die Einsparungen durch Offshore-Angebote konnte Hydro die Kosten deutlich stärker reduzieren als geplant: Die Preise wurden um 20 Prozent und das Volumen um sechs Prozent gesenkt. Das ist nicht zuletzt Verdienst des etablierten Service-Provider-Managements, das mit zweieinhalb Vollzeitkräften besetzt ist und rund 50 Mitarbeiter auf der Dienstleisterseite steuert. CIO Selig hat sich nach Abschluss des Projekts aus der internen IT-Abteilung zurückgezogen und leitet heute die IT-Tochter Hydro IS Partner. Damit hat sich auch das berufliche Verhältnis zwischen Bell und Selig verändert. "Ich behandle den internen Dienstleister wie einen externen Anbieter", betont Bell. "Das schafft klare Regeln für die Zusammenarbeit."