KDBSKDCS: Durchbruch in der Softwaretechnologie?

15.02.1980

In der CW vom 18. 01. 1980 wurde das hohe Lied der kompatiblen Schnittstellen gesungen, von Vertretern einiger Softwarehäuser ebenso wie von staatlichen Stellen. Dabei wurde die Einführung der KDBS/ KDCS sogar als "Durchbruch in der Softwaretechnologie" bezeichnet. Ist sie das wirklich?

Die Autoren sind dieser Frage nachgegangen und haben die einschlägigen Kurse am bayerischen Landesamt für Datenverarbeitung besucht. Hier das Ergebnis.

KDBS/KDCS ist nicht mehr und nicht weniger als der Durchschnitt einer Reihe von willkürlich ausgewählten handelsüblichen DB- beziehungsweise DC-Systemen. Die kompatiblen Schnittstellen bieten also zunächst nur das, was allen Systemen gemeinsam ist, und das ist ein überraschend großer Subset der Möglichkeiten eines DB/DC-Systems, von dem sich der Marktführer nur deshalb noch nicht getrennt hat, weil seine Kunden in damit realisierte Anwendungen Unsummen investiert haben.

Die KDBS/KDCS-Schnittstellen bieten somit nur einen Teil der Möglichkeiten, eines nach dem heutigen Stand der Technik völlig veralteten Systems, vom Stand der Forschung ganz zu schweigen. Ist das allein schon schlimm genug, so wird das Bild durch eine unnötig komplizierte CALL-Schnittstelle mit vielen meist überflüssigen und bedeutungslosen aber nichtsdestotrotz obligatorischen Parametern weiter getrübt.

Erreicht wird damit auf den ersten Blick eine Verbesserung der Übertragbarkeit von Anwendungsprogrammen. Allerdings stimmt diese Aussage in ihrer vollen Allgemeinheit nicht. Die benötigten Umsetzprogramme wurden nämlich von den verschiedenen Herstellern selbst entwickelt und diese haben natürlich keinen Grund, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Sie ermöglichen die Verwendung von DB/DC-Spezialitäten ihrer Systeme unter der formalen Einhaltung von KDBS/KDCS. Das heißt im Klartext, daß eine beträchtliche Anzahl von sogenannten kompatiblen Programmen absolut nicht kompatibel, oder wie es besser heißen sollte, portabel ist, sondern in Wirklichkeit im Falle einer Übertragung einen eher großen Aufwand verursachen wird. Damit wurde, vor allem wenn man berücksichtigt, daß beim Anlagenwechsel auch bei "kompatiblen Programmen" Quellcodeänderungen nötig sind, nicht mehr erreicht, als durch die rein organisatorische Einschränkung auf DB-Systeme, die hierarchische Datenbanken erlauben, und auf transaktionsorientierte DC-Systeme. Denn bereits unter diesen Voraussetzungen ist die Möglichkeit einer einfachen mechanischen Umsetzung von einem System ins andere gegeben, wenn man auf die bereits weiter oben genannten Spezialitäten verzichtet.

Im Bereich der Anwendungsprogrammierung haben die kompatiblen Schnittstellen also ihr Ziel nicht erreicht, andere Ziele wurden aber nicht verfolgt; denn mit Ausnahme der Anwendungsprogramme soll ja bei KDBS/KDCS alles systemabhängig bleiben (was nebenbei bemerkt, einen Hardware- oder Systemwechsel nicht gerade beschleunigt).

Für DB/DC-Administratoren jedenfalls bringen die neuen Schnittstellen nur neue Probleme. Die Autoren schlagen deshalb anstelle der doch etwas länglichen "Abkürzung" KDBS/KDCS das Kürzel KVÜS vor: Konfuse Vermehrung überflüssiger Schnittstellen.

Doch weiter ohne Polemik: Hat es praktikable Alternativen überhaupt gegeben? Wir sehen drei.

1. Es gibt auf dem Markt ein zugegeben ebenfalls veraltetes DB-System, das für sämtliche in Frage kommenden Rechner, Betriebssysteme und darüber hinaus auf vielen Kleinrechnern zur Verfügung steht. Durch dieses System würde die Übertragbarkeit nicht nur der Anwenderprogramme, sondern auch der Datenbanken recht problemlos möglich.

2. Die Definition und übertragbare Realisierung eines dem Stand der Technik entsprechenden DB/DC-Systems wäre zwar durchaus recht aufwendig, andererseits aber mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln im gegebenen zeitlichen Rahmen möglich gewesen.

3. Auch die Normung und Durchsetzung einer allen Anforderungen gerecht werdenden DB/DC-Schnittstelle hätte wohl mit dem gleichen Aufwand und Druck erreicht werden können.

Unpraktikabel wäre unserer Ansicht nach das auf den ersten Blick mögliche Aufpfropfen einer komfortablen, modernen DB/DC-Schnittstelle auf die vorhandenen Systeme. Hier wären mit Sicherheit unlösbare Effizienzprobleme in den einzelnen Umsetzprogrammen aufgetreten.

Zum Abschluß noch einige Bemerkungen zu den in CW-Artikeln verwendeten Gleichnissen. Die "Schluckimpfung gegen Systemabhängigkeit" ist völlig wirkungslos, taugt nicht einmal als Placebo. Sie ist andererseits die Mindestvoraussetzung für eine allgemeine Verwendung, den Nachweis der Unschädlichkeit, schuldig geblieben und muß ihn nach Meinung der Autoren immer schuldig bleiben.

Unsere ganze Bewunderung gilt der Analogie von der Richtgeschwindigkeit. Eine bessere konnten auch wir bisher nicht finden. Im DB/DC-Bereich sind wir heute noch weit davon entfernt, einen Porsche auch nur besteigen zu können, außerdem wird Tempo 180 wohl von keinem Theoretiker angestrebt. Man ist sich ja - übertragen aufs Auto - noch nicht einmal einig, ob man mit dem rechten Fuß oder der linken Hand Gas geben soll, ob der richtige Platz für die Bremse nicht vielleicht doch über dem Kopf des Fahrers ist und vieles andere mehr.

Schon Leonardo da Vinci sagte: "Wer sich der Praxis hingibt ohne Wissenschaft, ist wie der Steuermann, der ein Schiff besteigt, ohne Ruder und Kompaß, und nicht weiß, wohin er fährt."

Aber Leonardo da Vinci kannte ja auch den Begriff der Richtgeschwindigkeit noch nicht!