Fachkommentar zum Thema Patentrecht

Kartellrecht schlägt Patentrecht

02.03.2012
Von Dr. Thomas Nägele

Was sagt das FRAND-Prinzip?

Rechtsanwalt Thomas Nägele: Zu hohe Lizenzen können Innovationen blockieren.
Rechtsanwalt Thomas Nägele: Zu hohe Lizenzen können Innovationen blockieren.
Foto: SZA, Mannheim

Organisationen und Vereinigungen, die sich um die Entwicklung von Standards und Normen kümmern, haben inzwischen das FRAND-Prinzip entwickelt (Fair, Reasonable And Non Discriminatory). Unternehmen, die davon profitieren wollen, dass ihre Patente Bestandteil eines Standards werden, müssen vorab eine Selbstverpflichtung abgeben. Sie soll sicherstellen, dass die für einen Standard oder eine Norm wesentliche patentierte Technologie allen Anwendern zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen zugänglich ist Insbesondere gilt es, zu verhindern, dass - wie im Fall Philips - Rechteinhaber bestimmten Wettbewerbern keine Lizenzen erteilen oder überhöhte Lizenzgebühren fordern, nachdem sich die Branche dem Standard angeschlossen hat.

Zudem wird vom Patentinhaber erwartet, dass er sämtliche Rechte offenlegt, die für Anwender eines Standards erforderlich sind. Tut er das nämlich nicht, so müssen alle Unternehmen, die eine standardisierte Technologie einsetzen, zusätzliche Lizenzgebühren entrichten. Zwei Fälle dieses "Patenthinterhalts" sind bekannt geworden. So sollen der Hersteller von Speicherchips Rambus und der Computerproduzent Dell in den USA bestimmte Patente bei der Entwicklung von Standards verschwiegen haben. Als sich der Standard dann am Markt etablierte, versuchten beide, ihre Schlüsselpatente durchzusetzen.

Das FRAND-Prinzip wurde Anfang 2011 auch von der Europäischen Kommission in ihre Leitlinien übernommen. Allerdings hatten die Gerichte noch offene Rechtsfragen zu klären. So beteiligte sich Bosch als Mitglied des Europäischen Instituts für Telekommunikationsnormen (ETSI) mit eigenen Patenten an der Entwicklung des UMTS-Standards. Dabei ging Bosch auch die FRAND-Verpflichtung ein. Die Bosch-Patente wurden aber später vom deutschen Patentrechte-Verwerter IPCom übernommen, und der sah sich nicht mehr an die von Bosch abgegebene Zusage gebunden. Das Landgericht Mannheim räumte alleridings auch in diesem Fall den Wettbewerbern eine wirkungsvolle Möglichkeit zur Verteidigung ein: das Argument, dass der Patentinhaber seine marktbeherrschende Stellung missbrauche.

Was ist fair und angemessen?

Weitere Fragen sind noch offen. So ist sich die Branche weitgehend uneinig, wie hoch eine faire und angemessene Lizenzgebühr unter FRAND-Bedingungen sein darf. Wichtig ist das nicht nur für die Beurteilung, ob ein Patentinhaber durch seine Gebührenforderung tatsächlich den Wettbewerb behindert. Vielmehr zeigt es auch in der Praxis, ob eine FRAND-Erklärung die Patentinhaber zwingt, finanzielle Obergrenzen bei ihrer Lizenzpolitik zu akzeptieren. Strenge Richtlinien wären für die Gerichte zwar nicht verbindlich, wohl aber ein Indiz für die Rechtsfindung.

Ohne ausreichenden finanziellen Anreiz lohnt sich es für Unternehmen sicher nicht, neue Technologien zu entwickeln. In Branchen, die einen hohen Standardisierungsgrad aufweisen, können Inhaber von Schlüsselpatenten aber versuchen, den Wettbewerb zu blockieren. Sind die Lizenzgebühren für die Nutzung von Standard-bestimmenden Patenten zu hoch, werden sich Innovationen nicht breit am Markt durchsetzen. (qua)