Der lange Weg zum Komplettanbieter

Kampf der IT-Titanen

24.08.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Cisco - der Netzwerker

Netzspezialist Cisco arbeitet seit Jahren konsequent daran, seine Marktposition auszubauen - in erster Linie durch Übernahmen. Kaum ein anderes Unternehmen kauft so regelmäßig ein wie der US-Konzern. Seit Anfang der 90er Jahre finden sich fast jeden Monat neue Namen auf der Übernahmenliste von Firmenlenker John Chambers. Im vergangenen Jahr erhöhten die Verantwortlichen den Einkaufstakt. Fast wöchentlich akquirierte Cisco andere Hersteller. Dementsprechend erweiterte sich auch das Portfolio: Zu den Stammgeschäften mit Telefon- und Netzequipment wie Router und Switches kamen laufend neue Bereiche hinzu wie Sicherheitslösungen, Produkte für Storage Area Networks (SANs), Ausrüstung für Heimnetze, IP-TV, Web-Conferencing und Camcorder. Erst im vergangenen Jahr sicherte sich Cisco mit Tandberg einen Spezialisten für Web-Konferenz-Systeme und mit Pure Digital den Hersteller der populären Flip-Camcorder. Und die Shopping-Tour dürfte weitergehen. Experten zufolge ist Ciscos Kriegskasse mit etwa 15 Milliarden Dollar gut gefüllt.

Cisco-Chef John Chambers ist einer der fleißigsten Einkäufer im internationalen Markt der IT-Anbieter.
Cisco-Chef John Chambers ist einer der fleißigsten Einkäufer im internationalen Markt der IT-Anbieter.
Foto: Cisco

Doch Cisco hat nicht nur durch Zukäufe expandiert Das Unternehmen beschäftigt eigenen Angaben zufolge über 20.000 Entwickler und Ingenieure. Das entspricht fast einem Drittel der mehr als 63.000 Köpfe zählenden Gesamtbelegschaft. Mit 5,2 Milliarden Dollar investierte Cisco im Geschäftsjahr 2009 etwa 14 Prozent seines Umsatzes in den Bereich Research & Development (R&D). Mit diesem Verhältnis liegt der Konzern beinahe auf dem Niveau von IT-Größen wie Intel und Microsoft, die sich ihre Entwicklungsabteilungen 16 beziehungsweise 15 Prozent vom eigenen Umsatz kosten lassen. IBM und Hewlett-Packard liegen mit Anteilen von sechs beziehungsweise drei Prozent deutlich niedriger, stecken aufgrund der wesentlich höheren Einnahmen absolut jedoch kaum weniger Milliarden in den Bereich Research & Development.

Darüber hinaus knüpft der Netzwerker ein engmaschiges System an Partnerschaften. Im vergangenen Jahr vereinbarte Cisco beispielsweise eine enge Kooperation mit Speicheranbieter EMC und dessen Tochter VMware, bekannt für ihre marktführende Rolle im Markt für Virtualisierungssoftware. Zum einen haben die Partner die "Virtual Computing Environment Coalition" gegründet. Sie soll gemeinsam neue Produkte und Produktpakete entwickeln, die Kunden dabei helfen, eine Private-Cloud-Computing-Infrastruktur aufzubauen. Zum anderen wurde das Joint Venture Acadia aus der Taufe gehoben, das Kunden und Partnerunternehmen unterstützen soll, die neuen Pakete zu installieren und zu betreiben.

Das Jonglieren mit Eigenentwicklungen, Partnerschaften und Zukäufen ist indes nicht gerade einfach und führt fast zwangsläufig zu Konfrontationen im Markt. Die Ankündigung Ciscos im Frühjahr vergangenen Jahres, eigene Blade-Server auf den Markt zu bringen, war eine Kampfansage an etablierte Server-Anbieter wie IBM, Dell und Hewlett-Packard - Partner, die viele Jahre lang auch Ciscos Netzprodukte im Markt verkauft haben. Die Antworten ließen nicht lange auf sich warten. IBM und Dell begannen, ihre Kontakte mit Cisco-Konkurrent Juniper auszubauen, und Hewlett-Packard kaufte im Herbst 2009 den Netzspezialisten 3Com.

Marktbeobachter bescheinigen Cisco-Chef Chambers dennoch ein glückliches Händchen mit seiner Strategie. Der Konzern beeindrucke mit seinem Partner- und Ökosystem sowie den verschiedenen Allianzen, sagt Forrester-Analyst Matzke. Die Verantwortlichen entwickelten neue Business-Modelle und gingen damit proaktiv auf ihre Kunden zu. Allerdings hatte der Hersteller wie alle anderen eher produktorientierten Anbieter zuletzt Probleme. Im Fiskaljahr 2009 ging der Gesamtumsatz vor allem aufgrund eines rückläufigen Produktgeschäfts um 8,7 Prozent von 39,5 auf 36,1 Milliarden Dollar zurück. Zuwächse beim Service, der mittlerweile ein knappes Fünftel zu den Gesamteinnahmen beiträgt, konnten den Rückgang nicht kompensieren. Grundsätzlich sei ein Anbieter wie Cisco in der Lage, die notwendigen Services über ein gut ausgebautes Partnernetz anzubieten, sagt PAC-Analyst Stephan Kaiser. In der Krise kämen Anbieter mit einer ausgeprägten eigenen Dienstleistungssparte aber besser weg. Langfristig gehe es jedoch um innovative Lösungen. Hier sei Cisco durch sein Netzwerk nicht schlecht positioniert.

Kennzahlen Cisco

Börsenwert: 140 Milliarden Dollar*;

Mitarbeiter: 63.800;

Umsatz 2009: 36,1 Milliarden Dollar;

Gewinn 2009: 6,1 Milliarden Dollar.

* Stand Januar 2010