Microsoft Lync Server 2010

Kann Microsoft mit Cisco und Co mithalten?

21.09.2010
Von Johann Deutinger

Anspruchsvoller Silverlight-Client Lync 2010

Ebenfalls abzuwarten bleibt, wie die Performance von Lync als Client auf schwächeren PCs in der Praxis ausfällt. Die neue Client-Software ("Lync") basiert auf Silverlight. Sie enthält beispielsweise die wichtigsten Funktionen des Webconferencing-Angebots Live Meeting und ist optisch ansprechend und bedienungsfreundlich. Für einen älteren PC bedeutet Lync andererseits ein Mehr an Rechenleistung, die ja den ganzen Tag neben allen anderen Programmen abgerufen wird.

Daneben stehen kleinere Herausforderungen, die Unternehmen jedoch mit Zusatzprodukten lösen können, wenn sie von der klassischen Telefonanlage auf Lync Server 2010 wechseln. So hat Microsoft schon mit dem Lync-Vorgänger Office Communications Server R2 nur noch das SIP-Protokoll unterstützt. Damit ist den TK-Bedürfnissen nordamerikanischer Unternehmen vielleicht Genüge getan, aber viele Unternehmen im deutschsprachigen Raum stehen vor der Herausforderung, wie sie damit die Faxkommunikation bei hoher Dienstqualität abdecken sollen. Fax mag an Bedeutung verloren haben, aber darauf verzichten will kaum jemand. Andere Funktionen, die im deutschsprachigen Raum traditionell über herkömmliche Telefon-Verbindungen laufen, sind Alarmanlagen oder der Notruf im Aufzug. Für den klassischen Notruf hat Microsoft für Nordamerika über die Standort-Lokalisierungsfunktion ("E911") eine recht gute Lösung gefunden. Ob diese sich auf Europa übertragen lässt, oder ob kreative Unternehmen Zusatzlösungen anbieten, ist noch offen.

Entsteht ein Ökosystem wie bei Exchange 5.5?

Entscheidender für den Markterfolg als einige technologische Herausforderungen dürfte die Frage sein, ob die Microsoft-Partner, die in der Vergangenheit Exchange oder Active Directory bei ihren Kunden betreut haben, das Rennen machen, wenn Unternehmen eine neue TK-Infrastruktur kaufen wollen. Dienstleister, die in diesem Markt mitmischen wollen, müssen jetzt in das nötige TK-Wissen investieren. Mehr noch: sie müssen sich in Sprache und Befindlichkeiten der TK-Welt einfühlen, wenn sie nicht wie Invasoren von einem anderen Stern wirken wollen.

Blicken wir zurück auf die Geschichte eines anderen Microsoft-Produktes. Exchange 4.0, das erste Client/Server-Mail-Produkt des Unternehmens im Jahr 1996, war anfangs noch recht dürftig. Aber Microsoft wollte hartnäckig seine Marktanteile erhöhen, arbeitete intensiv an den Funktionen und mit Version 5.5. ging nur anderthalb Jahre später "die Mail ab". Die neue Lösung deckte die Mail-Bedürfnisse von Unternehmen ab und wurde bald um Groupware-Funktionen und Client-Software ergänzt. IT-Dienstleister erkannten ihre Chance und schnell bildete sich ein Ökosystem. Exchange ist heute mit 61 Prozent unumstrittener Marktführer für Groupware. Microsoft könnte mit seinem Unified-Communications-Angebot am gleichen Punkt stehen wie beim Launch von Exchange 5.5.

Unter dem Strich vermittelt der öffentlich verfügbare Release Candidate des Lync Server 2010 den Eindruck eines gereiften Produkts. Allerdings bleibt die Frage, ob der Markt für eine solche neuartige Lösung bereits reif ist. (hi)