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Kartellverfahren: Microsoft soll billigere Windows-Version anbieten

10.12.2001
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die neun Bundesstaaten, die jetzt noch wegen Verstoßes des Kartellrechts gegen Microsoft klagen, haben am vergangenen Freitag ihren Vorschlag für weiterführende Strafmaßnahmen gegen den Softwareriesen eingereicht. In dem 40-seitigen Dokument fordern Connecticut, Florida, Iowa, Kalifornien, Kansas, Massachusetts, West Virginia, Utah und der District of Columbia eine neue Windows-Version, die nicht mit anderen Applikationen von Microsoft wie Instant-Messaging-, Musik- und Video-Software gebündelt werden und daher für weniger Geld erhältlich sein soll. Dadurch könnten die Computerhersteller und -händler ihre Windows-Rechner auch mit ähnlichen Produkten anderer Softwarehersteller konfigurieren und zu vergleichbaren Preisen anbieten wie PCs, die mit dem Microsoft-Softwarepaket bestückt sind.

Zudem fordern die neun Bundesstaaten, dass Microsoft den Code seines Browsers "Internet Explorer" offen legt und Suns Java-Plattform wieder unterstützt, was seit der Einführung von Windows XP nicht mehr gewährleistet ist. Microsoft soll außerdem gezwungen werden, "Office"-Varianten für konkurrierende Betriebssysteme wie Linux anzubieten und sich zudem verpflichten, weiterhin Office für den Apple/Macintosh herauszubringen.

Microsoft bezeichnete die eingereichten Vorschläge als "extrem" und unangemessen in Bezug auf den vom Berufungsgericht eingeschränkten Fall. Dieses hatte das Urteil einer niedrigeren Instanz bestätigt, wonach Microsoft des Monopolmissbrauchs für schuldig befunden worden war, die zuvor angeordnete Zerschlagung des Konzern jedoch aufgehoben. In dem laufenden Verfahren geht es nun um die Festsetzung des Strafmaßes für die Gates-Company. Microsoft hat bis zum kommenden Mittwoch Zeit, seine offizielle Stellungnahme zu den vorgeschlagenen Sanktionen der neun Bundesstaaten bei Richterin Colleen Kollar-Kotelly einzureichen.

Ursprünglich zählten auch das US-Justizministerium und weitere neun Bundesstaaten zur Klägerpartei. Vor kurzem einigten sich diese jedoch mit Microsoft auf eine außergerichtliche Beilegung. In dieser Sache will nun am kommenden Mittwoch der Justizausschuss des US-Senats tätig werden. Er wird Charles James, Antitrust-Chef im US-Justizministerium, befragen, warum dieser einer Beilegung des Falls zugestimmt habe, statt ihn weiterhin vor Gericht zu verfolgen.

Die private Sammelklage

In einer separaten privaten Klage von über 100 Einzelklägern gegen Microsoft werden am heutigen Montag Vertreter von Apple Computer in einem Bundesgericht in Baltimore erscheinen und Gegenargumente zu einem Einigungsvorschlag vorbringen. Einige der Sammelkläger hatten sich mit Microsoft darauf verständigt, dass die Gates-Company Software, Training und PCs im Wert von einer Milliarde Dollar an bedürftige US-Schulen liefern würde. Konkurrenten und Kritiker aus dem Erziehungswesen bemängeln, dass der Softwareriese dadurch nur noch mehr Anteile an Bildungsmarkt ergattern könnte.

Apple will das Gericht heute auffordern, von Microsoft die Einrichtung einer unabhängigen Stiftung zu verlangen, die eine Milliarde Dollar in bar erhalten und an bedürftige Schulen verteilen soll. Nachdem sich Microsoft 1997 mit 150 Millionen Dollar an Apple beteiligt hatte, ist dies ein gewagter Schritt.

Die EU-Klage

In dem europäischen Antitrust-Verfahren musste Microsoft unterdessen eine Schlappe einstecken. Die Gates-Company hatte sich auch hier bemüht, sich mit der EU-Kommission außergerichtlich zu einigen. Dieser Vorstoß des Unternehmens wurde von Brüssel jedoch abgelehnt. Der Prozess geht damit im Frühjahr 2002 in die nächste Runde. (ka)