Notizzettel gehören bald der Vergangenheit an:

Kalkulationsprogramme sind PG-Renner

19.08.1983

Wer sich ein Tabellenkalkulationsprogramm anschafft, kann das mühselige Tüfteln mit Bleistift, Radiergummi, Taschenrechner und einem Berg von Notizzetteln bald vergessen. Denn für ihn übernimmt der Computer wieder einmal die zeitraubende Knochenarbeit. Klaus Gerwik stellt eine Auswahl von Programmen vor, die nicht nur auf einem bestimmten, sondern auf den Geräten mehrerer Hardwareanbieter laufen.

Multiplan und SuperCalc 2 sind die beiden wichtigsten Vertreter einer neuen Generation von Tabellenkalkulationsprogrammen für Mikrocomputer. Ein Bericht über Kalkulationsprogramme ohne den Hinweis auf VisiCalc - dem Vorbild aller Spreadsheets für Personal Computer -wäre jedoch sicher nicht vollständig. Denn erstens ist VisiCalc (visible calculator) mit zirka 400 000 Kopien noch immer das meistverkaufte elektronische Arbeitsblatt, und zweitens hat das Programm die Entwicklung der Mikrocomputer wesentlich beeinflußt. VisiCalc hat zum Beispiel einen großen Anteil an dem Erfolg von Apple.

Seit der Vorstellung von VisiCalc sind nunmehr zirka vier Jahre vergangen. Heute wird ein Bündel von verbesserten Tabellenkalkulationsprogrammen angeboten. Für den IBM Personal Computer gibt es mittlerweile auch eine Advanced Version. Solche Programme zum Erstellen von Kalkulationen, Finanzplanungen und Tabellen sind die großen Renner auf dem Softwaremarkt. Die wichtigsten Vertreter dieser Kategorie von Programmen sind so erfolgreiche Produkte wie SuperCalc, T-Maker, Desktop Plan, CalcStar, Microfinesse, PeachCalc, Plan 80 oder Multiplan. Neben dem Klassiker VisiCalc haben sich sowohl Multiplan als auch SuperCalc von der "Meute" abgesetzt und bilden nunmehr zusammen ein Spitzenreiter-Trio sowohl hinsichtlich der Verkaufszahlen als auch - mindestens gilt das für Multiplan und SuperCalc - bezüglich der Leistungsfähigkeit der Pakete.

Die Grundidee der Kalkulations- und Planungswerkzeuge ist einfach: Im Prinzip handelt es sich um ein "elektronisches Formular", das vom Personal Computer vorgegeben wird. Anstelle von Papier, Bleistift, Radiergummi und Taschenrechner wird der Mikro eingesetzt. Die Daten werden über die Tastatur in das "Formular" eingegeben und die Beziehungen zwischen den einzelnen Datenelementen definiert. Sind die Daten einmal richtig eingegeben, können anhand möglicher Variationen die Alternativen kalkuliert werden.

Mit den Kalkulationsprogrammen lassen sich schnell Antworten auf "Was passiert, wenn . . ."-Fragen ermitteln. Wird eine Variable - zum Beispiel der Benzinpreis in einer Kfz-Kostenkalkulation - geändert, so führt das Programm automatisch eine Neuberechnung aller durch die veränderte Variable betroffenen Angaben durch. Das zu Recht gehaßte

Durchrechnen von Alternativen wird mit dem Personal Computer zu einer interessanten Beschäftigung. Hat man ein "Formular" erst einmal mit Formeln "gefüttert", kann man Finanzmodelle aufstellen, die zahlenmäßig die Zukunft simulieren und somit die möglichen Auswirkungen einer Geschäftsentscheidung voraussagen.

Zur Lösung komplizierter numerischer Problemstellungen stehen neben den vier Grundrechnungsarten Berechnungsmöglichkeiten mit Durchschnitt, Minimal, Maximal, Logarithmen und Potenzen zur Verfügung. Bei einigen Programmen, wie zum Beispiel mit SuperCalc und Multiplan, können die ermittelten Werte zur besseren Übersichtlichkeit auch als Balkendiagramme abgebildet werden. Die Tabellen können auf Diskette gespeichert und auf einem angeschlossenen Drucker ausgegeben werden. Einige Kalkulationssysteme bieten besondere Druckfunktionen, so daß man den Tabellen druckmäßig den letzten Schliff geben kann. Andere wiederum bieten die Möglichkeit, die Kalkulationen einem Textverarbeitungssystem zu übergeben und in andere Texte zu integrieren; zum Beispiel in einen Finanzbericht oder in andere Aufstellungen mit Tabellen. Typische Anwendungen, die schnell und einfach mit einem Kalkulationsprogramm erledigt werden können, sind zum Beispiel eine Budgetplanung und -überwachung, eine Break-Even-Analyse sowie Planungen der Finanzen, der Kosten und der Umsatzerwartung.

Den hier beschriebenen Funktionsumfang haben fast alle angebotenen Programmpakete. Multiplan und das verbesserte SuperCalc E2 bieten zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten, die über den Standard hinausgehen. Multiplan ist unter den Betriebssystemen CP/M, CP/M-86, MS-DOS und Xenix lauffähig und wird auch in einer Apple-Version angeboten. Multiplan steht also für alle gängigen Personal Computer zur Verfügung. SuperCalc läuft auf allen 8- und 16-Bit-Mikrocomputern unter dem Betriebssystem C/PM oder MS-DOS.

Das amerikanische Computermagazin "InfoWorld" hat Multiplan zur Software des Jahres 1982 gewählt. Die Redakteure von "InfoWorld" entschieden sich für Multiplan, da sie es für ein exzellentes Tabellenkalkulationsprogramm mit einem Höchstmaß an Portabilität halten. Multiplan läuft auf allen Mikrocomputern mit Z80-, Intel 8088- oder Motorola 68000-Prozessoren. Auch der große Verkaufserfolg hat schließlich bei der Entscheidung für dieses Softwareprodukt eine große Rolle gespielt. Multiplan stammt von dem Softwarehaus Microsoft. Mehr als eine Million Microsoft-Produkte sind derzeit weltweit im Einsatz, unter ihnen so bekannte Pakete wie MBasic, Bascom und die Betriebssysteme Xenix und MS-DOS. Microsoft gehört mit VisiCorp, Sorcim, Digital Research und MicroPro zu den fünf größten Softwareunternehmen der Welt.

Für Insider kam die Wahl von Multiplan nicht überraschend, es erfüllt wirklich (fast) alle Anforderungen, die man an ein elektronisches Arbeitsblatt der neuen Generation stellen kann:

- Multiplan erlaubt die automatische Konsolidierung mehrerer "Arbeitsblätter". So lassen sich zum Beispiel die Budgetplanungen der einzelnen Betriebe zu einem Gesamtbudget des Unternehmens zusammenfassen.

- Es hat Sortierfunktionen, das heißt, Reihen und Kolonnen von Tabellen können in eine alphabetische oder numerische Ordnung gebracht werden.

- Multiplan erlaubt den wechselseitigen Austausch von Daten mit anderen Nicht-Multiplan-Dateien. Außerdem können VisiCalc-Anwender die VisiCalc-Dateien beim Einsatz von Multiplan weiterbenutzen.

- Es können relative Referenzen gebildet werden. Das heißt, jede Zeile kann mit einer Bezeichnung versehen werden, auf die der Anwender dann Bezug nehmen kann.

SuperCalc der Sorcim Corporation zeichnet sich durch eine besonders einfache Handhabung aus. Bei der Vorstellung des Programmes im Jahre 1981 war sich die Fachwelt einig: SuperCalc ist einfacher anzuwenden als jedes andere Tabellenkalkulationsprogramm. Die Software ist seit der Ankündigung das meistverkaufte Kalkulationsprogramm der CP/M-Welt und machte Sorcim zu einem der größten Softwareunternehmen der Welt.

SuperCalcs Stärke ist seine einfache Handhabung

SuperCalc setzt Maßstäbe bezüglich der einfachen Handhabung von Standardprogrammpaketen. Die Entwickler haben beim Programmdesign anwenderorientiert gearbeitet. Das Ergebnis ist ein bedienerfreundliches Programm, das den Bediener quasi an "die Hand nimmt". Die Dokumentation ist hauptsächlich für die Lernphase konzipiert: Alle Funktionen werden anhand von "Lessons" und "Examples" gut erklärt und einfach und nachvollziehbar dargestellt.

Man gibt nur einen Buchstaben ein, um ein Kommando zu starten. SuperCalc ergänzt die fehlenden Buchstaben automatisch. Wenn beispielsweise eine Tabelle gesichert werden soll, gibt man /S ein und SuperCalc fügt AVE (für Save) hinzu Gibt man /Z (für ZAP) ein, beendet man SuperCalc. Hier hat das Programm eine Sicherung eingebaut, um das unbeabsichtigte Löschen einer Tabelle zu verhindern. Bei ZAP fragt SuperCalc den Anwender, ob er tatsächlich die Kalkulation verlassen will, da die Tabelle gelöscht wird, wenn sie vorher nicht gesichert (auf Diskette gespeichert) wurde. Das kann im Ernstfall eine große Hilfe sein. Denn wer kann schon ausschließen, daß er nach mehrstündiger konzentrierter Arbeit nicht unbeabsichtigt ZAP aufruft? Übrigens hat auch CP/M eine ähnliche Sicherung: Bei dem Befehl ERA *.* fragt CP/M glücklicherweise "Delete all? Y/N"

Anfang 1983 hat Sorcim nun eine erweiterte Version, SuperCalc E2, freigegeben. Nun erfüllt SuperCalc, ebensowie Multiplan, so ziemlich alle Forderungen, die an ein ausgefeiltes Tabellenkalkulationsprogramm zu stellen sind. SuperCalc E2 bietet nun folgende, zusätzlichen Funktionen:

- Austausch von Dateien mit anderen Dateien,

- Konsolidierung von Tabellen durch Addition oder Multiplikation,

- Funktionen zum numerischen und alphanumerischen Sortieren,

- Execute-Kommandos, um Befehle mehrfach automatisch zu wiederholen,

- automatische Kalkulation von Kalenderdaten und Uhrzeiten.

Kunden, die bereits SuperCalc im Einsatz haben, können es später für zirka 150 Mark zu SuperCalc E2 aufrüsten. Denn gegenwärtig wird diese Ausbaumöglichkeit in Deutschland noch nicht angeboten.

Entnommen aus der CW-Publikation microComputerWelt 2/83.