Technologiefabrik

Karlsruher Gründer träumen vom nächsten Google

28.05.2014
Mit Händen greifbar ist der Gründergeist im Karlsruher Osten. In der Technologiefabrik schmieden IT-Startups neue Produkte. Das kreative Umfeld gleicht der Gründerszene in Berlin. Was fehlt, sind vor allem Kapitalgeber.

Es gibt sie noch, die Garage mit dem Traum vom nächsten Apple oder Google. Die Augen von Friedrich und Jens Schick leuchten, wenn sie in der Karlsruher Technologiefabrik ihren "Spacepad" demonstrieren, einen Raum, in dem sich Software mit den Händen steuern lässt. "Wir messen die Bewegung, das ist das Neue", erklärt Friedrich Schick bei einer Vorführung des aus einem Computer und zwei Kameras bestehenden Systems. "Damit kann man auch im Freien, etwa vor einem Schaufenster, mit einem Bildschirm interagieren."

Die von Vater und Sohn Schick gegründete Myestro Interactive GmbH ist eine von rund 70 Startup-Firmen in der Technologiefabrik, einer alten Nähmaschinenfabrik im Osten von Karlsruhe, die 1981 stillgelegt wurde. Der Platz für das Entwicklungsbüro ist eher kleiner als eine Garage, aber das Gründertrio fühlt sich wohl. "Hier in Karlsruhe gibt es eine innovative Aura", sagt der 25-jährige Jens Schick. "Hier wurde viel Neues auf den Weg gebracht, da sind wir richtig."

"Wir hatten die Idee, ein Zentrum zu schaffen für junge Unternehmen den ersten kritischen Jahren ihrer Selbstständigkeit", erklärt der Geschäftsführer der Technologiefabrik, Alexander Fauck. Die 1983 gegründete Einrichtung ist nach Berlin und vor Aachen das zweite Gründerzentrum in Deutschland. In der Trägerschaft der Industrie- und Handelskammer (IHK) hat die Technologiefabrik nach Angaben Faucks bisher über 340 Unternehmen begleitet, die etwa 6000 Arbeitsplätze geschaffen haben.

"Wir nehmen nicht jeden, wir wählen die Firmen sorgfältig aus", erklärt Fauck. "Voraussetzung für die Aufnahme ist, dass etwas entwickelt wird, also nicht nur reine Dienstleistungen angeboten werden." Etwa 70 bis 80 Prozent sind in der IT-Branche unterwegs. Aktuelle Trends seien cloud-basierte Dienste - also IT-Anwendungen aus dem Internet, Datenanalysen unter dem Schlagwort "Big Data" und Entwicklungen wie die von Myestro aus dem Bereich der Bilderkennung. "Was mit Sicherheit kommen wird, ist das Internet der Dinge", sagt Fauck - also Alltagsgeräte aller Art mit Anbindung an das Internet.

Die Miete in der Technologiefabrik liegt unter den marktüblichen Sätzen. Das Gründerzentrum unterstützt seine Startups daneben mit Kursen für Vertrieb und Marketing und vor allem mit den Angebot zu vielfältiger Vernetzung. Die Firmen bleiben durchschnittlich fünf bis acht Jahre in der Technologiefabrik. Manche verlassen das Zentrum aber auch schon nach zwei Jahre.

Geschafft hat es die Softwarefirma BrandMaker, die Marketing-Lösungen entwickelt. "Die ersten Jahre in der Technologiefabrik haben uns als jungem Unternehmen sehr gut getan", erinnert sich Vorstandschef Mirko Holzer. Karlsruhe sei "ein hervorragender Standort, um ein IT-Unternehmen zu gründen". Qualifizierte Mitarbeiter sind dank der Nähe zur Technischen Hochschule vorhanden. Inzwischen übersteigt die Nachfrage aber das Angebot.

Wie bei BrandMaker sind die Geschäftsmodelle der Karlsruher Gründer meist auf Angebote für Unternehmen ausgerichtet. Darin unterscheidet sich die badische Stadt von der Berliner Startup-Szene, der größten in Deutschland, wo Apps für mobile Geräte die Hauptrolle spielen.

Die Ausrichtung an Ingenieurstechnik ergibt sich aus der engen Anbindung an die Hochschullandschaft der Stadt. Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) widmet sich ein eigenes Institut für Entrepreneurship, Technologie-Management und Innovation (EnTechnon) dem schwierigen Schritt von der Idee zur Firmengründung.

"Was fehlt, ist ein lokaler Risikokapitalfonds", sagt der Finanzvorstand der Karlsruher Investmentfirma Kizoo Technology Capital, Matthias Hornberger. Solche Venture-Capital-Fonds aus den USA schauen sich inzwischen auch in Deutschland um. Sie kalkulieren Fehlinvestitionen mit ein, wenn sie die Chance sehen, frühzeitig bei einem großen Erfolg dabei zu sein. "Grundsätzlich haben wir eine Atmosphäre in Deutschland, die nicht besonders gründerfreundlich ist", kritisiert Hornberger. Ein Hindernis sei das Steuerrecht, das Startups kaum begünstige.

Vermisst wird auch eine "Kultur des Scheiterns", wie sie etwa in den USA üblich ist. Der Chef der Wirtschaftsförderung bei der Stadt Karlsruhe, Michael Kaiser, bedauert: "Scheitern gehört zum Gründen dazu. Diese Erfahrung kann sehr viele Prozesse in Gang bringen, die dann zum Erfolg führen." Scheitern als Beleg für Unfähigkeit zu betrachten, sei lange von Banken mitgetragen worden, die bei einer entsprechenden Vorgeschichte die nötigen Kredite versagt hätten.

Die Technik von Myestro, um Software berührungslos mit den Händen zu steuern, sei faszinierend, aber schwierig zu vermarkten, sagt Hornberger. Die Myestro-Gründer spüren die Zurückhaltung der Investoren und wollen sich nach der Entwicklung eines Prototyps nun verstärkt um Marketing kümmern. Die ersten Kunden gibt es schon, aber Gründer Jens Schick bleibt Realist: "Es ist eine große Herausforderung, einen Markt zu betreten, der noch gar nicht existiert."(dpa/tc)