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Kartellprozess: Gates und Ballmer würden aussagen

11.02.2002
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft hat erklärt, dass sowohl Chairman Bill Gates als auch CEO (Chief Executive Officer) Steve Ballmer nötigenfalls im Rest-Kartellprozess von neun US-Bundesstaaten gegen den Softwarekonzern vor Gericht aussagen würden. Gates hatte sich bislang stets geweigert, persönlich im Gerichtssaal zu erscheinen. Seine Video-Aussage hatte 1998 eine ausgesprochen kontroverse Diskussion nach sich gezogen, weil er sich an zahlreiche Details nicht erinnern konnte oder wollte, die später durch E-Mails widerlegt wurden (Computerwoche online berichtete).

Microsoft hat wie auch die neun Bundesstaaten unter Führung von Kalifornien, Connecticut und Iowa am vergangenen Wochenende seine Zeugenliste übermittelt. Diese enthält neben Gates und Ballmer zahlreiche Manager von PC-Anbietern, Distributoren, Chipherstellern (AMD-Chef Jerry Sanders) sowie je einen Vertreter aus Kabelindustrie und Venture-Capital-Unternehmen. Außerdem möchte Microsoft den Oracle-Manager Kenneth Glueck als "feindlichen Zeugen" vorladen. Glueck, in Washington ansässiger Vice-President des verfeindeten Datenbankriesen, steckt angeblich maßgeblich als "Drahtzieher" hinter den Vorschlägen der neun nicht einigungswilligen Bundesstaaten.

Microsoft unterstellt damit indirekt, dass hinter den Bemühungen der verbleibenden Staaten auch wichtige Konkurrenten - neben Oracle auch Sun und AOL Time Warner - stecken. Die Staaten weisen diese Anschuldigung von sich und berufen sich offiziell ausschließlich auf die vom Berufungsgericht im vergangenen Jahr einstimmig festgestellten Monopolvorwürfe gegen den Redmonder Konzern. Ihre Zeugenliste führt unter anderem Manager aus der Handheld- und PC-Industrie sowie von Breitband-Internet- und Telefonanbietern. Überraschend ist auch ein Verantwortlicher von Gateway gelistet - im bisherigen Prozessverlauf hatten viele PC-Hersteller sich geweigert, gegen Microsoft auszusagen.

Am 11. März will Richterin Colleen Kollar-Kotelly das Verfahren wieder aufnehmen. Parallel verhandelt sie ab dem 4. März über den zwischen Microsoft, dem US-Justizministerium und der anderen Hälfte der ursprünglich klagenden Bundesstaaten erzielten Vergleich (Computerwoche online berichtete). Hier hat die Richterin einer Anhörung von Wettbewerbern und anderen Gegnern der Einigung prinzipiell zugestimmt und damit gegen Microsoft entschieden, das die diesbezügliche Anhörung gern auf einen Tag beschränkt gesehen hätte. "Ich betrachte die Struktur der Anhörung als einen sich entwickelnden Prozess", erklärte Kollar-Kotelly. Sie wolle erst die öffentlichen Kommentare zu dem Vergleichsvorschlag prüfen, von denen viele ausgesprochen kritisch ausgefallen waren.

"Ich will die Tür offen lassen", erklärte die Richterin weiter. Sie muss nach dem aus der Nixon-Zeit stammenden Tunney-Gesetz (Computerwoche online berichtete) festlegen, ob der Vergleichsvorschlag dem Interesse der Allgemeinheit dient. Zeitgleiche Verhandlungen sind aus Sicht der neun noch klagenden Staaten besonders wichtig - sie möchten ihre Argumente vorbringen, bevor Kollar-Kotelly über den Vergleich ihrer Microsoft-gesonneneren Kollegen entscheidet. Microsofts Anwälte sehen das naturgemäß anders und wollen beide Verfahren strikt getrennt sehen. (tc)