Welche Lektionen Mitarbeiter und Unternehmen aus der Krise ziehen

"Karriere? - Doch nicht hier!"

06.02.2004
MÜNCHEN (CW) - Auf Umsatzeinbrüche reagierten viele Firmen in den vergangenen zwei Jahren mit Entlassungen, eingefrorenen Gehältern und zusammengestrichenen Weiterbildungsbudgets. Zurück blieben Mitarbeiter, die sich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten beraubt sehen und nur auf die nächste Chance zum Absprung warten. Die Unternehmen dagegen suchen nach Instrumenten, um die Personalkosten zu flexibilisieren.

Mitarbeiter und Unternehmen haben aus der wirtschaftlichen Krise durchaus unterschiedliche Lektionen gezogen. Das zeigen zwei aktuelle Studien der CSC Deutschland Akademie, der Vergütungsberatung Dr. Dr. Heissmann und der Personal-Marketing-Agentur Fiebes in Company (siehe Kasten "Die Folgen der Krise"). Zwar bestätigen sowohl die über 1500 befragten Fachkräfte als auch die 67 interviewten Personalverantwortlichen, dass ihre Unternehmen seit 2001 Mitarbeiter entlassen sowie unter anderem an den Gehältern und der Personalentwicklung gespart haben. Während 61 Prozent der Mitarbeiter sich über eine verschlechterte Arbeitssituation beklagen, glauben zwei Drittel der Personaler an eine hohe Arbeitszufriedenheit ihrer Mitarbeiter - sie bewerten diese zum großen Teil sogar noch besser als im Boomjahr 1999.

Die günstige Einschätzung der Personalverantwortlichen steht im deutlichen Gegensatz zur Gefühlslage vieler Mitarbeiter. So sind 57 Prozent von ihnen überzeugt, dass ihr Arbeitsplatz gefährdet ist. Demnach spielen auch 60 Prozent mit dem Gedanken, den Arbeitgeber zu wechseln - fast jeder Zweite davon bezeichnet sich als "sehr unzufrieden" und würde sofort kündigen, sobald ihm ein akzeptabler Job angeboten würde. Dass viele Unternehmen dennoch nicht mit einem Anstieg ihrer Fluktuation rechnen, liegt in erster Linie am stagnierenden Arbeitsmarkt, den das Gros der Befragten auch realistisch beurteilt: So glauben nur 29 Prozent der Fachkräfte, innerhalb eines halben Jahres eine neue Stelle finden zu können, die gleich hoch oder sogar höher dotiert wäre. Knapp zwei Drittel der Befragten würden sich aber Chancen ausrechnen, wenn sie zu Gehaltseinbußen bereit wären.

Ein Einkommensverzicht kommt aber nur für 13 Prozent in Frage, wenn sie dadurch ihren derzeitigen Arbeitsplatz sichern könnten. Stattdessen favorisieren die Fachkräfte, ihre Arbeitszeit zu flexibilisieren, weitere Aufgaben oder auch einen anderen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens zu übernehmen. Die Marktforscher stellten fest, dass ältere Mitarbeiter in der Vergütung eher Abstriche machen würden als ihre jüngeren Kollegen, dafür aber weniger gern Zusatzaufgaben erledigen.

Die Mehrheit der befragten Unternehmen planen indes ganz anders: 82 Prozent wollen ihre Personalkosten "nachhaltig flexibilisieren" - als wichtigste Ansatzpunkte gelten die Vergütungssysteme, Altersteilzeit sowie Outsourcing. Schon jetzt setzt das Gros der Unternehmen auf variable Vergütungsbestandteile, um die Mitarbeiter leistungsgerecht zu bezahlen und auch zu motivieren. Bei außertariflich bezahlten Beschäftigten und leitenden Angestellten sind nicht nur die variablen Anteile höher (von zehn bis über 30 Prozent), sondern ist auch die Intention eine andere: Die so Entlohnten sollen Erfolg und Misserfolg des Unternehmens teilen dürfen beziehungsweise müssen, so dass nicht nur die persönliche Leistung über die Auszahlungshöhe des variablen Anteils entscheidet.

In Sachen Gehalt hielten sich die befragten Unternehmen 2003 im Vergleich zu 1999 deutlich zurück: Bestenfalls erhöhten sie die Gehälter durchschnittlich (27 Prozent), 19 Prozent hoben sie nur unterdurchschnittlich an, in 18 Prozent der Firmen gab es keine Gehaltserhöhung, und zwölf Prozent senkten die Einstiegsgehälter. Die veränderte Vergütungspolitik bleibt nicht ohne Folgen: In mehr als jeder zweiten Firma gehen die Gehälter innerhalb der Mitarbeitergruppen "sehr weit" auseinander, wie die Personalverantwortlichen zugeben. Jedes dritte Unternehmen will darum auch seine Vergütungsstruktur überarbeiten und bestehende Gehälter anpassen, zehn Prozent haben das bereits getan.

Kontakte zu Bewerbern werden kaum gepflegt

Weniger Handlungsbedarf sehen die Arbeitgeber dagegen in Sachen Rekrutierung. Die Mehrheit geht davon aus, dass sie auch in den nächsten zwei Jahren nicht mehr Hochschulabsolventen oder Young Professionals mit Berufserfahrung benötigen werden als heute. Optimistischer sind die Prognosen nur für Fach- und Führungskräfte: Für die erste Gruppe rechnen 47 Prozent der Unternehmen mit einem steigenden Bedarf, bei der zweiten Gruppe sehen immerhin noch 28 Prozent einen nahenden Anstieg. Trotzdem ist ein gezieltes Kontakt-Management in der Mehrheit der Firmen heute nicht üblich: Selten werden die Verbindungen zu guten Bewerbern gepflegt, die aktuell für keine Position in Frage kommen, oder zu ehemaligen Mitarbeitern, die in gutem Einvernehmen gekündigt oder rezessionsbedingt entlassen wurden. Insgesamt rekrutieren nur drei Prozent der Firmen antizyklisch und stellen bereits heute Spezialisten zu günstigen Konditionen an, die während des Aufschwungs wieder schwerer und teurer zu gewinnen sein könnten.

Magere Weiterbildungsbilanz für 2003

Um ihre bestehende Mannschaft zu motivieren, setzen fast alle Unternehmen auf Lob durch Vorgesetzte und finanzielle Anerkennung besonderer Leistungen. Für jede zweite Firma gehört auch eine nachvollziehbare Personalentwicklung zum Motivationskanon. Bei vielen Mitarbeitern scheint diese Botschaft aber nicht anzukommen, wie die Befragung der Fachkräfte ergab: So verneinen zwei Drittel der Befragten, dass die Personalentwicklung und -beurteilung ihnen Perspektiven im Unternehmen aufzeigt. Die große Mehrheit glaubt nicht daran, dass sie ihre Karrierevorstellungen beim jetzigen Arbeitgeber verwirklichen kann.

Das mag auch daran liegen, dass Weiterbildung für viele 2003 kein Thema war: 40 Prozent der befragten Mitarbeiter bildeten sich nicht fort, knapp 20 Prozent brachten es auf einen bis zwei Weiterbildungstage im Jahr. Besser erging es bei diesem Thema lediglich zwei Gruppen: den Berufsanfängern, die dank Einsteiger- und Traineeprogrammen auf zum Teil mehr als zehn Tage Training im Jahr kamen, sowie den Führungskräften. 39 Prozent von ihnen haben mehr als drei Tage Weiterbildung im Jahr erhalten, was sich durch spezielle Führungsentwicklungsprogramme oder Coaching-Angebote erklären lässt. (am)

Die Folgen der Krise

Erst Fachkräftemangel, dann Entlassungen - zwei Studien haben nun untersucht, wie sich die wirtschaftliche Krise auf Arbeitssituation und Personal-Management in deutschen Unternehmen ausgewirkt hat. Dabei befragten die CSC Deutschland Akademie, die Vergütungsberatung Dr. Dr. Heissmann und die Personal-Marketing-Agentur Fiebes in Company Mitarbeiter und Personalverantwortliche unabhängig voneinander. An der Mitarbeiterstudie nahmen von September bis November 2003 insgesamt 1525 Fach- und Führungskräfte teil. Jeder Vierte von ihnen arbeitet im Bereich IT, TK oder in einem anderen technischen Beruf. Knapp die Hälfte der Teilnehmer sind zwischen 30 und 40 Jahre alt, mehr als zwei Drittel haben ein Studium oder eine Ausbildung abgeschlossen.

Die zweite Studie untersuchte den Einfluss der Krise auf die Personalpolitik der Firmen. So wurden Personalverantwortliche in 67 Unternehmen aus verschiedenen Branchen befragt. 40 Prozent der Firmen beschäftigten zwischen 1000 und 5000 Mitarbeiter.

Abb: Mitarbeiter ohne Perspektive / Firmen unter Kostendruck

Die wirtschaftliche Flaute hat sich bei Mitarbeitern und Unternehmen unterschiedlich ausgewirkt. Während die Beschäftigten ernüchtert ihre Entwicklungschancen beurteilen (linke Grafik), suchen die Firmen verstärkt nach Möglichkeiten, Personalkosten zu sparen (rechte Grafik). Quelle: Dr. Dr. Heissmann GmbH